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Politik

Papst bestürzt über Kinderleichenfunde

6. Juni 2021

Er habe die Nachricht aus Kanada mit Schrecken aufgenommen, sagte das Kirchenoberhaupt. Es werde weiter daran gearbeitet, Licht in die Sache zu bringen. Kanadas Regierung hatte eine Entschuldigung des Papstes gefordert.

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Vatikan Papst Franziskus San Damaso
Papst Franziskus (Archivbild)Bild: Stefano Spaziani/picture alliance

Der Fund schockiert über Grenzen hinweg: Auf dem Gelände eines jahrzehntelang von der katholischen Kirche betriebenen früheren Internats für Indigene in Kanada sind vor gut anderthalb Wochen die Überreste von 215 Kinderleichen entdeckt worden.

Die Regierung in Ottawa hatte Papst Franziskus daraufhin aufgefordert, sich offiziell für die frühere Rolle der katholischen Kirche im kanadischen Heimsystem zu entschuldigen. Beim Angelus-Gebet an diesem Sonntag äußerte sich das Kirchenoberhaupt erstmals dazu.

Kanada Kinderleichen-Fund Demonstration
Die Empörung in der kanadischen Bevölkerung ist groß - hier bei einer Mahnwache am Samstag in OttawaBild: Justin Tang/empics/picture alliance

Zusammen mit der gesamten Kirche sei er dem "kanadischen Volk, das durch diese schockierende Nachricht traumatisiert ist", nahe, sagte der Papst beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz. Staatliche und kirchliche Stellen arbeiteten eng zusammen, um die Sache aufzuklären, so Franziskus. Die traurige Entdeckung mache noch einmal "das Bewusstsein über Schmerzen und Leiden der Vergangenheit" bewusst. Es gelte, sich demütig für einen Weg der Versöhnung und Heilung einzusetzen, betonte der Papst.

Papst-Appell: Respekt aller Menschen füreinander

Der Vorfall sei eine dringende Mahnung "an alle, sich jeglichen kolonialen Verhaltens zu enthalten", auch jeglicher ideologischen Kolonisierung heute. Stattdessen sollten Menschen unterschiedlicher Kulturen Seite an Seite in gegenseitigem Respekt agieren. Dazu gehöre auch die Anerkennung der Rechte und kulturellen Werte aller Töchter und Söhne Kanadas.

Kanada Kinderleichen-Fund Demonstration
Gedenken an jedes einzelne der Kinder: Shirts in OrangeBild: Justin Tang/Zumapress/picture alliance

Nach dem Fund der 215 Kinderleichen auf dem Gelände der Kamloops Residential School, einer Art Umerziehungslager für Kinder kanadischer Ureinwohner, steht die katholische Kirche des Landes unter Druck. Sie hatte das Internat im Westen des Landes 1890 eröffnet. 1969 übernahmen staatliche Behörden die Schule, 1978 wurde sie geschlossen. In der Einrichtung waren Kinder aus indigenen Familien zumeist zwangsweise untergebracht, um sie - so die offizielle Lesart - an die "christliche Zivilisation" heranzuführen.

Dunkles Kapital der kanadischen Geschichte

Das Internat von Kamloops war eines von 139 derartigen "Internaten" in Kanada, die überwiegend unter kirchlicher Leitung standen. Zwischen den 1830er Jahren und 1998 landeten schätzungsweise mehr als 150.000 indigene Kinder in solchen Einrichtungen. Die Kinder wuchsen dort völlig isoliert von ihren Familien, ihren Gemeinden und ihrer Kultur auf. Sie sollten die Feste, Lieder, Sprache, Religion und die Traditionen der europäischen Einwanderer erlernen - und ihre eigenen vergessen. Viele Kinder wurden misshandelt oder sexuell missbraucht.

Kanada Kinderleichen-Fund Demonstration
Der Eingang zur früheren Indian Residential School in Kamloops heuteBild: Andrew Snucins/Zumapress/picture alliance

Wann und woran die 215 Kinder starben, deren Überreste auf dem Gelände in Kamloops gefunden wurden, ist noch nicht bekannt. Einige von ihnen wurden nur drei Jahre alt. Es wird vermutet, dass die sterblichen Überreste von Kindern stammen, deren Tod nicht dokumentiert worden war und die keine gekennzeichneten Gräber bekommen hatten.

UN-Menschenrechtsexperten forderten Kanadas Regierung und den Vatikan auf, umfassende Untersuchungen zu den Todesumständen der Kinder und zu etwaigen Verantwortlichen zu veranlassen.

Die Regierung in Ottawa hatte sich im Jahr 2008 offiziell für die Umerziehung der Ureinwohner entschuldigt. Im Jahr 2015 stellte eine staatliche Untersuchungskommission fest, sie seien Opfer eines "kulturellen Genozids" geworden. 

qu/rb (dpa, kna)