1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Papst Franziskus auf Lesbos

16. April 2016

Papst Franziskus will erneut das Gewissen Europas wachrütteln: Mit seinem Kurzbesuch auf der griechischen Insel Lesbos setzt er ein spektakuläres Zeichen der Solidarität. Er begrüßte dort Hunderte Flüchtlinge.

https://p.dw.com/p/1IWt5
Der Papst spricht mit jungen Flüchtlingen im Lager Moria auf Lesbos (Foto: Reuters)
Der Papst spricht mit jungen Flüchtlingen im Lager MoriaBild: Reuters/F. Monteforte

Der Papst, den seine erste Reise im Sommer 2013 nach Lampedusa führte, ist abermals auf eine Insel gereist, die zum Inbegriff des Flüchtlingselends in Europa geworden ist. Zu den Höchstzeiten des Flüchtlingszustroms landeten im Herbst 2015 täglich mehr als 7000 Menschen an den Ufern der drittgrößten griechischen Insel an. Auf Lesbos wurde das erste große Aufnahmezentrum errichtet, ein sogenannter Hotspot.

Papst Franziskus wurde auf dem Flughafen von Mytilini, dem administrativen Zentrum von Lesbos, von Ministerpräsident Alexis Tsipras begrüßt. Danach kam er mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I. und dem orthodoxen Erzbischof Hieronymus II. zusammen. Gemeinsam besuchten sie den umstrittenen "Hotspot" Moria. Dort begrüßte der Papst 250 Flüchtlinge persönlich.

Gemeinsame Erklärung unterzeichnet

In dem Flüchtlingszentrum unterschrieben Papst Franziskus, Patriarch Bartholomaios I. und der Erzbischof Hieronymus II. eine Deklaration, die zur Solidarität mit den Flüchtlingen aufruft. Europa stehe vor einer der größten humanitären Krisen seit Ende des Zweiten Weltkriegs, heißt es darin. "Die Welt kann die kolossale humanitäre Krise nicht ignorieren." Unzählige Menschen würden wegen ihrer Religion oder als ethnische Minderheiten verfolgt. "Wir appellieren an alle politischen Führer, mit allen Mitteln dafür zu sorgen, dass jeder Einzelne und alle Gruppen inklusive der Christen in ihrer Heimat bleiben und in Frieden und Sicherheit leben können." Dafür seien Hilfsprogramme dringend nötig, heißt es in der Erklärung - um Recht und Gesetz aufrecht zu erhalten, Menschenrechte zu verteidigen, Minderheiten zu schützen, Menschenschmuggler zu bekämpfen und die unsicheren Flüchtlingsrouten etwa über die östliche Ägäis zu eliminieren. Stattdessen sollten sichere Umsiedlungsprogramme entwickelt werden.

Am Nachmittag sind am Hafen eine Schweigeminute und ein Gebet für Hunderte Flüchtlinge vorgesehen, die bei Überfahrt von der Türkei in der Ägäis ertrunken sind.

Das griechische Staatsfernsehen berichtet, Franziskus wolle auf der Rückreise nach Rom zehn Migranten mitnehmen. Die acht syrischen und zwei afghanischen Staatsbürger seien bereits in Griechenland gewesen, bevor der EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei in Kraft getreten sei. Deshalb würden die Schutzsuchenden nicht in die Türkei zurückgeführt. Beobachter werten den Schritt als Zeichen der Unterstützung für Griechenland und als Kritik an einer Politik der Abgrenzung und geschlossenen Grenzen in Europa.

Papst Franziskus, Ministerpräsident Tsipras und Patriach Bartholomaios I. auf Lesbos (Foto: Reuters)
Papst Franziskus (Mitte), Ministerpräsident Tsipras (re) und Patriach Bartholomaios I. (li) auf LesbosBild: Reuters/A. Konstantinidis

"Die Herzen von Millionen bewegen"

Das Ehrenoberhaupt der orthodoxen Christenheit, Patriarch Bartholomaios I. aus Istanbul, bezeichnete den ökumenischen Besuch im Vorfeld als einen Solidaritätsappell an die Weltgemeinschaft. Es brauche mehr Einsatz für Bedürftige. Die Visite von Papst Franziskus werde "die Herzen von Millionen bewegen". Ausdrücklich lobte Bartholomaios die Bevölkerung von Lesbos, die den Flüchtlingen ihre Häuser und Herzen öffne. Der Patriarch traf wie Erzbischof Hieronymus bereits am Freitag auf der Insel ein. "Wir hoffen, dass unsere Initiative politisch genutzt wird, um einen Zweck zu erreichen: Das Problem, das wir zurzeit haben, zu internationalisieren", sagte Erzbischof Hieronymus II. auf Lesbos. "Denn es ist nicht ein Problem der Griechen, sondern Europas und der ganzen Welt".

Die Ägäis-Insel war in den vergangenen Monaten besonders stark von der Flüchtlingskrise betroffen. An manchen Tagen stieg die Zahl der Migranten auf der Insel mehr als 20.000 – bei einer Einwohnerzahl von rund 85.000. Inzwischen leben dort noch etwa 4100 Flüchtlinge, die meisten von ihnen sollen laut EU-Türkei-Pakt in die Türkei zurückgebracht werden. Etwa 3000 Menschen sind derzeit im "Hotspot" Moria untergebracht.

Gesten der Solidarität

Seit seinem Amtsantritt im März 2013 hat sich Papst Franziskus immer wieder für die Flüchtlinge eingesetzt und Europa zu mehr Engagement und Solidarität aufgerufen. Nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt besuchte der 79-Jährige die italienische Insel Lampedusa. Dort prangert er eine "Globalisierung der Gleichgültigkeit" an, sprach den Flüchtlingen Mut zu und betete für die Opfer der Katastrophen und Schiffbrüche im Mittelmeer.

Italiens Regierungschef Matteo Renzi lobte die 13. Auslandsreise des Papstes als "einfache aber starke Geste". Wie Griechenland fühlt sich auch Italien in der Flüchtlingskrise von den anderen EU-Staaten häufig allein gelassen. Papst-Sprecher Federico Lombardi erklärte, die kurzfristig anberaumte Reise sei "aus der Sorge des Papstes über die Situation der Flüchtlinge" entstanden.

kle/fab (epd, kna, dpa, afp)