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Papadimoulis: Kein Nein zu Europa

Bernd Riegert30. Juni 2015

Der griechische Vizepräsident des Europaparlaments möchte nach dem Referendum in Griechenland weiter verhandeln. Eine Volksbefragung in anderen EU-Staaten lehnt Dimitrios Papadimoulis im DW-Interview aber ab.

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Dimitrios Papadimoulis, MdEP und Vizepräsident der EU-Parlamentes (Foto: DW/Riegert)
Bild: DW/B. Riegert

Deutsche Welle: Herr Vizepräsident, wenn das griechische Volk am Sonntag im Referendum Nein sagt, die Vorschläge der Europäer also zurückweist - was wird dann am nächsten Montag passieren? Wie sieht Ihre Strategie aus?

Dimitrios Papadimoulis: Zunächst müssen wir die letzten Stunden des heutigen Tages nutzen, um eine Lösung zu finden. Gestern haben die Fraktionsvorsitzenden im Europäischen Parlament alle Führungspersönlichkeiten in Europa aufgefordert, einer Einigung noch eine Chance zu geben. Man sollte noch heute das Hilfsprogramm verlängern. Dann sollten die Griechen frei und demokratisch ihrem Willen Ausdruck geben, wie das den europäischen Werten entspricht.

Auf jeden Fall ist es von beiderseitigem Interesse, eine Einigung zu erreichen. Die Kosten eines Scheiterns wären für alle hoch, nicht nur für die Griechen, sondern für die ganze EU. Die Kosten wären nicht nur finanzieller, sondern auch geopolitischer Natur. Ich denke, es darf keine Drohungen oder Erpressungen von irgendeiner Seite geben. Heute oder am Montag müssen wir die Tür zu einer akzeptablen Lösung öffnen. Das ist ein gemeinsames Interesse.

"Wir wollen nicht erpresst werden"

Was passiert, wenn es am Sonntag ein Nein gibt? Ihre Regierung würde also am Montag nach Brüssel zurückkehren und weiter verhandeln?

Ja, natürlich. Das Nein wäre kein Nein zu Europa, kein Nein zur Euro-Zone, kein Nein zur griechischen Mitgliedschaft in der Währungsunion und kein Nein zur Suche nach einer Lösung. Das Nein richtet sich nur gegen einen Vorschlag, dem nicht zugestimmt wurde. Das ist ein Nein gegen ein Ultimatum und erpresserisches Verhalten. Die griechische Regierung erpresst niemanden, aber gleichzeitig wollen wir auch nicht erpresst werden.

Interview mit Europa-Parlamentarier Dimitris Papadimoulis zum griechischen Referendum

Im Falle, dass das griechische Volk am Sonntag Ja sagt, die Vorschläge der Europäer also annimmt: Was passiert dann am Montag? Wird die Regierung an den Verhandlungstisch zurückkehren oder zurücktreten, weil sie ja ein Nein will?

Gestern hat der griechische Premierminister Alexis Tsipras in einem Interview eigentlich alles gesagt. Ich stimme ihm zu. Auf jeden Fall wird es ein Vorgehen geben, dass mit unserer Verfassung, der Demokratie und den parlamentarischen Regeln im Einklang Antworten geben kann.

Das heißt, der Ministerpräsident würde zurücktreten? Er war nicht besonders eindeutig in seinem Interview.

Er wird nach dem Sonntag eindeutig sein. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, um diese Frage zu beantworten. Jetzt müssen wir aktiv arbeiten, um heute ein Lösung zu finden.

"Der Realitätssinn erfordert eine Lösung"

Der Premierminister Alexis Tsipras hat gestern im Fernsehinterview auch gesagt, dass Griechenland der Europäischen Zentralbank rund 120 Milliarden Euro schuldet aus den Nothilfen für Banken (ELA) und anderen Töpfen. Er argumentiert, dass man Griechenland gar nicht aus dem Euro gehen lassen könne, weil dieses Geld dann verloren wäre. Deshalb würden die Europäer Griechenland nicht rauswerfen, weil sie sich das nicht leisten können. Ist das nicht auch eine Art von Erpressung?

Nein, es ist der Realitätssinn, der sagt, dass es das gemeinsame Interesse aller Seiten ist, eine Lösung zu finden. Wenn Sie sich die jüngsten Entwicklungen an den Anleihemärkten und die Stabilität des Euro anschauen, dann sehen Sie, dass in dieser Frage nicht nur Griechenland, sondern die ganze Euro-Zone nur die Option hat, eine Lösung zu finden. Ich denke, für alle europäischen Führer gilt - trotz mancher Unterschiede - , dass ein Grexit ein schlechtes Szenario wäre. Die Mitgliedschaft im Euro ist unumkehrbar. Das ist ein starkes Argument für Europa. Wir müssen daran arbeiten, das zu sichern.

Sie sagen, dass das griechische Referendum ein Beispiel für Demokratie ist. Sollten dann die anderen Euro-Mitgliedsstaaten nicht auch ihre Völker befragen, ob sie bereit sind, weiter für Griechenland zu zahlen? Sollten die Deutschen, Franzosen, Niederländer und andere nicht auch eine Volksabstimmung abhalten?

Nein, ich glaube nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, eine solche philosophische Diskussion zu führen.

Das wäre aber doch auch Demokratie oder nicht?

Nein, nein, mit diesem Thema möchte ich mich jetzt nicht beschäftigen.

Dimitris Papadimoulis (60) ist Vizepräsident des Europäischen Parlaments. Er gehört der in Griechenland regierenden Partei Syriza an.

Das Gespräch führte Bernd Riegert.