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Politik

Abbas empört in Berlin mit Holocaust-Vergleich

17. August 2022

Nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz warf Palästinenserchef Mahmud Abbas Israel einen "Holocaust" vor - und löste damit heftigste Kritik aus. Auch fiel bei der Pressekonferenz der Begriff "Apartheid".

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Olaf Scholz und Mahmud Abbas bei der Pressekonferenz
Auch emotional in diesem Moment weit auseinander: Palästinenserchef Abbas und Bundeskanzler ScholzBild: Wolfgang Kumm/dpa/picture alliance

Bundeskanzler Olaf Scholz sieht keine "Apartheid" in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten. Er wolle sich diesen Ausdruck nicht zu eigen machen, sagte Scholz nach einem Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Berlin. Dieser hatte zuvor von "Apartheid" gesprochen und schwere Vorwürfe gegen Israel erhoben. Abbas forderte die EU und die Vereinten Nationen (UN) auf, den palästinensischen Staat vollständig anzuerkennen.

Derzeit besitzen die Palästinenser nur einen Beobachterstatus bei den UN. Scholz wies Abbas' Forderung jedoch zurück. Deutschland unterstütze weiterhin eine Zwei-Staaten-Lösung zwischen Israelis und Palästinensern, sagte er. Dies sei "nicht die Zeit, daran etwas zu ändern".

Scholz weist "Apartheid"-Begriff zurück

Abbas äußerte sich enttäuscht, dass auch die USA nach dem Besuch von US-Präsident Joe Biden keine Schritte für eine neue Nahost-Initiative unternommen hätten. "Wir warten bis heute, dass praktische Schritte den Worten folgen", sagte er mit Blick auf Biden, der sich ebenfalls für eine Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen hatte.

Abbas wirft Israel "Holocaust" vor

Für schwere Irritationen sorgte Abbas, als er Israel einen "Holocaust" an den Palästinensern vorwarf. Israel habe "50 Massaker, 50 Holocausts" an Palästinensern begangen. Scholz verfolgte die Äußerungen sichtlich verärgert und mit versteinerter Miene, und er machte auch Anstalten, sie zu erwidern. Sein Sprecher Steffen Hebestreit hatte die Pressekonferenz aber unmittelbar nach der Antwort Abbas' für beendet erklärt. Die Frage an den Palästinenserpräsidenten war schon vorher als die letzte angekündigt worden. Hebestreit berichtete später, dass Scholz empört über die Äußerung Abbas' gewesen sei.

DW-Korrespondentin Nina Haase, die bei der Pressekonferenz anwesend war, analysierte den Vorfall so: "Scholz sah hier nicht gut aus. Aber es ist auch unklar, ob Abbas seiner Sache einen Gefallen getan hat, indem er den deutschen Bundeskanzler auf diese Weise wissentlich provozierte. Es könnte sich auf die künftige Unterstützungsbereitschaft von Scholz auswirken."

Scholz: Unerträglich und inakzeptabel

Später wies Kanzler Scholz den Holocaust-Vorwurf des Palästinenserpräsidenten gegen Israel mit deutlichen Worten zurück. "Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel", so Scholz gegenüber der "Bild"-Zeitung. Ähnlich äußerte er sich  inzwischen auch in einem Tweet: 

Kritik kam auch vom Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein. "Durch seine Holocaust-Relativierung hat Präsident Abbas jegliche Sensibilität gegenüber uns deutschen Gastgebern vermissen lassen", sagte Klein dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Das gilt gerade auch im Hinblick auf die gestellte Frage zum Olympiaattentat, das von PLO- Terroristen verübt wurde."

Der neue deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, kritisierte den Holocaust-Vergleich von Abbas als falsch und inakzeptabel. "Deutschland wird niemals einen Versuch dulden, die Einzigartigkeit der Verbrechen des Holocaust zu leugnen", schrieb der frühere Regierungssprecher auf Twitter.

Scharfe Kritik des Internationalen Auschwitz-Komitees

Das Internationale Auschwitz-Komitee warf Abbas vor, die politische Bühne Berlins gezielt genutzt zu haben, um die "deutsche Erinnerungskultur und die Beziehungen zum Staat Israel zu diffamieren". Entsprechend äußerte sich Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner. "Mit seinem schändlichen und unangemessenen Holocaust-Vergleich hat Abbas erneut versucht, antiisraelische und antisemitische Aggressionen in Deutschland und Europa zu bedienen." Auch an der Bundesregierung übte Heubner Kritik: "Es ist erstaunlich und befremdlich, dass die deutsche Seite auf Abbas' Provokationen nicht vorbereitet war und seine Äußerungen zum Holocaust in der Pressekonferenz unwidersprochen geblieben sind."

Erboste Reaktionen in Israel

Auch die israelische Regierung wies inzwischen den Holocaust-Vergleich scharf zurück. Dass Abbas Israel vorgeworfen habe, "'50 Holocausts begangen zu haben, während er auf deutschem Boden ist, ist nicht nur eine moralische Schande, sondern eine monströse Lüge", erklärte der israelische Regierungschef Jair Lapid. "Die Geschichte wird ihm niemals verzeihen." 

Israels Ministerpräsident Jair Lapid
Israels Ministerpräsident Jair Lapid: "Nicht nur eine moralische Schande, sondern eine monströse Lüge"Bild: lianceAbir Sultan/AP/picture al

Der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz verurteilte die Äußerungen des Palästinenserpräsidenten ebenfalls. Wer Frieden wolle, "sollte nicht die Wahrheit verzerren und die Geschichte neu schreiben", warnte der Minister. Der Präsident der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, Dani Dayan, verurteilte Abbas' Äußerungen als "erschreckend". "Die deutsche Regierung muss auf dieses unentschuldbare Verhalten direkt im Bundeskanzleramt auf angemessene Weise reagieren", forderte Dayan.

sti/fab/ehl/tl (Reuters, dpa, DW)