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Politik

Krimiserie "Hexen" gegen das Patriarchat

Beenish Javed
7. Dezember 2020

Eine Serie über die Abenteuer selbstbewusster Detektivinnen sorgt in Pakistan für Aufruhr. Die Online-Folgen von "Churails", "Hexen", stellen tief verwurzelte Geschlechterklischees auf den Kopf.

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Indisch-Pakistanische Webserie: 'Churails'' meaning ''witches''
Bild: @Zee5

Zubaida lebt in einem Slum in Karatschi. Die junge Frau möchte gerne Boxerin werden. Wegen dieses "unerhörten" Wunsches verprügelt ihr Vater sie. Aber statt die Misshandlung hinzunehmen, verlässt die rebellische Frau ihr Elternhaus, um ihr eigenes Leben zu leben.

Zubaida ist eine der Hauptfiguren der Serie "Churails", was auf Urdu "Hexen" bedeutet. In Südasien steht das Wort "Churail" oder "Churel" für Hexen, die schwarze Magie ausüben, um anderen Menschen zu schaden. Auch heute noch werden in ländlichen Gegenden in Bangladesch, Indien und Pakistan Frauen gejagt und getötet, weil sie angeblich Hexen sind.

Die Serie stellt dieses Konzept auf den Kopf. Sie zeigt starke weibliche Persönlichkeiten, die die verbreitete Doppelmoral gegenüber Frauen in Pakistan hinterfragen. Die zehn Folgen wurden in der pakistanischen Wirtschaftsmetropole Karatschi produziert und sind im indischen Video-on-Demand-Streamingdienst Zee5 zu sehen.

Sarwat Gilani aus der indisch-pakistanischen Webserie: "Churails'', zu deutsch "Hexen''
Klischees zerschossen: Darstellerin Sarwat Gilani in der Detektivinnen-Serie "Churails", zu deutsch: "Hexen"Bild: @Zee5

Im Mittelpunkt stehen vier Frauen aus verschiedenen Schichten, die nicht Opfer ihrer Lebensumstände bleiben wollen, sondern die Zwänge durchbrechen. Sie tun sich zusammen, um - getarnt durch ein Bekleidungsgeschäft - eine Detektivagentur zu gründen, die untreue Ehemänner überführt.

Pakistanische Frauen im Film - schwach und hilflos

Pakistanische Filme sind populär in Südasien, und in den meisten werden Frauen als schwach, hilflos und empfindlich dargestellt. Negative weibliche Figuren sind oft als hinterhältig und manipulativ gezeichnet. Die Geschichten drehen sich in der Regel um Familienverhältnisse, und darin kämpfen die Frauen - auch Freundinnen oder Schwestern - oft um den selben Mann. Am Ende bekommt ihn diejenige, die sich bescheiden und versöhnlich gibt und nicht an Prinzipien rüttelt.

"Pakistanische Filme werden in der Regel für Frauen gedreht, aber sie sind nicht aufbauend", sagt Sarwat Gilani der DW. Sie ist eine der Hauptdarstellerinnen und spielt Sara, eine Anwältin, die ihre Karriere für die Rolle der perfekten Ehefrau aufgegeben hat. "Ich glaube, solange unsere Frauen als schwach und demütig dargestellt werden, solange werden sie auch so behandelt."

Popart gegen das Patriarchat

"Eine starke pakistanische Frau wird definiert als eine, die Kompromisse eingeht und gehorcht", sagt die Frauenrechtsaktivistin Sadaf Khan. "In pakistanischen Spielfilmen ist eine kraftvolle Frau eine, die viel Leid erträgt und sich wehrt, indem sie geduldig einen Mittelweg sucht."

Die Heldinnen von "Hexen" - ultimative Bedrohung für den Mann

Unter der Regie des britisch-pakistanischen Filmemachers Asim Abbasi bricht "Churails" mit diesem strengen Muster der TV-Serien. Eine der vier Detektivinnen trinkt, raucht und flucht - das Gegenteil der üblichen Frauenfiguren im pakistanischen Fernsehen. Eine andere hat im Gefängnis gesessen, weil sie ihren Mann ermordet hat, als der versuchte, ihre Tochter zu vergewaltigen.

Einige Inhalte der Serie haben helle Empörung ausgelöst. Konservative sprechen von einer Beleidigung pakistanischer Kultur, obgleich sich in der Realität viele Frauen dem Klischee der unterwürfigen und gehorsamen Gattin oder Tochter widersetzen.

Die Serie greift Probleme auf wie Vergewaltigung in der Ehe, sexualisierte Gewalt gegen Kinder, Zwangsheiraten oder die Diskriminierung von Schwulen, Lesben, Queer und Transgender - Themen, über die in der pakistanischen Gesellschaft nur äußerst ungern gesprochen wird. Vor allem aber ist "Churails" umstritten, weil die Serie zeigt, wie Frauen sich aus Missbrauch und Misshandlung befreien können.

Indisch-pakistanische Webserie: "'Churails'', deutsch: "Hexen"
Wie die vier ???? aus Pakistan - die vier Hauptdarstellerinnen in der Webserie "Churails" undercoverBild: @Zee5

Die Empörung sei völlig unangemessen, sagt die Feministin und Autorin Aisha Sarwari. "Wenn eine erfundene Geschichte eine Gesellschaft bedrohen kann, dann hat diese Gesellschaft eine furchtbar schwache kulturelle Grundlage. Dahinter steckt, dass nach den üblichen Maßstäben eine gute Frau keine Hexe sein kann. Eine Hexe, eine 'Churail', ist in der Vorstellung des typischen südasiatischen Mannes die erschreckendste Person überhaupt, denn sie ist die einzige Frau, der Zwang nichts anhaben kann."

Pakistans Zensurversuche - gescheitert

Nach Aussagen von Zee5 haben pakistanische Behörden den Streamingdienst vorübergehend dazu bewegt, "Churails" in Pakistan zu sperren. Nach viel öffentlicher Kritik wurde die Entscheidung zurückgenommen. Der Vorstoß könnte Teil des harten Vorgehens der Regierung gegen angeblich "unanständige" Inhalte sein.

Allerdings haben auch liberale Kritiker Unbehagen geäußert über die Art und Weise, in der Frauen in der Serie gegen Ungerechtigkeit kämpfen. "Die Serie stellt das System infrage", erklärt der Journalist Mahwash Ajaz, "aber wie sie das tut, ist fragwürdig. Es gibt zum Beispiel eine Szene, in der Erpressung als erlaubt hingestellt wird."

Pakistan: Radclub der Mädchen

Schauspielerin Sarwat Gilani rechtfertigt die Handlung: "Die Serie ist nicht gedreht worden, damit die Zuschauer sich wohlfühlen. Stattdessen sollen sie sich fragen, warum 'Churails' ihnen unangenehm ist, warum es so viele Gräben in unserer Gesellschaft gibt und warum hinter geschlossenen Türen alles erlaubt ist."

Drehbuchautoren in Pakistan sollten sich Beispiele aus dem wirklichen Leben nehmen, schlägt Frauenrechtsaktivistin Sadaf Khan vor, und an denen zeigen, wie Frauen die pakistanische Gesellschaft ändern. "Die Filmen sollten die Kämpfe der berufstätigen Frauen darstellen. Das Fehlen von Kindertagesstätten etwa kommt nie vor, weil immer nur Hausfrauen gezeigt werden. Der Gedanke, dass Frauen unabhängig und finanziell eigenständig sein können, scheint nicht vereinbar damit, dass diese Frauen auch eine Familie haben."

Adaption: Beate Hinrichs