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Oxytocin gegen Fremdenfeindlichkeit

Marie Charlotte Gleißner
17. August 2017

Kann das Hormon Oxytocin uns Menschen so sehr beeinflussen, dass wir Flüchtlingen gegenüber aufgeschlossener sind? Ist Rassismus vielleicht medikamentös behandelbar? Eine neue Studie erweckt diesen Eindruck.

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Symbolbild Einwanderungsland Deutschland
Bild: imago/epd

Was hat bitte ein Kuschelhormon mit Flüchtlingen zu tun? Oxytocin ist ein Hormon, das im Gehirn gebildet wird und bekannt ist für die Stärkung sozialer Bindungen. Ein internationales Forscherteam aus Deutschland und den USA kommt in einer Studie zu dem Schluss, dass sich die Spendenbereitschaft für Flüchtlinge durch die Einnahme des körpereigenen Hormons Oxytocin bis um das Doppelte erhöhen kann.

Der Hälfte der Testpersonen wurde per Nasenspray das sogenannte Kuschelhormon Oxytocin verabreicht. Das Ergebnis: Wer Hilfsbedürftigen und Flüchtlingen gegenüber sowieso schon positiv eingestellt ist, war bereit, doppelt so viel Geld zu spenden als die Testgruppe, die ein Placebo erhielt. Bei Fremdenskeptikern hatte das Hormon allerdings keinen Einfluss.

Egal, was man von dieser Studie hält - Oxytocin ist ein Hormon, das unser Bewusstsein beeinflusst und sich stark auf unsere Beziehungen mit anderen Menschen auswirkt. Das hört sich fast so an, als würde uns Oxytocin fernsteuern. Aber so einfach ist es nicht. Hier ein paar Fakten, was dieses mysteriöse Hormon ist und was es kann.

Junge umarmt Mutter
Die Liebe zwischen Mutter und Kind ist etwas ganz besonderes - beim Kuscheln bildet sich OxytocinBild: picture-alliance/Bildagentur-online/Tetra Images

1. Oxytocin stammt aus dem Gehirn

Oxytocin ist ein Hormon, das im Gehirn gebildet und ausgeschüttet wird. Genau genommen wird es im Hypothalamus gebildet. Er ist ein Teil des Zwischenhirns und ein wichtiges Steuerorgan für das vegetative Nervensystem und das Hormonsystem. Zum Beispiel lenkt er unsere Ernährung oder Fortpflanzung.

 

2. Oxytocin stärkt soziale Bindungen

Aus dem Altgriechischen übersetzt bedeutet Oxytocin "schnelle Geburt", da es die Wehen bei der Geburt auslöst und wichtig für die Bindung von Mutter und Kind ist. Oxytocin ist das Hormon, das uns menschlich macht und Empfindungen wie Vertrauen und Liebe ermöglicht.

 

3. Oxytocin fördert Vertrauen

Eine Studie der Psychologin Beate Ditzen vom Institut für Medizinische Psychologie in Heidelberg zeigt, dass Paare mit Oxytocin-Einfluss besser mit Konfliktthemen umgehen können und offener ihre Gefühle zeigen. Oxytocin scheint also ein richtiger Streitschlichter zu sein. Auch eine Studie des Freiburger Psychologen Markus Heinrich und des Wirtschaftswissenschaftlers Ernst Fehr zur Spendenbereitschaft zeigt, dass Oxytocin das Vertrauen und die Großzügigkeit der Menschen erhöht.

 

4. Oxytocin mildert Ängste und Phobien

Französische Neurowissenschaftler stellten eine Studie auf, in der sie Autisten Oxytocin per Nasenspray verabreichten. Durch die Wirkung des Hormons verbesserten sich die sozialen Fähigkeiten der Autisten deutlich. Sie interessierten sich zum Beispiel stärker für Abbildungen von Gesichtern und fassten Vertrauen gegenüber Mitspielern bei einem virtuellen Ballspiel. Das Hormon kann also auch angstlösend wirken.

Mutter und Kind auf Spielplatz
Ein Hoffnungsschimmer für Eltern mit autistischen Kindern – kann das Hormon Wunder bewirken? In einigen Jahren wird die Forschung mehr dazu sagen können.Bild: picture-alliance/The Canadian Press/M. Blinch

5. Oxytocin stärkt das Gruppengefühl

 Evolutionsbiologisch gehört es zu den wichtigen Aufgaben des Hormons, die eigene Gruppe oder Familie nach außen zu schützen und notfalls zu verteidigen. Der Psychologe Carsten De Dreu aus Amsterdam machte einen Versuch, um Oxytocin in einem größeren Zusammenhang zu testen. Ihn interessierte, wie Menschen mit unterschiedlichen Interessen miteinander verhandeln, die alle unter dem Einfluss von Oxytocin stehen. Mitglieder eines Teams diskutierten friedlich miteinander doch der gegnerischen Gruppe verweigerten sie ihre Zusammenarbeit.

Er reizte das Experiment noch weiter aus, indem er niederländischen Probanden die Aufgabe stellte, eigenen Landsleuten und ausländischen Menschengruppen Eigenschaften zuzuschreiben. Die Testgruppen schrieben Menschen ihrer Nationalität überaus positive Eigenschaften zu und setzten andere Gruppen stärker herab. Oxytocin hat also auch durchaus eine 'dunkle Seite'.