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Gefährdete Ostsee-Schweinswale

Jenny Hoff / sst2. November 2013

Das größte Risiko für die Meeressäugetiere sind Fischernetze, in denen sich vor allem junge Schweinswale verheddern. Umweltschützer drängen darauf, endlich Schutzzonen einzurichten - eine EU-Frist läuft nun ab.

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Schweinswale im Wasser (Foto: Duncan Murrell)
Bild: Duncan Murrell

Sie sind dunkelgrau, haben runde Körper, können bis zu zwei Meter groß werden und wiegen um die 70 Kilogramm. In europäischen Gewässern sind Ostsee-Schweinswale ein seltener und gleichzeitig reizender Anblick für Naturliebhaber.

"Ich möchte, dass die Leute erfahren, wie fantastisch diese Lebewesen sind und dass sie nicht dazu gemacht sind, in Aquarien oder für Shows zu leben", sagt Studentin Kathrin Rudolph, eine freiwillige Helferin, die dafür kämpft, dass der Bestand an Schweinswalen in der Ostsee erhalten bleibt. "Sie sollten draußen in der Natur leben. Das wäre das Beste für sie."

Momentan ist es allerdings der natürliche Lebensraum in den eisigen, kalten Gewässern um Nordeuropa, in dem die Schweinswale besonders gefährdet sind. Nach Angaben des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) ist der Bestand an Schweinswalen in der Ostsee in den letzten Jahren um 60 Prozent geschrumpft.

"Die Gefahr, dass diese Population ausstirbt, ist definitiv greifbar", warnt Fabian Ritter, Leiter der Kampagne zur Rettung der Meere der internationalen Wal- und Delfinschutzorganisation (WDC).

Schweinswal im Wasser (Foto: John Y. Wang)
Der Ostsee-Schweinswal ist eines der weltweit kleinsten MeeressäugetiereBild: WDC

Eine unbeabsichtigte Falle

Die größte Gefahr für Ostsee-Schweinswale ist laut Ritter, dass sich diese aus Versehen in Fischernetzen verfangen, die eigentlich für kleinere Fische gedacht sind. Besonders die häufig eingesetzten Stellnetze werden ihnen zum Verhängnis. Deshalb ermutigen Umweltschützer die Fischer, lieber andere Netztypen zu benutzen. Die Fischer wiederum - besonders diejenigen, die nicht in Mengen fischen - sagen, dass die Kosten für andere Fischernetze sie um ihre Existenz bringen könnten.

"Das Problem mit alternativen Geräten wie etwa Fischfallen ist, dass sie nicht kosteneffizient arbeiten und damit nicht wirtschaftlich sind", sagt Claus Ubl vom Deutschen Fischerei-Verband im Gespräch mit der DW. "Die Fangquote ist zu gering. Stellnetze sind einfach am effizientesten."

Schweinswale sind allerdings nicht in der Lage, die Stellnetze rechtzeitig zu erkennen. Laut Ritter fand die WDC heraus, dass sich vor allem noch nicht ausgewachsene Schweinswale in Netzen verfangen. Das erhöht die Gefahr, dass die Population weiter zurückgeht.

Die Öffentlichkeit informieren

Ritter und andere Umweltschützer und Wissenschaftler glauben, dass es nur möglich sein wird, die Tiere zu retten, indem die Öffentlichkeit von ihnen erfährt. Deshalb haben sich WDC und andere europäische sowie internationale Organisationen wie NABU, Oceancare und ASOCOBANS für diesen Kampf zusammengeschlossen.

Zwei Jahre lang hat das Projekt zum "Statischen, Akustischen Monitoring des Ostsee-Schweinswals" (SAMBAH) die Geräusche der Tiere aufgenommen. Anhand der Töne haben die Wissenschaftler die Verbreitung der Schweinswal-Population auf einer Karte notiert und die Gebiete identifiziert, in denen die Tiere Gefahr laufen, mit Menschen oder deren Aktivitäten in Kontakt zu kommen.

Verendeter Schweinswal am Strand (Foto: Duncan Murrell)
Auch dieser Ostsee-Schweinswal starb, weil er sich in einem Stellnetz verfingBild: Duncan Murrell

"So lange die deutsche Öffentlichkeit darüber nicht Bescheid weiß und ihr diese kleinen Schweinswale egal sind, wird die deutsche Regierung auch nichts tun, um sie zu beschützen", sagt Laura Doehring vom Kommunikationsteam der Kampagne.

Ein Weg, wie sich Menschen den Schweinswalen annähern und mehr über ihre Intelligenz lernen können, ist "Walisch" - die Sprache der Wale. Auf einer Website können menschliche Phrasen in "Walisch" übersetzt werden, um Besuchern zu zeigen, wie sich Meeressäugetiere anhören.

Außerdem hat die WDC-Kampagne Künstler und die Bevölkerung dazu aufgerufen, Bilder von Schweinswalen zu entwerfen. Das Gewinner-Design wird im deutschen Umweltministerium vorgestellt. Umweltorganisationen hoffen, dass dann auch die Gespräche für Schutzzonen in der Ostsee wiederaufgenommen werden.

Deutsche Behörden unter Druck

"Im November 2012 wurde Deutschland dazu verpflichtet, Meeresschutzzonen zu benennen und einen Plan für Schweinswale zu entwickeln", sagt Ritter. "Das muss bis November 2013 geschehen. Das ist eine sehr klare Frist, die von der Europäischen Union gesetzt wurde. Und wie wir bislang sehen konnten, wird Deutschland diese Frist nicht erfüllen."

Ostsee-Schweinswal im Wasser (Foto: WDC)
Ich bin kein Hai! Die Rückenflosse eines SchweinswalsBild: WDC

Ein Sprecher des deutschen Umweltministeriums sagte der DW, er sei immer noch hoffnungsvoll, dass Deutschland rechtzeitig gesetzliche Rahmenbedingungen für die Meeresschutzzonen festlegt. "Es sollte nicht vergessen werden, dass eine Vielzahl von verschiedenen Interessen berücksichtigt werden müssen, einschließlich der Interessen der Fischindustrie", so der Sprecher.

Umweltorganisationen wollen weiterhin Druck auf die Regierung ausüben, um die Netze zu verbannen, die die Schweinswale gefährden. Sie fordern außerdem Beschränkungen für militärische Aktivitäten sowie die Öl- und Gasförderung.

Es gebe es keine Zeit zu verlieren, so Ritter. "Man könnte argumentieren, dass jeder Tag zählt. Denn jeden Tag gibt es mehr und mehr Schweinswale, die sich irgendwo in der Ostsee in einem Netz verheddern."