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Online-Radio wird zur Zeitmaschine

Julius Schmitt5. Mai 2016

Per Mausklick geht's auf der Internetseite radiooooo.com auf musikalische Zeitreise durch die Welt. Das Online-Radio ist eine Art Zeitmaschine für Musik, ein digitales Gedächtnis für Hits seit der Jahrhundertwende.

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Radiooooo.com The Musical Time Machine (Foto: radiooooo.com)
Bild: http://radiooooo.com/

Der französische DJ Benjamin Moreau hatte vor einigen Jahren eine Idee: Er wollte vergessene Musik vergangener Jahrzehnte aus sämtlichen Ländern der Welt für alle zugänglich machen. Er tüftelte an einer Streaming-Webseite, die mittlerweile erfolgreich unter radiooooo.com im Netz zu finden ist.

Die Besucher der Webseite werden eingeladen, auf Entdeckungstour zu gehen. Kennen Sie etwa die Kombo E. T. Mensah & The Tempos aus Ghana? Oder den brasilianischen Gitarristen João Pernambuco? Haben Sie schon mal etwas von den der usbekischen Band Yalla gehört, die in den Siebzigern auf deutsch sang und durch die ehemalige DDR tourte?

Südafrikanische Band 'Die Antwoord' (Foto: picture-alliance/dpa/J.C. Bott)
Ebenfalls dabei: "Die Antwoord" aus SüdafrikaBild: picture-alliance/dpa/J.C. Bott

Zunächst wählt der User ein Jahrzehnt zwischen 1900 und heute aus. Dann kann er sich - mit einem Klick auf die Weltkarte - durch wahre Musikschätze aus den verschiedensten Ländern der Welt graben. Ein simples, aber faszinierendes Konzept. Egal, ob Sechzigerjahre-Bossa-Nova aus Brasilien, Musik aus ehemals Belgisch-Kongo, russische Schlager aus den Zwanzigern oder aktuelle Musik aus Kanada. Das Streaming-Portal ist eine Fundgrube für alle Musikfans, die gerne mit ihren Ohren in andere Jahrzehnte reisen.

Musik von gestern für morgen konservieren und teilen

Die Idee zu dem ehrgeizigen Projekt kam Benjamin Moreau im Oldtimer seines Vaters. Das Interieur des französischen Sportwagens ließ ihn in ein anderes Jahrzehnt eintauchen. Dann schaltete er das altmodische Autoradio ein und wurde jäh aus seiner Nostalgie gerissen. Technobeats wummerten durch die Lautsprecher. Seitdem träumte er von einer musikalischen Zeitmaschine. Via Crowdfunding brachte er sein Projekt an den Start.

Gerade zu Beginn half dem Gründer, dass er als DJ schon eine beträchtliche Musikbibliothek besaß, die sich aus unterschiedlichen Genres aus verschiedenen Ländern zusammensetzte. Gemeinsam mit Freunden - allesamt DJ's und Musikliebhaber - hatte er für den angesagten Pariser Klub "Le Baron" nach einer eigenen musikalischen Identität gesucht. Die Begeisterung für Weltmusik hielt an und Benjamin Moreaus Musikfundus wurde immer größer.

Radio-Hörer sollen sich von der Musik treiben lassen

Das Radio ist das Gegenteil eines interaktiven Mediums. Außer der Senderauswahl gibt es keine Wahlmöglichkeiten, eine Song-Suche erst recht nicht. Der Hörer ist dem Radio praktisch ausgeliefert. Seine einzige Entscheidung: dranbleiben, aus- oder weiterschalten. Genau das findet Benjamin Moreau an diesem Medium so reizvoll. Sich einfach zurücklehnen zu können und sich durch die Musikwelt der Jahrzehnte treiben lassen.

Ein historisches Radio von Grundig (Foto: Daniel Karmann/dpa)
In die Jahre gekommen, aber immer noch Vorbild: das RadioBild: picture-alliance/dpa

Dabei ist Benjamin Moreaus Online-Radio aber doch ein wenig inkonsequent, denn der User auf hat sehr wohl die Möglichkeit ins Programm einzugreifen - wenn er denn möchte. So kann etwa die Musikstimmung zwischen langsam, schnell und eingenartig ausgewählt werden.

Außerdem sind auf der Weltkarte einige fiktive Inseln versteckt. "Neverland" ist die Musikinsel für kleine und große Kinder, "Lazyland" für alle Entdeckungsfaulen. "Fornicationisland" (deutsch: Unzuchtsinsel) sollte aufsuchen, wer fünf Minuten vor seinem Date verzweifelt nach passender romantischer Musik sucht. Auf "Discovery Island" sind alle neu hinzugekommenen Lieder der Webseite zu finden. Die einzelnen Lieder können geteilt, geliked, gepostet und gekauft werden. Der "Taxi-Modus" ermöglicht den Hörern, eine eigene Playlist zu erstellen.

Musikbibliothek wird durch Community ständig erweitert

Benjamin Moreau ist nicht der Einzige, der Songs bereitstellt. Jeder User darf die Musiksammlung erweitern. Das sei auch sinnvoll, meint der DJ: "Es ist einfacher für einen 65-jährigen Kasachen uns zu sagen, welche die beste Fünfzigerjahre-Musik seines Landes ist, als für einen Franzosen um die 30."

Für diesen Artikel ist der Autor übrigens nach Äquatorialguinea, Brasilien, Mexiko, Jamaica, Kuba, Spanien, Usbekistan, Kongo, Ghana, Indien, Russland, Kanada, Iran und Nordkorea gereist. Natürlich nicht mit dem Flieger, sondern mit in der digitalen Musik-Zeitmaschine.