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Wächter des Regenwaldes

21. Februar 2018

Die Schüler an Bord des Ocean College haben ihr Schiff verlassen, um für eine Woche die Wächter des Regenwaldes von Costa Ricas zu werden. Das ist ihr Bericht.

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Global Ideas One World Farm
Bild: Simon Fischer

Dieser Tag sollte ein ganz besonderer sein: Wir hatten die ganze Woche auf der "One World Farm" verbracht, einem Naturschutzgebiet im Regenwald Costa Ricas. Hier werden nicht nur der Regenwald und seine Bewohner geschützt. Freiwillige bekommen darüber hinaus die Chance, einen intakten Regenwald zu erleben und lernen mehr über Permakultur, nachhaltige Landwirtschaft und die Lebensweise und Traditionen der indigenen Bevölkerung.

Die ganze Woche hatte Ken Tiemann, der Gründer der Farm, uns darauf vorbereitet, was auf uns zukommt, wenn er uns zu echten Rangern bzw. Wächtern des Waldes ausbilden würde.

Nach dem Frühstück sammelten wir uns beim Usu`ri, einem Kuppelbau der BriBri-Indianer. Dort versuchten wir uns mit einem Ritual zu motivieren, einem Spruch in der Sprache der BriBris, der "auf gehts zur Arbeit" bedeutet.

Global Ideas One World Farm
Schüler*innen des Ocean Colleges bei einer Dschungelwanderung in Costa Rica Bild: Simon Fischer

Auf zur Arbeit

Und dann stapften wir, ehrlich gesagt nicht wirklich motiviert, los. Schon nach wenigen Minuten begegnete uns ein Faultier. Es hangelte sich wunderbar sichtbar einen Ast entlang, und wir waren alle überrascht, zu erfahren, dass es für seine Verhältnisse gerade sprintete – danach sah es nun wirklich nicht aus.

Irgendwann verließen wir die bereits bekannten Wege und sahen eine knallgelbe Baumviper auf einem Blatt liegen und eine Viertelstunde später eine andere Schlange mitten auf dem Weg. So wie es aussah, ist einer von uns aus Versehen auf sie getreten. Doch Ken erklärte uns, dass man in so einem Fall einfach von ihr heruntergehen und einen Schritt zurücktreten soll. Dann hauen die Schlangen normalerweise einfach ab. So war es zum Glück auch in unserem Fall.

Plötzlich erblickte Kens Mitarbeiter Adolfo einen durch Wilderer illegal angelegten Seitenweg, den ich hundertprozentig übersehen hätte. Man konnte ihn nur an den mit Macheten abgeschnittenen Pflanzen erkennen, und wir kontrollierten ihn auf Fußspuren. Die Spuren, die wir fanden, waren schon älter als drei Monate. Wären sie frisch gewesen, hätten wir eine der zwei Kamerafallen deponiert, die wir dabei hatten.

Schreck lass nach

Wir gingen weiter und der Weg wurde immer steiler, glitschiger und schlammiger. Das Gehen wurde immer anstrengender, und langsam ließen meine Kräfte nach. Ken, Adolfo und ein paar von uns mussten immer öfter die Macheten einsetzen und dann passierte es.

Ich musste Ken ausweichen, wie wir es in unserem Machetenkurs gelernt hatten, und stapfte direkt in ein Ameisennest. Auf einmal waren sie überall und wuselten beißend durch meinen Schuh. Dezent hysterisch schaffte ich es, mich zu meiner Gruppe zu retten, die mir die Schuhe auszogen, alle Ameisen entfernten und mich emotional aufbauten. Ken erkannte, dass es Fleischameisen waren. Diese sind zwar schmerzhaft, aber zum Glück nicht gefährlich.

Nachdem der Schreck überwunden war, machten wir erst mal eine Pause, und wir stärkten uns mit Bananenkuchen, den wir in Bananenblättern verpackt mitgebracht hatten.

Global Ideas One World Farm
Auf der One World Farm in Costa Rica kann man unter anderem Faultiere entdeckenBild: Simon Fischer

Illegale Jäger

Mit neuer Motivation zogen wir weiter und fanden kurz darauf einen illegalen Jägerhochsitz. Was aufwendig klingt, ist vom Prinzip einfach nur ein Ast, der zwischen zwei Stämmen parallel zum Boden angeknotet wird. Die Taktik der illegalen Jäger ist, in einem Umkreis von zehn Metern um den Hochsitz ihren eigenen Urin zu verteilen. Dies lockt Tiere an, leider unter anderem auch einige Arten, die mittlerweile fast vom Aussterben bedroht sind. Die Jäger warten dann einfach die ganze Nacht auf dem Hochsitz und haben leichtes Spiel.

Diese Art der Jagd ist in Costa Rica verboten. Wir fotografierten den Hochsitz, zerbrachen den Stock und hinterließen eine Nachricht, die wir an einen Ast knoteten. Das soll den Wilderern zeigen, dass der Wald regelmäßig kontrolliert wird. Wenn sie wiederkommen, droht ihnen eine Anzeige und möglicherweise Gefängnis.

Der wichtigste Vorfall für uns als Wächter des Regenwaldes war ein illegal geschlagener Baum.

Ken hatte vor einigen Jahren schon einmal das Problem, dass sich Personen aus der Stadt mitten auf seinem Grundstück ein Haus gebaut hatten und sogar Felder und Viehweiden anlegten. Deshalb ist es auch so wichtig, die gesamte Fläche regelmäßig und genau zu kontrollieren.

Wir setzten uns alle für ein Foto auf den Baumstamm, um die enorme Länge zu veranschaulichen und zeigten den Daumen runter. Dieses Foto wird Ken mit Adolfo ausdrucken, laminieren und vor dem Baum befestigen. Wieder ein Zeichen für: Wir haben es gesehen, wir behalten euch im Blick, das wird Konsequenzen haben! Wenn Ken nächstes Mal hierherkommt, will er auch eine Kamerafalle anbringen.

Kurz vor dem Mittagessen wanderten wir über zwei oder drei riesige Ameisenbauten von Blattschneideameisen. Da die ihre weitverzweigten Behausungen unterirdisch anlegen, sind sie nicht immer leicht zu erkennen. Eine verkeilte sich so fest an meinem Schuh, dass ich sie ohne die Hilfe meines Mitschülers Lennard nicht wieder abgekriegt hätte.

Auch Wächter brauchen Ruhe

Ungefähr drei Bäche, ein kleiner Skorpion, fünf Abhänge, sieben bunte Schmetterlinge, mehrere Ameisenbauten, zwei Schlangen und zwei unglaublich schmerzhafte Ameisenbisse später hatten wir es geschafft! Vollkommen fertig und trotzdem stolz stolperte ich die letzten Meter Schotterweg zum Haus, wo wir während unserer Zeit im Regenwald untergebracht waren, und versuchte dort irgendwie meine schlammverkrusteten Wanderschuhe loszuwerden.

Wie wir es schon seit Tagen geplant hatten, setzte ich mich mit Nora, Wanda und Merle und einem Glas kalten Saft und Knusperkeksen auf unseren privaten kleinen Balkon. Nora, die bei unserer Wanderung nicht dabei war, hatte in der Zwischenzeit einen Skorpion gesehen -- und zwar in unserem Zimmer hinter den Rucksäcken!

Wir fanden ihn auch bald wieder, aber schafften es nicht, ihn in einer Tasse einzufangen, woraufhin wir Ken zur Hilfe holten. Der stellte uns ein Insektenspray neben das Bett und erklärte, dass das Spray den Skorpion vertreiben würde und er wahrscheinlich sowieso schon längst wieder draußen sei. Und in der Tat: Bisher ist er nicht wieder aufgetaucht. An sich ist er auch ungefährlich, da der Stich nur so schmerzhaft ist, wie der einer Biene.

Abends fiel ich erschöpft ins Bett, dachte daran, was ich alles an einem Tag gesehen hatte und schlief tief und zufrieden – denn auch Wächter müssen sich mal ausruhen.

Galerie: Schule unter Segeln: