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Obamas Werben um die zweite Chance

25. Januar 2012

Präsident Obama konnte in seiner Rede zur Lage der Nation auf einige Erfolge seiner Administration verweisen. Doch den 2008 versprochenen Wechsel hat er nicht herbeiführen können, meint Christina Bergmann.

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Es war eine eloquente Rede des Präsidenten, keine Frage. An den Anfang und das Ende stellte er geschickt zwei gute Nachrichten: Das Ausschalten des Terroristen Osama Bin Laden und das Ende des Irakkriegs. Der Einsatzbefehl gegen den Al-Kaida-Anführer und Drahtzieher der Anschläge vom 11. September hat ihm - zu Recht - allseits Respekt und Anerkennung verschafft, das Ende des Irakkrieges war das Einlösen eines Wahlkampfversprechens.

Auch die restliche Rede ließ bei vielen Zuhörern im Land sicherlich Wohlwollen aufkommen: Saubere Energien zu stärken, für bessere Schulbildung der Kinder und Ausbildung der Arbeiter zu sorgen, Milliardäre nicht mit einem geringeren Prozentsatz zu besteuern als ihre Sekretärinnen, und seinen Frust über den Stillstand in Washington auszudrücken - wer in Amerika sollte dagegen etwas haben?

Déjà Vu

Doch das Problem ist: Barack Obama ist bereits seit drei Jahren Präsident. Auch in seiner ersten Rede zur Lage der Nation, im Januar 2009, sprach er von der Schaffung von Arbeitsplätzen durch die Verbesserung von Amerikas Infrastruktur, von der Förderung erneuerbarer Energien, von der Konkurrenz in China und Deutschland, die nicht schläft, und der man entgegentreten müsse, von Bankenregulierung und der Notwendigkeit, gute Lehrer zu fördern. Die Bilder gleichen sich nicht von ungefähr. Denn seine Versprechen vom Wechsel im Land hat der Präsident nicht einhalten können.

Christina Bergmann (Foto: DW)
Christina Bergmann, DW WashingtonBild: DW

Was die Amerikaner dabei am meisten sorgt, ist die hohe Arbeitslosigkeit. Mit 8,5 Prozent liegt sie zwar deutlich unter dem Höchststand von zehn Prozent im Oktober 2009, aber immer noch 0,7 Prozentpunkte höher als im Monat von Obamas ersten Rede zur Lage der Nation. Auch wenn die Möglichkeiten des Präsidenten, dem Land Vollbeschäftigung zu verschaffen, begrenzt sind: Er wird doch an dieser Zahl gemessen werden.

Nicht gehaltenen Versprechen

Das Versagen bei der Umsetzung anderer Versprechen muss er sich dagegen direkt vorhalten lassen. Beispiele gibt es viele: Eine umfassende Einwanderungsreform ist in weite Ferne gerückt, selbst die Einbürgerung von Jugendlichen, die von ihren Eltern in die USA gebracht wurden und hier studieren oder im Militär dienen, der sogenannte DREAM Act, scheiterte. Steuererleichterungen für 160 Millionen arbeitende Amerikaner konnten lediglich bis Ende Februar verlängert werden, während Multimillionäre für ihre Kapitalgewinne weniger als die Hälfte des Steuersatzes eines Arbeiters oder Angestellten zahlen müssen. Die soziale Schere öffnet sich immer weiter.

So forderte Obama in seiner Rede jetzt wieder den Kongress auf, ein Einwanderungsgesetz, eine Steuerreform und ein Energiegesetz auf den Weg zu bringen. Die Chancen, dass das geschieht, sind jedoch gleich Null. Schon im Oktober 2010 hatte Mitch McConnell, der republikanische Minderheitsführer im Senat, erklärt, die wichtigste Aufgabe der Republikaner sei es jetzt, die Wiederwahl von Präsident Obama zu verhindern. Die Republikaner werden dem Präsidenten also keinen Erfolg gönnen. Doch die Schuld allein den blockierenden Republikanern im Kongress zuzuschieben, wäre zu einfach. Seine Chance im ersten Jahr, als die Demokraten in beiden Häusern des Kongresses eine sichere Mehrheit hatten, hat Obama verstreichen lassen. Zur Konsensbildung in der Zeit danach war er nicht in der Lage.

Aus den Fehlern gelernt?

So ist die lange Liste der politischen Ziele in Obamas Rede zweierlei: Ein Eingeständnis dessen, was er in seiner ersten Amtszeit nicht geschafft hat - und eine Blaupause für eine zweite Amtszeit. Seine politischen Prioritäten haben sich dabei nicht verändert. Er setzt auf soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz, saubere Energien und gesetzliche Regelungen. Der Staat, so seine Ansicht im Gegensatz zu den Republikanern, hat seinen Platz im Leben der Bürger. Allerdings ist Obama jetzt offensichtlich gewillt, in der Umsetzung seiner Pläne aggressiver vorzugehen. Blockade - von Seiten der Republikaner - wolle er mit eigenem Handeln begegnen, sagte er.

Bewiesen hat er diese neue Einstellung bereits, als er den Chefposten des Finanz-Verbraucherschutzbüros kurzerhand in der Winterpause des Kongresses besetzte und damit dessen Blockadestrategie umging. Und in seiner Rede kündigte er unter anderem die Schaffung einer Sonderkommission an, die dem Justizminister unterstellt ist und die die Praxis der Haus-Kreditvergabe untersuchen soll, die zur Haus-Kreditkrise führten. Die progressive Organisation moveon.org, die Obama bei seiner Wahl 2008 unterstützt und die sich in der jüngsten Vergangenheit von ihm enttäuscht gezeigt hatte, hat sich bereits erfreut über diese neue Entschlossenheit des Präsidenten gezeigt.

Obama, dessen Beliebtheitswerte derzeit auf einem Tiefpunkt sind, ist auf solche Unterstützung angewiesen. Er hat mit seiner Rede zur Lage der Nation diesmal nur ein Ziel verfolgt: Bei seinen Landsleuten um seine Wiederwahl zu werben. Von dem früheren Bemühen um Überparteilichkeit war kaum mehr die Rede. Gleich am Tag nach der Ansprache wird er zu einer Wahlkampftour durch fünf Bundesstaaten aufbrechen. Er muss die Wähler um eine zweite Chance bitten. Das erste Mal hat er sie enttäuscht.

Autorin: Christina Bergmann, Washington
Redaktion: Dirk Eckert