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Obamas Fingerspitzengefühl ist gefragt

Julian Ryall / jm23. April 2014

Südkorea und Japan sind zerstritten - das macht Obamas Besuch in beiden Ländern nicht einfacher. Ganz oben auf der Asien-Agenda des US-Präsidenten stehen das Handelsabkommen und die Sicherheitspolitik in der Region.

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Präsident Obama: Ankunft in Japan (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Rot-weiß-blaue Fahnentücher schmücken die Straßen von Tokio, für die Ankunft des US-Präsidenten Barack Obama. Sein dreitägiger Besuch in der japanischen Hauptstadt ist - so sind sich beide Seiten einig - für die Sicherheit und die wirtschaftliche Entwicklung der Region von großer Bedeutung.

Über die Richtung der Gespräche habe man sich bereits auf dem Atom-Gipfel in Den Haag Ende März geeinigt, sagte der japanische Premier Shinzo Abe auf einer Konferenz in Tokio vergangene Woche. Dies gelte insbesondere für das Freihandelsabkommen der 12 Mitgliedsländer der Transpazifischen Partnerschaft (TPP).

Abe: "Wir wollen Differenzen überwinden"

"Sowohl Japan als auch die USA legen großen Wert auf Regeln", erklärte Abe. "Wir handeln nach den Prinzipien von Freiheit und Demokratie und sind im Besitz der am besten entwickelten Technologien und Industrien. Wir wollen unsere Differenzen überwinden und eine solide Wirtschaftsordnung für Asien und den Pazifischen Raum im 21. Jahrhundert schmieden." Der japanische Premier betonte, es sei notwendig, eine unerschütterliche Basis für Wachstum zu schaffen.

Die Diskussionen der TPP sind bisher wenig harmonisch verlaufen. Streitpunkte sind Landwirtschaft und Autoindustrie. Washington fordert von Tokio, die Zollpreise für Rindfleischimporte zu senken und die Schutzmaßnahmen für die Einfuhr von Reis, Schweinefleisch und Milchprodukten zu lockern. Japan seinerseits pocht darauf, dass die USA Einfuhrzölle auf Autos und Lastwagen fallen lassen, womit die mächtige US-amerikanische Autolobby absolut nicht einverstanden ist.

Barack Obama und Shinzo Abe im September 2013 auf dem G20 Gipfel in Sankt Petersburg (Foto: Reuters)
Obama und Abe sprechen über das Handelsabkommen - die US-amerikanische Autolobby will mitredenBild: Reuters

Obamas Besuch könnte allerdings eine zu gute Gelegenheit sein, um Kompromisse zu verschmähen. So ist ein Durchbruch in der Debatte vorstellbar - und sogar eine schriftliche Vereinbarung, die signalisieren würde: Beide Seiten sind sich in einigen strittigen Punkten entgegengekommen.

Eine Unterschrift ist bereits sicher: Ein Austauschprogramm soll die Zahl der japanischen Studierenden an US-amerikanischen Universitäten verdoppeln. Derzeit sind es etwa 20.000. Im Gegenzug will Japan zukünftig 12.000 Studierende aus den USA willkommen heißen.

Zwist zwischen asiatischen Ländern erschwert US-Diplomatie

Abgesehen von den Wirtschaftsverhandlungen wird die Sicherheitslage in der Region die Gespräche dominieren, sagt Go Ito, Professor für Internationale Beziehungen an Tokios Meiji-Universität, im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Das ist wirklich wichtig, denn in den vergangenen Jahren hat sich der Eindruck verstärkt, dass die USA nicht mehr die internationale Polizei ist und in einigen Gegenden der Welt angreifbar wird." China fordere die USA in der Asien-Pazifik-Region bereits heraus. Obama müsse daher seine Position gegenüber China deutlich kommunizieren. Ito fügt hinzu: "Japan will die klare Zusage, dass Washington hinter den territorialen Interessen und Sicherheitsvorstellungen der Japaner steht. Die Gastgeber erwarten ein Signal, welches das Engagement der USA ihnen gegenüber noch einmal hervorhebt."

Straßensperre in Tokio (Foto: Reuters)
Tokios Polizei hat für den Besuch des US-Präsidenten als Sicherheitsmaßnahme Checkpoints eingerichtetBild: Reuters

Noch ein anderer Konflikt spielt eine Rolle: der zwischen Südkorea und Japan. Es gilt als wahrscheinlich, dass Obama erneut betont, wie sehr er seinen japanischen Amtskollegen bei jedem Schritt unterstützen wird, der für eine Entspannung der Beziehungen zwischen den beiden Nachbarländern sorgt. Sie gelten in der Region als die wichtigsten Verbündeten Washingtons, allerdings sind sie in einen festgefahrenen Streit über Territorialansprüche und Vergangenheitsbewältigung verwickelt. Südkorea übt etwa Kritik daran, wie japanische Schulen ihren Geschichtsunterricht gestalten, aber auch an der Aufarbeitung von Zwangsprostitution: Während des Zweiten Weltkrieges waren unter anderem Frauen aus Südkorea vom japanischen Militär zur Arbeit in Bordellen gezwungen worden. Die insgesamt achttägige Reise wird für den US-Präsidenten also zum geopolitischen Drahtseilakt werden. Auf seinen Halt in Japan folgt der Besuch in Südkorea.

Asien-Reise ohne Stop in China

China wird Obama hingegen nicht besuchen. Peking hat derzeit eine ähnlich ablehnende Haltung zu Japan wie Südkorea und ist nicht bereit, seine Ansprüche auf die unbewohnte Inselgruppe Senkaku - in China Diaoyou genannt - westlich der japanischen Insel Okinawa fallen zu lassen.

"Diese Region ist sehr viel gefährlicher als früher", sagt Gerald Curtis, Professor für Politikwissenschaft an der Columbia Universität in New York. Japan habe seine Sicherheitspolitik anpassen müssen. "Der Grund dafür ist allerdings nicht, dass Herr Abe nun Premierminister ist", meint Curtis. "Die Welt halt sich nur verändert." Abe versuche, die Beziehungen zu Südkorea zu verbessern, aber was China angehe, sei Peking am Zug. "Die Frage ist, ob China Japan beiseite drängen und einen Keil zwischen Tokio und Washington treiben möchte - oder ob es realisiert, dass das kontraproduktiv wäre. Was den Inselstreit angeht, liegt es an Peking, die Wogen zu glätten."

Gerald Curtis (Foto: columbia.edu)
Gerald Curtis, Politikwissenschafter: "China muss die Wogen im Inselstreit glätten"Bild: columbia.edu

Die USA haben erklärt, keine Position im Territorialstreit zu beziehen. Allerdings sieht sich das Land aufgrund eines bilateralen Sicherheitsabkommens dazu verpflichtet, Japan im Falle eines Angriffes zu verteidigen.

Beobachter sehen in der Wirtschafts- und Sicherheitspolitik die beiden Dreh- und Angelpunkte, um den Fokus der US-amerikanische Außenpolitik wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Dies hatte Obama bereits im Januar vor dem Kongress in seiner Rede zur Lage der Nation betont.