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Nur noch mit Corona-Test zur Arbeit

12. April 2021

Kein Homeoffice möglich? Dann sollen Arbeitgeber in Deutschland ihren Beschäftigten regelmäßig Corona-Schnelltests anbieten müssen. Das hat die Bundesregierung beschlossen. Gegen den Willen der Wirtschaft.

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Themenbild Symbolfoto Sonderzulassung für Corona Selbst-Schnelltests
Bild: Sven Simon/dpa/picture alliance

Die Bundeskanzlerin hatte es schon Mitte März in Aussicht gestellt. "Wenn nicht der überwiegende Teil der deutschen Wirtschaft - und das muss in die Richtung von 90 Prozent gehen - seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Corona-Tests anbietet, dann werden wir mit regulatorischen Maßnahmen in der Arbeitsschutzverordnung vorgehen", hatte Angela Merkel im Bundestag angekündigt.

Genauso soll es nun kommen, obwohl nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Teile der CDU/CSU bis zuletzt versucht hatten, eine Verpflichtung zu verhindern. Der sozialdemokratische Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat am Dienstag im Kabinett einen entsprechenden Entwurf für eine Änderung der Arbeitsschutzverordnung vorgelegt und die Regierung hat ihn abgesegnet. Dass es so kommen würde, hatten die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans bereits am Montag in Berlin mitgeteilt.

Ein bis zwei Tests pro Woche

Arbeitgeber müssen demnach allen Beschäftigten, die nicht ins Homeoffice wechseln können, einen Corona-Test pro Woche anbieten. Beschäftigte, die viel Kundenkontakt haben oder mit Lebensmitteln arbeiten, sollen zwei Tests angeboten bekommen. Eine Bescheinigungspflicht ist nicht vorgesehen. Damit reicht es, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeitern Selbsttests zur Verfügung stellt.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz sagte, es sei nun eine nationale Kraftanstrengung nötig. "Da müssen alle mitmachen", sagte der SPD-Kanzlerkandidat am Dienstag (13.04.) im Sender Deutschlandfunk. Eine finanzielle Kompensation stellte er den Firmen nicht in Aussicht.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil steht am Mikrofon bei einer Pressekonferenz.
Bundesarbeitsminister Hubertus HeilBild: picture-alliance/dpa/C. Gateau

Zwei Tests pro Woche sollen außerdem Beschäftigte angeboten bekommen, die in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind. Das ist beispielsweise bei Saisonarbeiter, also Erntehelfern der Fall. Außerdem Beschäftigte, "die unter klimatischen Bedingungen in geschlossenen Räumen arbeiten, die eine Übertragung des Coronavirus begünstigen", womit beispielsweise Arbeiter gemeint sind, die in gekühlten Räumen arbeiten müssen.

Alternative: Kompletter Lockdown

Zudem werden alle anderen geltenden Corona-Schutzregeln im Arbeitsschutz bis zum 30. Juni verlängert. Dazu gehört auch, dass Arbeitgeber Beschäftigten wo immer möglich das Arbeiten von Zuhause anbieten müssen. Walter-Borjans sagte, dass sich mit der Testpflicht für die Wirtschaft "ein kompletter Lockdown abwenden" lasse. Über die Verlängerung der Überbrückungshilfen für Unternehmen sowie zugunsten von Geschäften in Innenstädten gebe es Gespräche.

Widerstand gegen verpflichtende Tests war noch am vergangenen Donnerstag von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gekommen. Nach einer Videokonferenz mit zahlreichen Unternehmerverbänden hatte er verbal auf die Bremse getreten. "Es ist erstaunlich, wie viel erreicht wurde", lobte er mit Blick auf den freiwilligen Aufbau von Corona-Testmöglichkeiten in Firmen.

Widersprüchliche Zahlen

Anfang März hatten sich die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft in einer Selbstverpflichtung dazu bereit erklärt, Mitarbeitern, die nicht im Homeoffice arbeiten können, ein regelmäßiges Testangebot zu machen. Vier Wochen später meldeten die Verbände erste Erfolge. Laut einer internen Umfrage würden rund 90 Prozent der Betriebe bereits regelmäßige Corona-Tests anbieten oder dies bald planen.

Konterkariert wurde die Behauptung der Wirtschaftsverbände von einer Veröffentlichung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. In einer Online-Befragung der Stiftung berichteten nur 23 Prozent der Teilnehmer, dass alle Präsenzbeschäftigten in ihrem Betrieb schon mindestens einmal pro Woche einen Corona-Schnelltest machen könnten. Die Befragung sei allerdings nicht repräsentativ, so die Böckler-Stiftung einschränkend.

90 Prozent werden nicht erreicht

Entscheidend für die Bundesregierung war schließlich eine Erhebung, die vom Bundeswirtschafts- und Bundesarbeitsministerium gemeinsam durchgeführt wurde. Sie basiert auf zwei Umfragen unter rund 1000 Unternehmen und 2500 Beschäftigten. Mit dem Ergebnis, dass derzeit die Hälfte der Unternehmen ihren Mitarbeitern mindestens einen Test pro Woche anbieten. Weitere Unternehmen hätten es vor, so dass insgesamt 69 Prozent der Betriebe die Selbstverpflichtung jetzt oder in Kürze erfüllen würden.

Deutschland Berlin | Videokonferenz Corona-Wirtschaftsgipfel mit Peter Altmaier
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier versuchte bis zuletzt eine Verpflichtung der Unternehmen zu verhindernBild: Andreas Mertens/BMWi/dpa/picture alliance

Beifall für die Verpflichtung der Unternehmen zum Testen kommt unter anderem vom Deutschen Gewerkschaftsbund. "Es ist schlicht nicht verständlich, weshalb sich Menschen im Privatbereich seit gut einem Jahr bis hin zu ihren Grundrechten einschränken, aber die Regeln für die Arbeitgeber nach wie vor butterweich sind", sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann.

Wirtschaft will Hilfen

Der Wirtschaftsrat der CDU rechnet damit, dass die Tests die deutschen Unternehmen monatlich mehr als sieben Milliarden Euro kosten werden. Das könnten manche kleine und mittelständische Unternehmen nicht stemmen. Schon fordern die Wirtschaftsverbände staatliche Unterstützung für die Testung. Außerdem gebe es nach wie vor Probleme bei der Beschaffung von Corona-Tests.

"Ein Drittel der Unternehmen gibt an, Schwierigkeiten bei der Verfügbarkeit von Tests zu haben", schreiben die Verbände in einem Brief ans Kanzleramt, aus dem die Nachrichtenagentur dpa zitiert. Sie fordern von der Bundesregierung, dass Selbsttests, die von anderen Bedarfsträgern nicht abgerufen werden, müssten der Wirtschaft preisgünstig zur Verfügung gestellt werden.

Die Bundeskanzlerin betonte auf der Hannover Messe unterdessen, der Kampf gegen die Corona-Pandemie sei im Interesse der Wirtschaft. Die Infektionszahlen seien weiterhin zu hoch, die dritte Welle derzeit wohl die härteste. Dagegen werde in einigen Monaten das Impfen helfen, so Angela Merkel. Doch bis dahin seien andere Maßnahmen nötig. "Testen hilft uns, eine Brücke zu bauen."

 

 

Der Artikel wurde am 13.04.2021 um 8:45, und um 11:15 aktualisiert.