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Politik

Nur Entwicklung bringt Sicherheit in Afrika

Sabrina Pabst
19. Februar 2017

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz dominierten die Außenpolitik der US-Regierung, der Krieg in Syrien und der Terrorismus die Agenda. Sicherheit und Entwicklung Afrikas standen nur am Rande zur Debatte.

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Entwicklungshilfe Afrika
Bild: picture-alliance/dpa

"Die Vereinigten Staaten von Amerika stehen fest zur NATO und wir werden unerschütterlich unsere Verpflichtungen für unsere transatlantische Allianz erfüllen." US-Vizepräsident Mike Pence wiederholte den Treueschwur, den zuvor schon US-Verteidigungsminister James Mattis beim NATO-Treffen in Brüssel abgegeben hatte. Das ließ viele der NATO-Mitglieder bei der Münchner Sicherheitskonferenz kurzzeitig aufatmen - wurde doch wochenlang spekuliert, wie sich die US-Regierung positionieren werde, nachdem Präsident Donald Trump die NATO als "überflüssig" bezeichnet hatte.

Nach der Botschaft aus Washington, die Pence "im Namen von Präsident Trump" überbrachte, folgte allerdings die - ebenfalls bereits von Mattis vorgebrachte - Forderung: Europa und auch Deutschland müssten mehr in ihr Militär investieren, nämlich die 2014 von den NATO-Staaten vereinbarten zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Die zahlen bisher nur wenige Mitglieder.

Lawrow wirbt für neue Weltordnung

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich zufrieden über Pence' Bekenntnis und stimmte grundsätzlich der Aufrüstung des Bündnisses zu. Ebenso klar war die Position des britischen Außenministers Michael Fallon, der im DW-Interview betonte, sein Land verlasse zwar die EU, nicht jedoch den Kontinent Europa oder die NATO.

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2017 lächeln Bundeskanzlerin Angela Merke und US-Vizepräsident Mike Pence den Journalisten zu. (Foto: Reuters/M. Dalder)
Erleichterung nach wochenlanger Ungewissheit: Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Vizepräsident Mike PenceBild: Reuters/M. Dalder

Wir groß hingegen der Graben zwischen der NATO und Russland ist, zeigte sich in der Kritik des russischen Außenministers Sergej Lawrow, diese Art "Eliteclub von Staaten", der die Welt regiere, könne nicht mehr lange funktionieren. Stabilität gebe es auch ohne NATO, betonte Lawrow und warb für eine "post-westliche Weltordnung". In scharfen Worten rügte er das Bündnis, das vermehrt Truppen im Osten stationiert hat, als "Institution des Kalten Krieges".

Asien als Vorbild

Die transatlantischen Beziehungen und die NATO waren das große Thema dieser drei Konferenztage. Vergangenes Jahr hatte der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki Moon gefordert, Afrika müsse in München stärker auf der Agenda stehen - davon war in diesem Jahr nichts zu sehen. Stattdessen wurden die Krisenherde abgehandelt, die die Mächtigen der Welt vorrangig wahrnehmen: der Krieg in Syrien, die wieder aufflammenden Kämpfe in der Ost-Ukraine und der wachsende Terrorismus im Nahen Osten.

Wenig Aufmerksamkeit bekam der Terror in afrikanischen Ländern. Nigeria etwa kämpft seit sieben Jahren gegen die Dschihadistenmiliz Boko Haram, die auch in Nachbarländern aktiv ist und internationale Verbindungen zu anderen Terrororganisationen pflegt. Nigerias Nationaler Sicherheitsberater Babagana Monguno machte deutlich: Um den Terrorismus effektiv zu bekämpfen, brauche Nigeria auch internationale Unterstützung. Um eine transnational vernetzte Gewaltorganisation wie die von Boko Haram dauerhaft auszuschalten, brauche es nicht nur militärische Stärke, sondern eine vertrauenswürdige Regierung und ein funktionierendes Rechtssystem. 

Diese Position unterstützte auch Bundeskanzlerin Merkel, als sie betonte, dass Deutschland den Verteidigungsetat nicht plötzlich drastisch erhöhen könne - für die Sicherheit seien Investitionen in die Entwicklungspolitik oder die Finanzierung von UN-Aufgaben ebenso wichtig. Die afrikanischen Regierungen mahnte sie, das Ziel müsse eine dynamische Entwicklung nach dem Beispiel Asiens sein. Nur Entwicklung garantiere Sicherheit und beende Vertreibung und Flucht.

Höhere Militärausgaben bedeuten nicht mehr Sicherheit: Das wiederholte auch Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel. Europa habe sich bisher darauf verlassen, dass die USA in Kriegs- und Krisengebieten für Ordnung sorgten. "Es ist nicht unbillig, nach 70 Jahren Führung durch die USA die Außenpolitik neu zu definieren", so Gabriel. Allerdings hätten die militärischen Interventionen Washingtons zuletzt die Probleme verstärkt, die es zu bewältigen gelte.

Deutschland Münchner Sicherheitskonferenz 2017 Federica Mogherini
Für Bildung und Beschäftigung: EU-Außenbeauftragte Federica MogheriniBild: DW/L. Sanders

"Wenn Afrika zerfällt, zerfällt Europa"

In Bildung und Beschäftigungswachstum und verantwortungsbewusste Regierungen zu investieren - dass sei der "europäische Weg" für Sicherheit und gegen Terrorismus, betonte auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. 

Ein flammendes Plädoyer für die deutsche Entwicklungspolitik in Afrika hielt der Popsänger Bono von der irischen Band U2. Auf der einen Seite sehe Deutschland die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Kontinents, auf der anderen die Stabilitätsrisiken. "Wir müssen unsere Sicherheits- mit einer Entwicklungsstrategie vereinen, die dafür sorgt, dass den Menschen dort eine Grundversorgung, Bildung und Infrastruktur bereitgestellt werden." Investitionen müssten an gute Regierungsführung geknüpft werden. 

Deutschland Münchner Sicherheitskonferenz 2017 (Foto: Reuters/M. Dalder)
Mehr als Popkultur: Bono engagiert sich in AfrikaBild: Reuters/M. Dalder

Bono warnte vor unabsehbaren Folgen durch wachsenden Protektionismus und die Abschottung der Industrieländer gegenüber Afrika. "Ich sehe kein Meer, das groß genug ist und auch keine Mauer, die hoch genug ist, um uns diese Probleme fernzuhalten." Wenn Nigeria zerfalle, zerfalle Afrika, dann zerfalle Europa und die Welt hätte ein Problem. Drei Extreme schafften ein Sicherheitsrisiko: "Extreme Ideologie, extreme Armut und extremes Klima." Afrika müsse finanziell besser und nachhaltiger unterstützt werden. Der irische Sänger ist Mitbegründer der Lobbyorganisation One, die sich für die Bekämpfung von Armut und Krankheiten in afrikanischen Ländern einsetzt.

Seuchen als Sicherheitsrisiko 

Ruandas Präsident Paul Kagame hob hervor, dass Pandemien und Krankheiten eine Bedrohung der Sicherheit seien. Um dagegen anzukommen, sei es wichtig, Vertrauen zwischen Regierung, Behörden und Bevölkerung aufzubauen. "Wo dieses Vertrauen fehlt, etwa wegen grassierender Korruption, ist auch das Gesundheitssystem gefährdet - vor allem in Zeiten von Epidemien", sagte bei einer Diskussionsrunde. Das habe die Ebola-Epidemie gezeigt, erklärte er.

Sierra Leone Ebola (Foto: DWD. Pelz)
Ebola-Überlebende leisteten in Sierra Leone GesundheitsaufklärungBild: DWD. Pelz

Nationale Ressourcen zu mobilisieren: Das sei der Schlüssel im Kampf gegen Krankheiten und für die Stabilität eines Landes, so Kagame. Dazu trügen besonders Frauen einen großen Teil bei. Sie müssten an der Gesellschaft teilhaben und ihre Rechte wahrnehmen können. Ruanda habe rund 45.000 kommunale Gesundheitshelfer ausgebildet, damit es in jedem Dorf eine kleine Gesundheitsstation gebe, in der vor allem Frauen bei Gesundheitsproblemen helfen oder bei Geburten assistieren könnten. So habe Ruanda die Müttersterblichkeit innerhalb von 15 Jahren drastisch reduzieren können - von 190 Frauen pro 100.000 Geburten auf unter 50.

Prominente Tagesordnungspunkte waren die Diskussionen über Probleme Afrikas nicht für die 500 Teilnehmer der 53. Münchner Sicherheitskonferenz, Nachfolgerin des 1963 erstmals als Wehrkundetagung abgehaltenen Treffens. Die Konferenz thematisierte überwiegend, was die führenden Industrienationen als ihre hauptsächliche Bedrohung ihrer Sicherheit wahrnehmen und diskutierte vorwiegend militärische Lösungen. Viele Teilnehmer aus dem globalen Süden hätten sich möglicherweise mehr Debatten über ganzheitliche und nachhaltige Lösungen gewünscht - aus globaler Perspektive.