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NSU-Prozess: Das Nagelbomben-Attentat

Marcel Fürstenau12. Januar 2015

Zehn Morde werden dem Nationalsozialistischen Untergrund zur Last gelegt. Vor allem darum drehte sich das Strafverfahren bislang. Nun beginnt die Aufarbeitung des Anschlags in der Kölner Keupstraße mit 22 Verletzten.

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Spurensicherung in der Kölner Keuptstraße nach dem Nagenlbomben-Anschlag am 9. Juni 2004.
Bild: picture-alliance/dpa

Die Wucht der Explosion war verheerend. Hunderte Nägel flogen durch die Luft, als die Bombe am 9. Juni 2004 hochging. 22 Menschen wurden damals im Kölner Stadtteil Mülheim verletzt, einige von ihnen lebensgefährlich. Es grenzt an ein Wunder, dass in der von vielen Migranten bewohnten Keupstraße niemand ums Leben kam. Die Tat geht höchstwahrscheinlich auf das Konto der Rechtsextremisten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Das erfuhr die Öffentlichkeit allerdings erst sieben Jahre nach dem Anschlag, als sich die Terrorgruppe im November 2011 selbst enttarnte. Seitdem weiß man auch, dass der NSU mutmaßlich für zehn Morde im Zeitraum 2000 bis 2007 verantwortlich ist.

In der langen Zeit dazwischen sahen sich die überwiegend türkischstämmigen Opfer und ihre Angehörigen dem Verdacht ausgesetzt, persönlich in die Taten verstrickt zu sein. Die Polizei ermittelte fast ausschließlich in eine Richtung. Drogenkriminalität, Mafia, Familienstreitigkeiten - darauf konzentrierten sich die Recherchen. Politiker wie die damaligen Innenminister Nordrhein-Westfalens und des Bundes, Fritz Behrens und Otto Schily (beide SPD) stützten diese These, indem sie schon kurz nach dem Nagelbomben-Attentat einen rassistischen Hintergrund ausschlossen.

Belastende Videoaufnahmen von den Tätern?

Das Versagen von Behörden und Politikern haben mehrere parlamentarische Untersuchungsausschüsse dokumentiert, im NSU-Prozess geht es um die strafrechtliche Aufarbeitung. Die mutmaßlichen Täter Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos können nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Sie gerieten 2011 nach einem Banküberfall in Eisenach ins Visier der Polizei und wurden kurz darauf tot in ihrem ausgebrannten Wohnmobil aufgefunden. Ihre Komplizin Beate Zschäpe muss sich als Hauptangeklagte vor dem Oberlandesgericht in München verantworten, verweigert aber jede Aussage. Dass ihre einstigen Weggefährten die auf einem Fahrrad befestigte Nagelbombe vor einem Friseursalon in der Keupstraße abgestellt haben, glaubt die Staatsanwaltschaft dennoch nachweisen zu können. Sie stützt sich dabei unter anderem auf Videobilder einer Überwachungskamera, die kurz vor der Explosion in der Nähe aufgenommen wurden. Auf ihnen sollen Böhnhardt und Mundlos zu sehen sein.

Zwei Standbilder, die von einer Überwachungskamera in der Nähe des Tatorts Keupstraße aufgenommen wurden. Ein Mann schiebt auf dem Fußweg ein Fahrrad (l.). Bei der Person könnte es sich um Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos handeln (r.).
Zwei Standbilder, die von einer Überwachungskamera in der Nähe des Tatorts Keupstraße aufgenommen wurden. Ein Mann schiebt auf dem Fußweg Fahrräder. Bei der Person könnte es sich um Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos handeln.Bild: picture-alliance/dpa

Welche Wirkung die Bombe hatte, schilderte am ersten Verhandlungstag nach der Weihnachtspause ein Brand- und Sprengstoffexperte des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen. Der Zeuge berichtete am Montag (12.01.2015) von rund 700 Nägeln, die am Tatort gefunden worden seien. Sie hätten, zum Teil stark deformiert, unter anderem in Hauswänden und Autos gesteckt. Treffen sollten sie aber vor allem die zahlreichen Menschen im und vor dem Friseursalon in der Keupstraße. Von den 22 Opfern werden mehrere in der nächsten Woche als Zeugen im NSU-Prozess aussagen. Außerdem sollen Ärzte und Gutachter gehört werden. Parallel zum Prozessgeschehen plant die Initiative "Keupstraße ist überall" am kommenden Montag einen Aktionstag. Geplant ist unter anderem eine Demonstration in der Münchener Innenstadt.