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Waffen, Zucker und offene Fragen

Esther Felden / Gabriel Dominguez18. Juli 2013

Panama will ein mit Waffen beladenes, gestopptes nordkoreanisches Frachtschiff den UN übergeben, Pjöngjang fordert die Freigabe. Experten diskutieren derweil über die Hintergründe des mysteriösen Falles.

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Das Schiff ''Chong Chon Gang'' im Hafen von Colon City/ Panama (Foto: REUTERS/Carlos Jasso)
Panama Nordkorea Verkehr Schiff Chong Chon Gang im Panamakanal festgehaltenBild: Reuters

Der Stoff taugt fast für einen spannenden Hollywood-Streifen: Ein Frachtschiff aus dem international isolierten, verarmten und militärisch hochgerüsteten Nordkorea wird in panamaischen Gewässern gestoppt, weil - so heißt es - der Verdacht besteht, es könnte Drogen an Bord haben. Die werden bei der Durchsuchung der "Chong Chon Gang" zwar nicht gefunden, dafür aber eine Menge Waffen: zwei komplette Raketen, neun zerlegte Raketen, 15 Flugzeugmotoren und zwei MiG-Kampfflugzeuge. Insgesamt 240 Tonnen militärisches Gerät, versteckt unter 10.000 Tonnen Zucker.

Die kubanische Regierung erklärt, es handle sich um Waffen aus ihrem Arsenal, "veraltetes defensives Kriegsgerät" aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Das Material aus sowjetischer Produktion hätte in Nordkorea repariert werden und dann nach Kuba zurückgebracht werden sollen, so die offizielle Darstellung aus Havanna. Einen Verstoß gegen das seit 2006 bestehende weitreichende Waffenembargo der UN gegenüber Nordkorea sieht Kuba nicht. Die Staatsmedien sprechen von einem Geschäft mit "rechtmäßigem Vertrag".

Die traditionelle Achse Havanna-Pjöngjang

Nach Ansicht von Susanne Gratius, Forscherin am europäischen Think Tank FRIDE ist es dagegen sehr wahrscheinlich, dass der aktuelle Fall als Verletzung der betreffenden UN-Resolution 1874 ausgelegt wird. Und das könnte nach Ansicht der Wissenschaftlerin Folgen haben: "Diese Sache wird sich negativ auf das kubanisch-amerikanische Verhältnis auswirken, besonders, da wir nicht wissen, wie lang Kuba schon Waffen nach Nordkorea liefert." Noch halten sich die USA betont bedeckt. Man wolle "sehr bald" mit Kuba über den Vorfall reden, hieß es am Mittwoch (17.07.) aus Washington.

Ein Arbeiter steht auf Zuckersäcken um Innenraum des in Panama aufgebrachrten Schiffes aus Nordkorea (Foto: REUTERS/Carlos Jasso)
An Bord des Schiffes wurden 240 Tonnen Waffen gefunden - versteckt unter ZuckerBild: Reuters

Seit 1960 unterhalten Havanna und Pjöngjang diplomatische Beziehungen. "Kuba hat enge Verbindungen zu China. Nordkorea seinerseits gilt als Teil der anti-amerikanischen Achse sozialistischer und autoritärer Staaten", so Gratius gegenüber der DW. Ihren Worten zufolge besuchte kürzlich eine nordkoreanische Militär-Delegation Kuba und sprach mit Präsident Raúl Castro und ranghohen Militärs. Ob die aktuelle Waffenlieferung dabei thematisiert wurde, ist allerdings unklar.

Geheime Geschäfte

"Nach bisherigem Stand handelt es sich nicht um einen klassischen Fall von Proliferation zur Unterstützung des nordkoreanischen Atomprogramms", meint dagegen Markus Kaim, Leiter der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Denn über "Raketentechnologie und veraltete sowjetische Technologie der 1960er Jahre verfügt Nordkorea selbst". Für Kaim liegt daher die Vermutung nah, dass "Kuba hier nicht Waffen zur Unterstützung der nordkoreanischen Regierung liefert, sondern dass es um eine Renovierung der kubanischen Waffen" geht.

Raketenfund an Bord der Chong Chon Gang (Foto:REUTERS/Carlos Jasso
Neben zwei russischen MiGs waren auch mehrere Raketen auf der "Chong Chon Gang" verstecktBild: Reuters

In diesem Fall war der Zucker möglicherweise als Bezahlung für die nordkoreanische Arbeit gedacht. Dieser Meinung ist auch Hugh Griffiths, Spezialist für illegalen Handel beim SIPRI-Institut (Stockholm International Peace Research Institute). "Kuba hat Pjöngjang nicht mit Waffen beliefert, sondern Pjöngjang hat die Instandhaltung der Waffen übernommen und sie dann zurück gesendet." Es sei nicht das erste Mal, dass Nordkorea derartige Dienste leiste, so der Experte gegenüber der Deutschen Welle. In der Vergangenheit habe Nordkorea mehrfach alte sowjetische oder chinesische Waffen repariert oder aufgerüstet – und im Gegenzug Warenlieferungen erhalten. "Im Jahr 2010 wurde eine Schiffsladung nordkoreanischer Panzermotoren von der südafrikanischen Marine abgefangen." Nach Ansicht des britischen Analysten wurden andere Teile der Lieferung per Luft transportiert und erreichten auf diesem Weg ihr Ziel: Kongo-Brazzaville.

Für Griffiths gibt der aktuelle Fall Einblicke, wie Nordkorea seine - streng geheimen - Geschäfte abwickelt. "Die Waren-Kombination aus Zucker und Waffen zeigt, wie das Land legalen und illegalen Handel miteinander verbindet, und das auf einem einzigen Schiff." Es war außerdem nicht das erste Mal, dass das betroffene Schiff in Gewahrsam genommen wurde: Einem Bericht des UN-Sicherheitsrates zufolge wurde die "Chong Chon Gang" im Januar 2010 von ukrainischen Behörden gestoppt. Dabei wurden unter anderem Munition, Drogen, und Psychopharmaka sichergestellt.

Viele offene Fragen

Dazu kommt: Nicht immer werden die gelieferten Waren von Nordkorea tatsächlich so verwendet wie offiziell angegeben, erklärt SIPRI-Experte Hugh Griffiths. So sollten beispielsweise 16 chinesische Lastkraftwagen in Nordkorea zu forstwirtschaftlichen Zwecken eingesetzt werden - so die Erklärung Pjöngjangs gegenüber Peking. Dann aber tauchten die Fahrzeuge auf Fotos in einem UN-Bericht an ganz anderer Stelle auf: als Teil einer Militärparade in der nordkoreanischen Hauptstadt. Griffith ist überzeugt: "Wenn Nordkorea Equipment aus anderen Ländern dringend braucht, dann finden sie auch Mittel und Wege, es zu beschaffen."

Die Chong Chon Gang von der Seite mit aufgedruckter nordkoreanischer Flagge (Foto:REUTERS/Carlos Jasso)
Was mit der Ladung der "Chong Chon Gang" passiert, ist noch nicht klarBild: Reuters

Die aktuelle Lieferung aus Kuba allerdings wird nicht an ihrem nordkoreanischen Zielort ankommen. Stattdessen soll sich jetzt auf Bitten Panamas der UN-Sicherheitsrat mit dem brisanten Fall beschäftigen. Außerdem werden zwei Abgesandte Pjöngjangs in Panama erwartet. Sie sollen den Vorfall aus der Sicht Nordkoreas erklären. Pjöngjang hat unterdessen die sofortige Freigabe des gestoppten Schiffes gefordert. Auch die Besatzung - gegen die die panamaischen Behörden mittlerweile Anklage erstattet haben - müsse umgehend freigelassen werden, ließ das Außenministerium in Pjöngjang verlauten. Was mit der beschlagnahmten Schiffsladung passieren wird, ist noch unklar.