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Nitrofen-Skandal aufgeklärt?

10. Juni 2002

Ein Getreidelager in Mecklenburg-Vorpommern soll die Quelle der Nitrofen-Belastung sein. In der Lagerhalle für Öko-Weizen ist zu DDR-Zeiten ein Teil der Staatsreserve an Pflanzenschutzmitteln aufbewahrt worden.

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Der GS agri wurde die Produktionserlaubnis entzogenBild: AP

Die von Bund und betroffenen Ländern gebildete Task Force ist bei einer Nachprüfung in Malchin fündig geworden. Eine Fegeprobe in der betroffenen Lagerhalle habe 2000 Milligramm Nitrofen pro Kilogramm Staub ergeben. Dieser extrem hohe Wert erkläre auch die hohe Belastung des Getreides. Für den Schweriner Landwirtschaftsminister Till Backhaus habe es außerhalb der Vorstellungskraft gelegen, dass man Getreide in einem ehemaligen Pflanzenschutzmittellager deponieren könnte.

Folgenschwere Anmietung ohne Auflagen

Wie Bundesverbraucherministerin Renate Künast und Landwirtschaftsminister Till Backhaus am Samstag (1. Juni 2002) mitteilten, war die Halle von der Treuhand ohne Auflagen verkauft und von der Norddeutschen Saat- und Pflanzgut AG Neubrandenburg (NSP) vorübergehend angemietet worden.

Die NSP habe den aus Stegelitz in der Uckermark (Brandenburg) stammenden Weizen dort zwischengelagert und dann an den niedersächsischen Futtermittelproduzenten GS agri im Kreis Cloppenburg geliefert. Backhaus ließ den NSP-Betrieb und alle anderen Niederlassungen des Unternehmens sperren. Die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt seien eingeschaltet, erklärte er.

Mit dieser Aufklärung des Skandals bestätigen sich auch die Angaben der GS agri, das Nitrofen müsse sich bereits bei Anlieferung in den Rohstoffen befunden haben. Es sei nicht erst bei der Futtermittelherstellung hinzugesetzt worden. Die Firma sei "Opfer gewissenloser Verursacher außerhalb des eigenen Betriebs geworden", hatte Geschäftsführer Paul Römann erklärt.

Raiffeisenverband hat jahrelang Kontrollen verhindert

Künast, Backhaus und auch der niedersächsische Landwirtschaftsminister Uwe Bartels bekundeten mehrmals ihre große Erleichterung über die Aufklärung des größten Lebensmittelskandals der deutschen Nachkriegsgeschichte. Laut Künast werden jetzt sicherheitshalber alle Getreidelager mit ähnlicher Vorgeschichte überprüft. Es gebe jedoch keinerlei Hinweis auf vergleichbare Zusammenhänge. Schwere Vorwürfe erhob Künast gegen den Deutschen Raiffeisenverband landwirtschaftlicher Genossenschaften. Bis auf ein Unternehmen gehörten alle Akteure diesem Verband an.

Raiffeisen habe über Jahre bessere Kontrollen im Futtermittelbereich verhindert. "Das muss jetzt ein Ende haben", sagte die Ministerin. Außerdem sei eine neue Kontrollkultur notwendig. Das Nitrofen-Problem sei den Beteiligten mindestens seit März 2002 bekannt gewesen. Man habe versucht, es durch stille Rückrufaktionen zu lösen, ohne die Öffentlichkeit zu informieren.

Produktionserlaubnis entzogen

Der Babynahrungshersteller Hipp habe bei internen Eingangskontrollen schon im Januar Nitrofen in Putenfleisch gefunden und die Lieferung zurückgeschickt. Der betroffene Putenzüchter sei Kunde bei GS agri gewesen. Der Futtermittelfabrik GS agri soll wegen des Nitrofen-Skandals die Produktionserlaubnis entzogen werden. Bereits verboten hat das niedersächsische Landwirtschaftsministerium am Freitag die Herstellung und Auslieferung von Futtermitteln für Öko-Betriebe.