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Nigerias Flüchtlinge

Uwais Idris/ Maja Braun16. Dezember 2014

Bis zu 1,5 Millionen Menschen sind in Nigeria auf der Flucht, schätzen Hilforganisationen. Die meisten von ihnen sind von Boko Haram aus ihrer Heimat vertrieben worden - und finden kaum Hilfe im eigenen Land.

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Nigeria Flüchtlinge vor Boko Haram
Bild: Reuters/S. Ini

Ein kurzer Moment der Freude im Flüchtlingscamp Shabu: Reis und Öl, Seife und Decken werden verteilt, die Menschen singen und klatschen. Es ist das erste Mal, dass Hilfe von der Regierung ankommt, seit das Lager im Juli 2014 eingerichtet wurde. Etwa 2000 Menschen leben hier, südöstlich der Hauptstadt Abuja. Sie sind auf der Flucht vor der Terrororganisation Boko Haram. Und es werden immer mehr.

Amos Tanko kommt aus der Gegend um Gwoza im Nordosten Nigerias, wo Boko Haram seine Hochburgen hat. Fast 1000 Kilometer hat er von dort bis nach Shabu zurückgelegt. "Sie haben unsere Häuser niedergebrannt, sie haben unsere Brüder, Schwestern und Eltern getötet. Es ist niemand mehr übrig in unseren Dörfern", berichtet er dem DW-Korrespondeten. Jetzt schlafe er wie die meisten unter Bäumen. "Wir haben keine Unterkunft und kein Essen."

Helfer im Flüchtlingslager Shabu in Nigeria verteilen Matratzen und andere Hilfsgüter Foto: Uwaisu Idris
Matratzen und Essen: Lang ersehnte Hilfe in ShabuBild: DW/Uwaisu Idris

Nigeria inmitten einer Flüchtlingskatastrophe

Die Schätzungen, wie viele Menschen in Nigeria vor den Terrorattacken von Boko Haram ihre Heimat verlassen haben, gehen weit auseinander. Präsident Goodluck Jonathan sprach kürzlich von 700.000 Binnenflüchtlingen. Das Weltflüchtlingswerk UNHCR zählt auf der Basis von Angaben anderer Hilfsorganisationen mittlerweile 1,5 Millionen Flüchtlinge. Weitere 1,4 Millionen seien ins Ausland geflohen, zum Beispiel nach Kamerun oder Niger.

"Wenn wir nicht dringend etwas unternehmen, werden wir hier ein Desaster erleben", warnt Angele Dikongue Atangana, die Vertreterin von UNHCR in Nigeria. Krankheiten könnten sich ausbreiten, vor allem Frauen und Kinder seien in Gefahr. "Bei den Kindern ist außerdem das Risiko hoch, dass sie zwangsrekrutiert werden. Deswegen können wir nicht nur auf die Bedürfnisse reagieren, sondern müssen viel mehr gegen die ganze Entwicklung unternehmen."

Karte: Bundesstaaten im Ausnahmezustand
Bundesstaaten im Ausnahmezustand

Familien zerstreut im ganzen Land

Auch in anderen Landesteilen suchen Flüchtlinge eine Bleibe. In der Handelsmetropole Kano etwa kommen viele bei Verwandten, Freunden und anderen Menschen unter. "Wir leben hier bei einem alten Mann und seiner Familie. Die Frauen dort sind so freundlich und geben unseren Kindern von ihrem Essen ab", erzählt eine Frau dem DW-Korrespondenten in Kano. Eine andere wartet vor einem Büro der Hisbah, der staatlichen Religionspolizei des Bundesstaats Kano, die zugleich als Sozialwerk fungiert. Die Frau ist aus Mubi im Nordosten geflüchtet. Seit einigen Tagen bombadiere dort Boko Haram die Gegend. "Ich weiß nicht, wo meine Familie ist, alle sind weggelaufen." Nun hofft sie hier verzweifelt auf Unterstützung. "Ich weiß nicht, wo mein Mann ist. Ich brauche doch nur Hilfe, um mit meinem Kind zum Arzt gehen zu können."

Wie viele andere Hilfsorganisationen ist auch die Hisbah in Kano überfordert. "Wir hatten dreitausend Flüchtlinge registriert, aber jetzt brauchen wir schon Essen für viertausend," sagt Zahara'u Umar, die stellvertretende Leiterin der Organisation. Was als Hilfe ankommt, sei schnell aufgebraucht.

Frieden statt Hilfslieferungen

Die Flüchtlingskommission von Nigerias Bundesregierung hofft, dass sie neben den Unterkünften bald auch Hilfe bereit stellen kann, mit dem die Flüchtlinge selbst Geld verdienen können. "Das geht natürlich nur im Rahmen unserer finanziellen Mittel", sagt Hadiza Sani Kangiwa von der Kommission. Ihr Ziel: "Dass die Menschen wieder auf eigenen Beinen stehen können und nicht in den Camps bleiben müssen."

Hadiza Sani Kangiwa (Mitte) von der Flüchtlingskommission in einem Flüchtlingslager Foto: Uwaisu Idris
Hadiza Sani Kangiwa (Mitte) von der Flüchtlingskommission verspricht mehr HilfeBild: DW/Uwaisu Idris

Und dennoch erfüllt die Regierung damit nicht den eigentlichen Wunsch der Flüchtlinge. "Wir bedanken uns für diese Hilfe, aber was wir brauchen, ist Frieden", sagt Ashege Daniel, der ebenfalls im Shabu Camp gelandet ist. "Ich möchte in meinem eigenen Haus leben können, ohne auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein."