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Niedrigere Löhne für Ostdeutschland?

Markus Wendler18. April 2004

Nach vierzehn Jahren Ost-Förderung herrscht Ernüchterung. Weit über eine Billion Euro sind in die neuen Bundesländer geflossen - doch die Arbeitslosenzahl bleibt hoch. Jetzt wird über niedrigere Löhne diskutiert.

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Aufbau Ost: Bisher wurde vor allem in die Infrastruktur investiertBild: dpa zb

Der für den Aufbau-Ost zuständige Minister Manfred Stolpe sagte in einem Pressegespräch Mitte April zum wiederholten Mal, niedrigere Löhne seien "ein Gedanke, den man ernsthaft weiter verfolgen muss". Auch der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt hat sich dafür ausgesprochen und selbst die Gewerkschaften sind nicht mehr geschlossen dagegen. Nach anfänglichem Zögern stellte sich die Vizechefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Ursula Engelen-Kefer, hinter die Vorschläge des Ministers.

Computer Produktion in Dresden
Schaefer IT-Logistik GmbH in DresdenBild: AP

Der Staat zahlt Lohnzuschüsse

Doch nicht alle sind dieser Meinung. So sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski der Financial Times Deutschland: "Die beste Aufbauhilfe für den Osten wäre, wenn Deutschland durch echte Reformen wirtschaftlich endlich wieder richtig in Fahrt käme". Die Wirtschaft befürchtet zusätzliche staatliche Ausgaben. Denn es geht nicht darum, das Einkommen der Arbeitnehmer zu senken. Vielmehr sollen Unternehmer niedrigere Löhne zahlen, die der Staat anschließend durch Zuschüsse aufstockt. Dadurch bleibt den Arbeitnehmern das gleiche Einkommen wie bisher erhalten, doch die Unternehmer sparen Kosten.

EU-Erweiterung sorgt für Druck

Die Osterweiterung der Europäischen Union könnte die Debatte über hohe Löhne in Deutschland nochmals verschärfen. Am 1. Mai treten zehn neue Staaten der EU bei, darunter Polen und Tschechien, zwei direkte Nachbarn Deutschlands. Deshalb müssten im Osten die Voraussetzungen für wettbewerbsfähige Jobs im Niedriglohnsektor geschaffen werden, sagte Stolpe.

In der Tat ist der Lohnunterschied zwischen alten und neuen EU-Mitgliedern enorm. Nach Berechnungen des EU-Statistikamts erhielt ein deutscher Arbeitnehmer 2002 durchschnittlich etwa 39.000 Euro. In Polen lag der Bruttolohn im selben Jahr bei lediglich 7100 Euro. Zwar steigen die Löhne in Osteuropa erheblich stärker als in Deutschland, doch bis sie den EU-Durchschnitt erreicht haben, werden noch viele Jahre vergehen.

Arbeitsamt: neue Arbeitslosenzahlen durch die Bundesanstalt für Arbeit
Im Osten liegt die Arbeitslosenrate teilweise über 20%Bild: AP

Mittel und Wege sind umstritten

Über Art und Umfang möglicher Hilfen ist derweil eine kontroverse Diskussion ausgebrochen. Nach Protesten aus westlichen Bundesländern hat Stolpe seine Vorschläge relativiert: Man könne durchaus auch Problemregionen im Westen unterstützen und überhaupt sei das Ganze nur ein Vorschlag. Der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof plädierte dafür, in Ostdeutschland das von ihm entwickelte Steuermodell zu testen. Demnach sinken die Einkommenssteuern, so dass den Beschäftigten trotz niedrigerer Löhne mehr Geld in der Tasche bleibt. Die FDP wiederum will eine "Sonderwirtschaftszone" für den Osten.

Doch vielleicht steht es um den Standort Deutschland gar nicht so schlecht. Am 15. April gab es eine Meldung der Firma Moser Baer: Der weltweit drittgrößte Produzent von Compact Discs will künftig in Deutschland produzieren und plant dazu ein Investment von immerhin 100 Millionen Dollar. Die Firma kommt aus Indien.