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Strafprozess um Kölner Stadtarchiv beginnt

17. Januar 2018

Wie konnte es zu dem verheerenden Einsturz im Jahre 2009 kommen? Mit dieser Frage beschäftigt sich jetzt das Kölner Landgericht. Viel Zeit haben die Richter nicht: Bis März 2019 muss ein Urteil gesprochen werden.

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Kölner Stadtarchiv
Bild: Picture-Alliance/dpa/O. Berg

Fünf Menschen sitzen auf der Anklagebank. Sie sind Mitarbeiter von Baufirmen und den Kölner Verkehrsbetrieben (KVB) und müssen sich wegen des verheerenden Einsturzes des Kölner Stadtarchivs vom 3. März 2009 verantworten, einer der größten Baukatastrophen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen fahrlässige Tötung und Baugefährdung vor.

Ursprünglich gab es noch zwei weitere Beschuldigte: Einer verstarb jedoch kurz nach der Anklageerhebung vom vergangenen Frühjahr, das Verfahren gegen einen weiteren Angeklagten wurde wenige Tage vor dem nun beginnenden Prozess vorläufig eingestellt, da er schwer erkrankt sei, so ein Gerichtssprecher. 

Fehler beim Bau der U-Bahn  

Das Gebäude des Kölner Stadtarchivs, eines der bedeutendsten Kommunalarchive Europas, war 2009 bei U-Bahnbauarbeiten zusammengestürzt und hatte zwei Nachbarhäuser mit in die Tiefe gerissen. Zwei Anwohner kamen bei dem Einsturz ums Leben. Besucher und Mitarbeiter des Archivs konnten sich noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Es entstand ein Schaden in Milliardenhöhe.

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft haben Fehler beim Bau der neuen Nord-Süd-U-Bahn zum Einsturz des Archivgebäudes geführt. Demnach sollen zwei Bauarbeiter beim Ausschachten des Tunnels auf ein Hindernis gestoßen sein, das sie nicht beseitigen konnten. Anstatt dies der Bauleitung zu melden, hätten sie den Aushub einfach fortgesetzt. Im Schatten des Hindernisses sei eine "Erdplombe" entstanden, ein Loch in der unterirdischen Wand. Am Unglückstag gab diese Plombe laut Anklage dann schlagartig nach, woraufhin große Mengen Sand, Kies und Wasser in die Baugrube eindrangen. Dem Archiv wurde buchstäblich der Boden entzogen, sodass es mitsamt den Nachbargebäuden zusammenbrach.

Die beteiligten Baufirmen, die in der Arbeitsgemeinschaft ARGE organisiert sind, weisen die Vorwürfe allerdings zurück. "Die komplexe Frage, auf welchem Wege innerhalb weniger Minuten über 5000 Kubikmeter Erde in die Baugrube fließen konnten, ist bislang nicht geklärt worden", betont ein ARGE-Sprecher. "Bis zur endgültigen Klärung der Ursache und einem zweifelsfreien Beweis sowie einem entsprechenden Urteil gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung."

Die Zeit drängt

Das Gericht hat für den Prozess 126 Verhandlungstage bis ins kommende Jahr hinein angesetzt, voraussichtlich werden Dutzende Zeugen und Sachverständige geladen. Allein die Anklageschrift umfasst 196 Seiten. Das Gericht steht bei dem komplexen Verfahren allerdings unter Zeitdruck: Das Urteil muss bis spätestens März 2019 fallen, denn zu diesem Zeitpunkt tritt nach zehn Jahren die sogenannte absolute Verjährung ein - eine weitere Verfolgung mutmaßlicher Straftaten ist dann nicht mehr möglich.

Die Stadt Köln beziffert den Schaden, der mit dem Einsturz entstanden ist, auf 1,2 Milliarden Euro. Wer dafür haften muss, wird irgendwann möglicherweise Thema eines Zivilprozesses werden. Erst kürzlich war bekanntgeworden, dass sich eines der zentralen Gutachten dafür erheblich verzögern und voraussichtlich erst 2020 vorliegen wird. Hier drängt die Zeit nicht so sehr: Ein möglicher Schadenersatz-Anspruch verjährt erst nach 30 Jahren.

pl/ka (dpa, afp)