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Erfindergeist im alten China und Ägypten

Tina Hüttl
6. Juli 2017

Beide haben eine jahrtausendealte Geschichte, beide haben nie miteinander kommuniziert. Und doch verbinden China und Ägypten viele Gemeinsamkeiten wie die Ausstellung "China und Ägypten. Wiegen der Welt" in Berlin zeigt.

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Deutschland Ausstellung "China und Ägypten. Wiegen der Welt"
Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Spicken, Ideenklau, Industriespionage im großen Stil - es gibt viele Gründe dafür, warum Ergebnisse manchmal verblüffend ähnlich ausfallen. Was aber, wenn keines von alledem der Fall war und sich trotzdem zwei Gegenstände erstaunlich gleichen? Wenn zwei Erfinder auf die gleiche Idee kamen? Wie etwa bei Pferdetrensen: Ein längliches Mundstück aus Bronze geformt, in der Mitte durch zwei ineinandergreifende Ringe flexibel gehalten, so dass man links und rechts daran ziehen kann, um das Pferd zu lenken.

Gleich zweimal kann man diese wegweisende Erfindung in der Sonderausstellung "China und Ägypten. Wiegen der Welt" bestaunen, die von 6. Juli bis zum 3. Dezember 2017 im Neuen Museum in Berlin zu sehen ist. Einmal von den Ägyptern gemacht, etwa um 1200 vor Christus. Und einmal von den Chinesen, zu einem etwas späteren Zeitpunkt. Verbrieft ist jedoch, dass keiner vom anderen abgeschaut haben kann, weil sich diese beiden Hochkulturen in ihrer Frühphase zu keinem Zeitpunkt berührten.

Mehrere Menschen stehen um den Schaukasten herum und sehen sich die Mumienmaske der Ta-Scherit-en-Hor an. (Foto: picture-alliance/dpa/J. Carstensen)
Die teilweise vergoldete Mumienmaske der Ta-Scherit-en-Hor (323-30 v. Chr.) in der Ausstellung "China und Ägypten. Wiegen der Welt."Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Gleiche Lösungen für gleiche Probleme

Handelsreisende und Gesandte konnten damals durchaus Distanzen von bis zu 3000 Kilometern überbrücken. Doch die rund 8000 Kilometer, die China von Ägypten trennen, waren unmöglich zu schaffen. Trotzdem haben sich in beiden Hochkulturen, die die ersten Zivilisationen der Weltgeschichte hervorbrachten, erstaunliche Gemeinsamkeiten entwickelt - nicht nur was den Alltag und Gebrauchsgegenstände angeht, auch etwa im Totenkult und bei religiösen Vorstellungen gibt es viele Überschneidungen.

"Wer sich ein festes Dach über dem Kopf wünscht oder auch Kleidung, die schützt und ziert, kommt wohl irgendwann auf die gleichen Lösungen", sagt Friederike Seyfried, die die Ausstellung zusammen mit der Kuratorin Mariana Jung betreut. So habe noch jede Kultur irgendwann die Nadel erfunden und dafür zunächst Fischgräten, Federkiele oder auch Knöchelchen ausprobiert. Ebenso hätten Menschen auf abstrakte Fragen wie die nach dem Jenseits ähnliche Antworten und Gottheit-Vorstellungen entwickelt. 

Vier helle Kanopenkrüge stehen in einem Schaukasten aus Glas in der Ausstellung "China und Ägypten. Wiegen der Welt" (Foto: picture-alliance/dpa/J. Carstensen)
Kanopenkrüge, die die vier Horussöhne, die Kinder des Gottes "Horus des Älteren" und der Göttin Isis darstellen (1070-940 v. Chr.)Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Von Shanghai nach Berlin

Friederike Seyfried ist die Direktorin des Ägyptischen Museums und der Papyrussammlung, von dem etwa die Hälfte der 250 Exponate in der Sonderausstellung stammt. Die andere Hälfte sind Leihgaben vom Shanghai Museum, mit dem die Staatlichen Museen zu Berlin eine Kooperation unterhalten. Von beiden Häusern kam die Idee und der Wunsch zu dieser außergewöhnlichen und gelungenen Gegenüberstellung, die den Zeitraum von 4500 v. Chr. bis in die griechisch-römische Zeit 300 n. Chr. umfasst.

Denn es ist nichts anderes als eine kultur-anthropologische Frage, die gestellt wird und die die Sonderschau so spannend macht: Wie entwickelt sich menschliche Kultur? Und auf was für Lösungen kommt der Mensch bei bestimmten Fragestellungen?

Den Besuchern werden die Antworten und Exponate nicht chronologisch präsentiert, sondern anhand von fünf verschiedenen Themenbereichen: Alltag, Schrift, Herrschaft und Verwaltung, Totenkult und Götterhimmel.  

Ein steinerner Sargdeckel des Königlichen Schreibers Sa-Iset in der Ausstellung "China und Ägypten. Wiegen der Welt" im Neuen Museum Berlin. Im Hintergrund läuft eine Frau vorbei. (Foto: picture-alliance/dpa/J. Carstensen)
Sargdeckel des Königlichen Schreibers Sa-Iset (1279-1213 v. Chr.)Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Unterschiedliche Luxusgegenstände

So ähnelten einfache Wohnhäuser in China in ihrem Aufbau ägyptischen Häusern, lernt man etwa in einem der ersten Schaukästen anhand von gebrannten Tonmodellen. Auch Hunde wurden in beiden Kulturen bereits gerne als Haustiere gehalten. Von alltäglichen Lebenswelten der altchinesischen und der altägyptischen Gesellschaften erzählen im Neuen Museum auch allerlei Statuen, Schmuck, Keramik und Kosmetikgefäße. So unterscheidet sich etwa das Waschgeschirr der Chinesen nicht stark vom Waschgeschirr der Ägypter: Beide verwendeten ein Set bestehend aus Krug mit Henkel und eine Wasserschüssel.

Nur an der Art der Verzierungen auf den Bronzegefäßen erkennt man die verschiedenen Handschriften. Die Chinesen, wird klar, waren schon früh regelrechte Meister im Bronzeguss. In Ägypten wurden die feinen Ziselierungen erst nach dem Guss angebracht. Auch was Materialien angeht, unterscheiden sich die beiden Kulturen, je nach Rohstoffen, die ihnen zur Verfügung standen. Typische Luxusgegenstände der Chinesen waren neben Bronze etwa Lackschüsseln. Den Lackbaum gab es in Ägypten dagegen nicht. Hier übernahm Glas die Rolle des Luxusobjekts, wie über 3500 Jahre alte Schminkgefäße aus opakem Glas zur Öl- und Parfüm-Aufbewahrung bezeugen.

Zwei Männer und eine Frau bauen behutsam das Jadegewand für die Ausstellung "China und Ägypten. Wiegen der Welt" im Neuen Museum Berlin auf. (Foto: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka)
Große Vorsicht beim Aufbau: Das Jadegewand ist eine Leihgabe des chinesischen Xuzhou Museums Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

"Für die Ewigkeit"

Spannend ist die Zusammenschau auch, wenn es um den Totenkult geht. Beide Gesellschaften hatten aufwendige Riten und Bestattungsbräuche, wie kostbare Grabbeigaben zeigen. Eine der eindrucksvollsten Leihgaben aus Shanghai ist das Jadegewand, in dem ein Mann namens Liu He in der Zeit der Westlichen Han-Dynastie feierlich begraben wurde. Das grün schimmernde Kleidungsstück aus Jade, dessen 2216 einzelne Plättchen mit Silberfaden zusammengehalten werden, erinnert an eine Rüstung, um Seelen und Körper des Toten im Jenseits zu beschützen. Schließlich galt bei den Chinesen Jade als Stein der Unsterblichkeit.

Dem Exponat gegenübergestellt ist die Mumienhülle der Ägypterin Nes-Chons-pa-cheret, die wohl gute 700 Jahre zuvor verstarb. Hier sollte die Kartonage, die kunstvoll mit geflügelten Gottheiten bemalt ist, dem mumifizierten Körper der Verstorbenen Schutz bieten und ihn für die Ewigkeit konservieren. 

Die Ausstellung "China und Ägypten. Wiegen der Welt" zeigt vom 6. Juli bis zum 3. Dezember 2017 altägyptische und altchinesische Exponate, von denen viele zum ersten Mal überhaupt in Europa zu sehen sind.