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Neuer Wirtschaftsrat soll Arktisentwicklung vorantreiben

Irene Quaile2. September 2014

Zurzeit findet in Kanada die Gründungsversammlung des Arctic Economic Councils statt. Kritiker fürchten dadruch eine zu schnelle wirtschaftliche Erschließung der Region, die bereits stark unter dem Klimawandel leidet.

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Kanada Iqaluit Nunavut (Foto: Peter Prokosch).
Bild: Peter Prokosch

In Iqaluit ist diese Woche viel los. Wichtig Geschäftsleute und Politiker sind angereist, um den Arktischen Wirtschaftsrats (AEC) zu gründen. Hier, in der Hauptstadt der nordkanadischen Provinz Nunavut, fand 1998 das erste Ministertreffen des Arktischen Rates (AC) statt. Die neue Organisation, die unabhängig von dem Arktischen Rat - aber eng verbunden damit sein soll - könnte sich auf ihre eigene Art als ebenso einflussreich herausstellen.

Kanada hat zurzeit den Vorsitz über den Arktischen Rat - eine Organisation, die die acht arktischen Staaten und sechs indigene Organisationen verbindet. Nachhaltige Entwicklung, die Überwachung der Umwelt, die Identifikation von Umweltrisiken und die Vorbereitung auf eventuelle Notfälle in der entlegenen Arktisregion gehören zu ihren selbst gesetzten Zielen. Im Rennen um die Eröffnung der Arktis für die Schifffahrt, und bei der Suche nach Öl, Gas und Mineralien, könnten kommerzielle Interessen bald die Oberhand gewinnen.

Kanada setzt auf die Wirtschaft

Leona Aglukkaq, Kanadas Ministerin für Umwelt, die wirtschaftliche Entwicklung des Nordens und den Arktischen Rat, leitet die Gründungsversammlung des AEC. Es ist eines der Hauptprojekte des kanadischen Vorsitzes zwischen 2013 und 2015.

"Unsere Regierung hat die Gründung des Wirtschaftsrats vorangetrieben, um Handel, Investitionen und Wachstum im Interesse der Bevölkerung des Nordens zu fördern", sagte im Vorfeld des Treffens. "Die Gründung ist ein historischer Augenblick für den Arktischen Rat, in seinen Bemühungen, die nachhaltige Entwicklung der Arktis voranzutreiben. Ich bin zuversichtlich, dass der AEC zu einer starken und effektiven Organisation wird, die die gesamte Wirtschaftskooperation bereichern wird, zugunsten der Gemeinden und Menschen der Arktis."

Norwegen Spitzbergen: Schiffe stecken zwischen Eis fest (Foto: DW/Irene Quaile).
Schmelzendes Arktiseis behindert schon die SchifffahrtBild: DW/I. Quaile

Vom offenen Forum zur formellen Organisation

Kritiker werfen dem Arktischen Rat eine Fehlentscheidung vor, da sie den Aufbau einer möglicherweise sehr einflussreichen Organisation außerhalb ihrer eigenen Strukturen zulassen. Neil Hamilton, Arktisexperte bei Greenpeace International, sagte der DW: "Der Arktische Rat hat sein eigenes Mandat untergraben, indem er eine autonome Organisation geschaffen hat, die niemandem Rechenschaft schuldet - die aber die Erlaubnis hat, an Treffen teilzunehmen und innerhalb des Rates das Geschehen zu manipulieren."

Ursprünglich sollte der AEC lediglich ein Forum für Firmen sein, die im Polargebiet arbeiten. Inzwischen ist daraus eine formelle Organisation geworden. Jedes Mitglied - ob Staat oder Organisation - des Arktischen Rates wurde eingeladen, bis zu drei Wirtschaftsvertreter zum Gründungskongress zu entsenden. Sie repräsentieren unter anderem die Öl- und Gaswirtschaft, Reedereien, den Bergbau und den Tourismussektor. In Iqaluit diskutieren sie nun die Struktur und die Ziele der neuen AEC-Gruppierung.

Umwelt hinten an?

Logo Rosneft (Foto: DMITRY KOSTYUKOV/AFP/Getty Images).
Die Teilnahme des Ölkonzerns Rosneft passt nicht jedemBild: Getty Images

Für Kanada spielt die Wirtschaft eine starke Rolle beim Aufbau der Region Arktis. Das wird die Umweltlobby alles andere als beruhigen - schließlich wird das nordamerikanische Land oft für seine Unterstützung der Industrie angegriffen, die große Risiken für die Umwelt mitbringt, Teersand oder Fracking zum Beispiel. Auch dafür, dass die Regierung internationale Klimaschutzbemühungen bremse. Die Teilnahme von Andrey Shishkin etwa, Vizepräsident des russischen Ölkonzerns Rosneft, an dem Wirtschaftsrat, wird diejenigen auf die Palme bringen, die sich über die möglichen Auswirkungen des arktischen Ölgeschäfts auf die Umwelt sorgen.

Finnland möchte den Vorsitz über den Wirtschaftrat übernehmen, obwohl die Gruppe eine reine Geschäftsinitiative und kein Regierungsprojekt sein soll. In einer Pressemitteilung vom finnländischen Außenministerium spielt der Umweltschutz eine untergeordnete Rolle bei den Bemühungen, "Handelshindernisse" abzubauen.

In einem Vorbereitungspapier des Arktischen Rates wird der Umweltschutz erst an sechster - der letzten - Stelle und in Zusammenhang mit "der Maximierung des Potenzials für wirtschaftliche Aktivitäten in der Arktis" erwähnt.

Kommerz und Umwelt in Einklang bringen

Umweltverbände sind besorgt, dass die Umweltaspekte zunehmend in den Hintergrund treten werden, während Firmen auf Lockerungen von Schutzbestimmungen pochen könnten. Da sich die Arktis mehr als doppelt so schnell wie der Rest der Erde erwärmt, könnte die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung die Bemühungen um Umweltschutz und Sicherheit vor Schiffsunglücken oder Ölunfällen überholen.

Greenpeace-Arktisexperte Hamilton sieht im Gründungsdokument des AEC "die Rahmenbedingungen für eine neue Ära der Ausbeutung der Arktis, ohne Rücksicht auf den Umweltschutz". Gleichzeitig negiere der Arktische Rat seine eigene Funktion: gerade den Schutz der Umwelt.

Er appellierte an den Arktischen Rat, der Zivilgesellschaft ähnliche Privilegien wie der Geschäftsallianz einzuräumen, indem er die Bedingungen für den Beobachterstatus im Rat lockere.

Das Treffen in Iqaluit geht am 3. September 2014 zu Ende. In den kommenden Monaten wird der Arktische Rat seine Beziehung zu dem neuen Rat, den er selbst ins Leben gerufen hat, klarstellen müssen. Der Zusammenschluss der Arktisländer muss vor allem zeigen, wie er den zunehmenden Drang nach der kommerziellen Erschließung des hohen Nordens mit dem Schutz der Umwelt in Einklang bringen will.