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Was erwartet die Kultur von Claudia Roth?

8. Dezember 2021

Zum Start erhält Deutschlands neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth freundlichen Applaus aus Kunst und Kultur - verbunden mit Wünschen und Hoffnungen.

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Die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth
Die neue Kulturstaatsministerin Claudia RothBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Igor Levit zeigte seine Freude über den Amtsantritt der neuen Kulturstaatsministerin auf buchstäblich herzliche Weise: Per Tweet schrieb der Pianist "Welcome, liebste Claudia" - eingefasst von vier Herzen in Grün. Das passt, denn Claudia Roth selbst spricht von einem "wahren Herzensauftrag". Für sie beginne jetzt eine neue Zeit der Verantwortung für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt. "Ein Kreis schließt sich in meinem Leben", so Roth am Mittwochmorgen (08.12.2021) beim Besuch des Berliner Denkmals für die ermordeten Sinti und Roma Europas, wo die 66-Jährige noch vor Amtsantritt Blumen niederlegte.

Schon zu Wochenbeginn, als die Vorsitzenden der Regierungsparteien Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Christian Lindner (FDP) den unterschriebenen Koalitionsvertrag präsentierten, war damit auch Claudia Roths Berufung besiegelt: Die Grünen-Politikerin wechselt von der Präsidentenbank des Bundestages ins Berliner Kanzleramt. Als Nachfolgerin von Monika Grütters (CDU) ist sie jetzt Chefin einer Bundesbehörde mit aktuell 390 Mitarbeitenden - und als Kulturstaatsministerin direkt dem neuen Kanzler Olaf Scholz unterstellt.

Erinnerungskultur mit großem Stellenwert

Roth kündigte laut "Süddeutscher Zeitung" anlässlich der Verkündung des Mitgliedervotums ihrer Partei zum Koalitionsvertrag schon einmal an, "der Erinnerungskultur einen großen Stellenwert einzuräumen in einer Zeit, in der es Fackelmärsche gibt" - womit sie auf jüngste Protestaktionen von Impfgegnern in Sachsen und Thüringen anspielte. Auch versprach Roth, sie werde für eine gesellschaftliche Gruppe eintreten, die die Pandemie besonders hart getroffen habe: "die Kulturleute".

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen KulturratesBild: Felix Zahn/photothek/picture alliance

Auf dem Höhepunkt der vierten Corona-Welle, die vor allem dem Kultursektor schwer zu schaffen macht, scheint das auch dringend nötig. Darauf verweist der Deutsche Kulturrat.  Sein Geschäftsführer Olaf Zimmermann heißt Claudia Roth als "Politikprofi mit Kulturerfahrung" willkommen; er freue sich auf die Zusammenarbeit. "Gerade jetzt braucht der Kulturbereich eine solche Expertin, die politische Mehrheiten besorgen und positive Rahmenbedingungen für die Kultur schaffen kann", so Zimmermann zur Deutschen Welle.

Besonders wichtig sei es, die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler zu verbessern. Auch müssten die Kultur- und Kreativwirtschaft gestärkt, außerdem der Bundeskulturfonds und die Bundeskulturstiftung zu Innovationstreibern ausgebaut werden, heißt es ergänzend auf der Website des Deutschen Kulturrates

Auf eine Stärkung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) hofft derweil deren Präsident Hermann Parzinger. Die Reform der gemeinsam vom Bund und den 16 Ländern finanzierten Kultureinrichtung, zu der Museen, Bibliotheken, Archive und Forschungsinstitute gehören, war schon unter Roths Vorgängerin Monika Grütters ein Diskussionsthema. "Wir hoffen, dass bis zum Sommer 2022 klar ist, wie die neue SPK aussieht und wie der Verbund Staatliche Museen zu Berlin", schreiben SPK-Chef Parzinger und Museumsdirektor Matthias Wemhoff nun in einem gemeinsamen Zeitungsbeitrag. Ihnen zufolge fehlt Geld für Ausstellungen, Forschung und Personal. "Insofern richten sich unsere Blicke auf die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth und ihre Ministerkolleginnen und -kollegen in den Ländern."

Claudia Roth mit ihrer Vorgängerin Monika Grütters
Claudia Roth mit ihrer Vorgängerin Monika GrüttersBild: DW/K. Danetzki

Das fordert die Filmbranche

Für Deutschlands Filmbranche hofft Ulrich Matthes, Schauspieler und Präsident der Deutschen Filmakademie, auf weitere Unterstützung. Im Sommer 2020 hatte bereits die alte Bundesregierung ein Corona-Hilfsprogramm für die Kultur aufgelegt, Titel: "Neustart Kultur". Nun müsse aber ein "grundsätzlicher Dialog über die Zukunft des deutschen Kinos" geführt werden", so Matthes im Interview der Tageszeitung "Die Welt". Und Martin Moszkowicz, Chef der deutschen Kinofirma Constantin, verlangt in derselben Zeitung eine "Neujustierung des Filmfördersystems".

Dagmar Schmidt vom Bundesverband Bildender Künstler erinnert die neue Kulturstaatsministerin daran, dass Künstlerinnen und Künstler endlich angemessen bezahlt werden sollten. "Die existentielle Not Kreativer - nicht nur in der Corona-Krise, sondern strukturell - ist offensichtlich im politischen Bewusstsein angekommen", so Schmidt auf der Website des Verbandes. Der BBK freue sich auf den Diskurs mit der Politik.

Lob vom Zentralrat der Juden

In der Literatur- und Buchbranche kann die neue Kulturstaatsministerin auf bestehenden Förderungen - unter anderem über zahlreiche Buchpreise - aufbauen. Ganz anders beim Theater, Roths einstigem Studienthema: Hier liegt die Zuständigkeit überwiegend bei den Ländern. Doch profitieren viele Theater auch von dem Pandemie-Rettungsschirm. Er soll fortgeführt werden, wie die Koalitionäre in ihrem Koalitionsvertrag bereits angekündigt haben.

Lob für das Koalitionspapier kommt auch vom Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Man wisse es zu schätzen, dass dem jüdischen Leben in Deutschland erstmals ein eigener Absatz gewidmet wurde und die Erinnerung an die Shoa sowie die Aufklärung darüber "einen gebührenden Raum" im Koalitionsvertrag einnehme, betonte Schuster. "Eine erfolgreiche Bekämpfung von Rechtsextremismus und Antisemitismus ist für die Zukunft Deutschlands von entscheidender Bedeutung."

Claudia Roth bei einer Rede vor Grünen-Delegierten
Claudia Roth bei einer Rede vor Grünen-DelegiertenBild: Stefan Puchner/dpa/picture alliance

Appell des PEN-Zentrums

Die Schriftstellerin und Theaterregisseurin Astrid Vehstedt ist "Writers-in-Exile"-Beauftragte und Vizepräsidentin des deutschen PEN-Zentrums. Sie appelliert an Claudia Roth, das Stipendiatenprogramm des PEN nicht nur weiter zu unterstützen, sondern die Zuschüsse möglichst aufzustocken. "Es brennt an allen Ecken und Enden in der Welt", so Vehstedt im DW-Interview.

Derzeit ermöglicht das Writers-in-Exile-Programm zwölf verfolgten Autorinnen und Autoren einen sicheren Aufenthalt in Deutschland, darunter der türkischen Schriftstellerin Aslı Erdoğan, der Syrerin Kholoud Charaf und der weißrussischen Lyrikerin Volha Hapeyeva.

"Claudia Roth kennt als ehemalige Dramaturgin und Kulturmanagerin die künstlerische Produktion von innen", erklärt schließlich der scheidende Intendant der Berliner Festspiele, Thomas Oberender, auf DW-Anfrage, "das ist eine kostbare Qualifikation für ihr neues Amt." Als Staatsministerin der Grünen könne sie "der Umgestaltung von Kultureinrichtungen in Richtung nachhaltiger und sozial gerechter Betriebssysteme viel Unterstützung" geben. Oberender: "Rock 'n' Roth liegt in der Luft."