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Neue Herausforderungen durch Flüchtlinge

Kay-Alexander Scholz, Berlin5. August 2016

Das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" fordert die Politik auf, mit internationalen Konflikten anders umzugehen. Auch für die eigene Arbeit würden sich durch die Flüchtlingskrise neue Herausforderungen ergeben.

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Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von "Brot für die Welt" (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/W. Kastl

Die Flüchtlingskrise im Nahen und Mittleren Osten verändert auch die Arbeit von Entwicklungshilfeorganisationen wie "Brot für die Welt". 86 Prozent der Flüchtlinge hätten Zuflucht in einem Entwicklungsland gefunden, sagte die Präsidentin des Hilfswerks der evangelischen Kirchen in Deutschland, Cornelia Füllkrug-Weitzel, bei der Bilanz-Pressekonferenz in Berlin. Eine der zentralen Aufgaben des nächsten Jahrzehnts werde daher die Unterstützung für Binnenvertriebene oder für Flüchtlinge sein, die in Nachbarländern in der Region Schutz suchten.

Dort brauchten sie langfristige Perspektiven - also Jobs, Gesundheitsversorgung und Bildung. Doch daran mangele es meist schon unter den Einheimischen. Die Gastgeberländer bräuchten also Entwicklung ihrer Infrastruktur und Ökonomien, um Flüchtlinge zu versorgen und Integration zu ermöglichen.

Im Jahr 2015 habe man in den Anrainerstaaten Syriens sehen können was passiert, "wenn Menschen dauerhaft unterversorgt und zu lange ohne Integrationsperspektive unter unzumutbaren Bedingungen ausharren müssen", so Füllkrug-Weitzel. "Dann sehen sie sich erneut zur Flucht gezwungen."

Im vergangenen Jahr standen "Brot für die Welt" ingesamt 255 Millionen Euro zur Verfügung, eine leichte Steigerung gegenüber dem Vorjahr 2014. Je ein Fünftel der Summe stammte aus Spenden und Kirchensteuer. Der Rest kam aus dem Bundeshaushalt. Damit wurden in Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort Projekte in mehr als 90 Ländern weltweit gefördert.

Keine Entwicklungshilfe für Armeen

"Brot für die Welt" fordert die Bundesregierung und andere Industrieländer auf, vor dem Hintergrund der vielen Hilfesuchenden ihre Entwicklungsarbeit wirtschafts- und friedenspolitisch zu überprüfen. Entwicklungshilfe dürfe nicht zur kurzfristigen Abwehr von Flüchtlingen missbraucht werden. "Dass Passageländer zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten deklariert werden und für die Rücknahme von Flüchtlingen Entwicklungshilfemittel zur Kompensation oder für den Bau von Grenzschutzmaßnahmen vergeben werden", hieß es, sei falsch.

Kritik äußerte Füllkrug-Weitzel auch in Richtung EU-Kommission. Es sei skandalös, wenn Diktaturen Ausrüstung und Entwicklungsgelder dafür erhielten, Menschen daran zu hindern, aus dem Land zu fliehen. EU-Planungen, wonach aus dem Topf für Krisenprävention Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe für Armeen afrikanischer Staaten fließen sollen, seien ein falsches Signal. Dem sollte sich die Bundesregierung mit Nachdruck widersetzen.

Abschottungspolitik ist falsche Antwort

"Brot für die Welt" fordert, bei Strategien zur Krisenbewältigung den Fokus auf eine möglichst nachhaltige Bekämpfung von Fluchtursachen zu legen und liegt dabei mit der Bundesregierung auf einer Wellenlinie. Die Sicherheit und Lebensbedingungen der Menschen müssten in den Herkunftsländern nachhaltig verbessert werden, sagte Füllkrug-Weitzel.

In vielen Ländern Europas aber habe leider etwas anderes stattgefunden, "nicht der erweiterte Blick auf die globalen Herausforderungen, sondern das Fördern von nationalistischen und Abschottungstendenzen".

Türkei nicht im Stich lassen

Wie sollte die EU im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Flüchtlingsabkommen auf die innenpolitische Entwicklung in der Türkei reagieren? Entscheidend für "Brot für die Welt" sei, dass Geld, dass der Integration und Unterstützung von Flüchtlingen gewidmet ist, nicht infrage gestellt werde. Wobei ein Monitoring, ob dieses Geld auch tatsächlich so verwendet wird, wichtig sei.

Der Türkei mit den vielen Flüchtlingen im Land sollte weiterhin geholfen werden. Die EU dürfe hier nicht die Fehler wiederholen, die in Griechenland gemacht wurden, das nicht ausreichend bei der Bewältigung des Flüchtlingsansturms unterstützt worden sei.

"Deutschland verhindert Vorgaben für Unternehmen"

Eine Antwort auf die Zunahme von internationalen Konflikten sei auch in einer "kohärent friedensverträglichen Politik" zu suchen, fordert "Brot für die Welt". Deshalb spricht sich die Organisation für ein Exportverbot für Kleinwaffen in Krisenregionen und Diktaturen aus. Unternehmen sollten - zweitens - von der Politik gezwungen werden, Investitionen in Hinblick auf Friedensverträglichkeit und Vereinbarkeit mit menschenrechtlichen Standards zu prüfen.

Zwar arbeite die Bundesregierung gerade an einem "Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte". Leider aber zeichne sich ab, dass darin erneut nur unverbindliche Appelle an deutsche Unternehmen niedergeschrieben würden. Verbindliche Vorgaben und mögliche Sanktionen würden vor allem vom Bundesfinanzministerium torpediert, so Füllkrug-Weitzel.

Bei den Vereinten Nationen würde derzeit an einem ähnlichen, internationalen Abkommen gearbeitet. Leider aber boykottiere Deutschland diese Verhandlungen im Interesse der Unternehmen.