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Politik

Horsts neue Heimat

Kay-Alexander Scholz
13. Februar 2018

Neu ist die Idee nicht, Infrastrukturpolitik unter dem Label "Heimat" zu machen. Nun gibt es Pläne für ein deutsches Heimatministerium. Manche macht das nervös. Auch, weil Horst Seehofer Chef werden soll.

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Deutschland Koalitionsverhandlungen PK Horst Seehofer
Horst Seehofer: Vom bayerischen Ministerpräsident zum Heimatminister Bild: Reuters/C. Mang

So richtig Fahrt aufgenommen hat die Diskussion über ein Heimatministerium in Deutschland mit dem Erstarken der "Alternative für Deutschland" (AfD) rund um die Bundestagswahl im Oktober. Die Rechtspopulisten verkauften sich als "Schutzpartei für die deutsche Heimat". Da Politik auch heißt, Begriffe für sich zu reklamieren, wollten sich die anderen Parteien den Begriff "Heimat" nicht so einfach wegnehmen lassen.

Vor allem CSU-Politiker der bayerischen Schwesterpartei der CDU warben dafür, wie jüngst auch Markus Söder. Er ist designierter Ministerpräsident in Bayern und hat schon selbst Erfahrungen als "Heimatminister" sammeln können. In Bayern nämlich hatte die CSU-Landesregierung bereits im Jahr 2013 - vor der Flüchtlingskrise 2015/16 und der AfD - ein Heimatministerium eingerichtet. "Dezentralisierung" lautete das neue Zauberwort: Bayern verteilte Behörden und mehrere tausend Verwaltungsjobs über das Land.

Markus Söder soll Bayerischer Ministerpräsident werden
Markus Söder: Heimatminister mit ErfahrungBild: Getty Images/AFP/C. Stache

Nun sei insbesondere für die neuen Bundesländer, wo die AfD wachsende Erfolge verzeichne, ein Heimatministerium wichtig, argumentiert Söder. "Denn immer dort, wo Regionen vernachlässigt werden und Strukturen einbrechen, ziehen sich mit der Zeit auch demokratische Parteien zurück." Man müsse aufpassen, so Söder, dass dort dann "nicht andere das Feld übernehmen".

Aber auch der Bundespräsident griff am "Tag der Deutschen Einheit" das Trendwort auf. "Ich bin überzeugt, wer sich nach Heimat sehnt, der ist nicht von gestern", sagte der Sozialdemokrat Frank-Walter Steinmeier im Oktober. "Je schneller die Welt sich um uns dreht, desto größer wird die Sehnsucht nach Heimat." Das dürfe man nicht dem rechten Rand überlassen.

Neues Superministerium geplant

Die mögliche neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD möchte nun ein solches Heimatministerium auch im Bund einrichten. Obwohl kein wirklich eigenes Ministerium, sondern ein - erweitertes - Innen-Ministerium geplant ist. Dafür soll es rund 100 neue Stellen und einen Staatssekretär geben. Alles ist aber noch unter Vorbehalt. Schließlich gibt es noch immer keine ordentliche neue Regierung.

Deutschland Koalitionsverhandlungen PK Horst Seehofer
Horst Seehofer: Vom bayerischen Ministerpräsident zum Heimatminister Bild: Reuters/C. Mang

Chef des Ministeriums soll der scheidende bayerische Ministerpräsident und CSU-Politiker Horst Seehofer werden. Anders als in Bayern aber soll der wichtige Internetausbau nicht vom Heimatministerium organisiert werden, sondern im Verkehrsministerium bleiben. Dazu kommen dafür die strategisch wichtigen Bereiche Bau und Raumordnung. Zusammen genommen zeichnet sich rund um Seehofer ein neues Super-Ministerium ab.

Deutschland Einweihung Neubau Bundesinnenministerium
Eingang zum Bundesinnenministerium in BerlinBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Und zwar auch in der Frage, welchen Stellenwert das Ministerium im Vergleich zu den anderen Bundesministerien haben könnte. Zwei Beispiele: Sollte das Heimatministerium eine Dezentralisierungsstrategie wie in Bayern starten wollen, wären auch die anderen Ressorts betroffen. Denn es müsste entschieden werden, welche Behörden aus welchem Ministerium, wohin verlagert werden könnte. Demografie-Politik ist ein anderes Beispiel. Das Querschnittsthema liegt zwar auch schon jetzt federführend beim Innenministerium. Es könnte nun aber noch wichtiger werden, weil es gut unter die Überschrift "Heimat" passt. Die Kanzlerin wäre sicherlich nicht abgeneigt. Schließlich wird die Diskussion über die Folgen einer älter werdenden Bevölkerung schon seit Jahren von Angela Merkel gepusht.

Zuständig für Flüchtlings- und Asylpolitik

Für Seehofer, 68 Jahre alt, dürfte die Heimat Berlin die vorerst letzte Station seiner Karriere als Berufspolitiker werden. Politisch hat er nichts mehr zu verlieren. In München wird er bald von Söder als Ministerpräsident abgelöst. Der Rückzug vom Vorsitz der CSU wird folgen. Seehofer hatte sich als Hardliner in der Flüchtlingspolitik und als Antipode zu Merkel positioniert. Er war es, der vehement eine Obergrenze für den Zuzug von Menschen nach Deutschland gefordert hatte. Nun hat er eine Bühne, das alles auch umzusetzen. Denn das Thema liegt in der Zuständigkeit des Innenministers, also zukünftig in seinen Händen. 

Noch hat er sich zu diesem heißen Thema allerdings nicht geäußert. Dafür versprach er, dem Trend zur Abwanderung in große Städte entgegenwirken zu wollen. Es sei ein "verhängnisvoller Zug", dass immer mehr junge Leute in prosperierende Regionen umziehen. "Heimat ist eine ganz wichtige Bezugsgröße", sagte Seehofer dazu. Hintergrund für Seehofers Pläne dürfte sein, dass in vielen Zentren Wohnungsnot herrscht. Entschiede sich so mancher Bürger, in seiner kleinen Heimatstadt zu bleiben, würde das den Wohnungsmarkt entspannen helfen.

Kritik: Codewort für Immigrationsabwehr?

Historiker und Autor Paul Nolte
Historiker Paul Nolte: Anderes Wort für GrenzkontrolleBild: picture-alliance/dpa

Seit Bekanntwerden der Pläne gibt es eine rege Diskussion darüber, was vom #Heimatministerium zu erwarten ist. "Heimat ist für mich an ein Euphemismus für Grenzkontrolle und Immigrationspolitik", sagte der Historiker Paul Nolte. Es sei wahrscheinlich sogar ein "Codewort für Immigrationsabwehr". Nolte sieht sich an die USA erinnert. Dort gibt es auch eine Art Heimatministerium, nämlich das Department of Homeland Security, das Ministerium für innere Sicherheit in den USA, das der "Immigrationsabwehr" dient.

Die Türkische Gemeinde befürchtet, dass nicht "Zusammenhalt und Zusammengehörigkeit, sondern Ausgrenzung und Spaltung" gefördert werden. Noch ist es aber zu früh, über das neue Heimatministerium ein Urteil zu fällen.