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Politkowskaja-Mord: Kommt jetzt die Wahrheit ans Licht?

24. August 2011

Zwar ist der mutmaßliche Drahtzieher des Mordes an Anna Politkowskaja gefasst. Doch dass der Fall nun aufgeklärt wird, ist für viele Beobachter nicht ausgemacht.

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Ein Mann legt an einem großen Porträtfoto von Anna Politkowskaja in Moskau eine Nelke nieder (Foto: dpa)
Unvergessen: Anna PolitkowskajaBild: picture alliance/dpa

Es ist eine Mischung aus Genugtuung und Skepsis, mit der ehemalige Kollegen und Menschenrechtler auf die Nachrichten reagieren: Mutmaßlicher Organisator des Mordes an der kremlkritischen Journalistin vor rund fünf Jahren ist der ehemalige Milizbeamte, Oberstleutnant Dmitrij Pawljutschenkow. Er wurde inhaftiert und wird weiter verhört. Der Name des Auftraggebers des Verbrechens sei bislang nicht gefallen, doch die Ermittler gehen davon aus, dass er Pawljutschenkow bekannt ist.

Täter oder Sündenbock?

Ljudmila Aleksejewa von der Moskauer Helsinki-Gruppe (Foto: DW)
Ljudmila Aleksejewa von der Moskauer Helsinki-GruppeBild: DW

Die Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe, Ljudmila Aleksejewa, zeigt sich zwar erfreut, dass die Aufklärung des Mordes an Anna Politkowskaja nun neue Impulse erhalte. Andererseits gibt die Menschenrechtlerin zu bedenken, dass man erst noch die Stichhaltigkeit der Beweise für die Beteiligung des inhaftierten Ex-Milizbeamten an diesem Verbrechen genau untersuchen müsse. Die Ermittler hätten schließlich schon einmal die vermeintlichen Mörder der Journalistin präsentiert, die dann jedoch von einem Geschworenengericht mangels Beweisen freigesprochen wurden.

Damit erinnert Aleksejewa an den Prozess im Jahr 2008, als drei mutmaßliche Tatbeteiligte freigesprochen wurden. Auch 2007 waren schon einmal angebliche Beteiligte festgenommen, mangels Beweisen aber wieder freigelassen worden. Ermittelt wurde bislang nur, wer die Tat ausgeführt haben soll: der Tschetschene Rustam Machmudow. Er gilt laut den Ermittlern als eigentlicher Todesschütze. Ende Mai 2011 wurde er im Nordkaukasus festgenommen. Machmudow soll die Journalistin am 7. Oktober 2006 mit fünf Schüssen vor ihrer Wohnungstür kaltblütig ermordet haben.

Doch wer steckt hinter der Tat? Ist Pawljutschenkow wirklich der Mann, der Machmudow anheuerte? Und wer hatte ein Interesse an der Ermordung der Journalistin? Zweifel hegt die Menschenrechtlerin vor allem wegen der Person des Verdächtigen. "Es heißt, der Festgenommene sei ein ehemaliger Milizbeamter. Doch im Fall Politkowskaja riecht es förmlich nach einer Beteiligung des Inlandsgeheimdienstes FSB", findet Aleksejewa. "Daher habe ich die Befürchtung, dass es nur vordergründig darum geht, jemanden zu finden, der tatsächlich an dem Verbrechen beteiligt war, sondern vielmehr darum, den FSB reinzuwaschen, der bei uns, wie man weiß, über dem Gesetz steht."

Skepsis bei Beobachtern

Sergej Sokolow von der russischen Zeitung Nowaja Gazeta
Sergej Sokolow von der russischen Zeitung Nowaja GazetaBild: Sergej Morozow

In der Redaktion der Nowaja Gazeta, in der Anna Politkowskaja arbeitete, gehen die Meinungen auseinander. Im Gespräch mit DW-WORLD.DE äußerte der stellvertretende Chefredakteur Sergej Sokolow, dass er den jetzt inhaftierten Pawljutschenkow schon lange im Verdacht habe, an der Ermordung seiner Kollegin beteiligt gewesen zu sein. "Soweit ich die Sache sehe, haben die Ermittler nun ausreichend tragfähige Beweise, die Pawljutschenkow entlarven. Aber es steht außer Frage, dass seine Schuld erst noch bewiesen werden muss", argumentiert Sokolow.

Der Redakteur der Nowaja Gazeta, Dmitrij Muratow, beurteilt die Ereignisse zurückhaltender. "Mich macht die Geschwindigkeit stutzig, mit der man - kaum dass der vermeintliche Organisator des Verbrechens gefasst ist - über den Auftraggeber zu reden beginnt." Ljudmila Aleksejewa teilt die Befürchtungen des Zeitungsredakteurs, dass anstelle des Drahtziehers wieder einmal nur ein Sündenbock präsentiert werden könnte. Sie zeigt sich im Gespräch mit DW-WORLD.DE überzeugt, dass die Eile der Ermittler nicht von ungefähr komme. Die Menschenrechtlerin erklärt, der Mordfall Anna Politkowskaja sei nach wie vor ein Politikum. Der Wunsch, ausgerechnet jetzt Resultate zu zeigen, ergebe sich aus den nahenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Russland. "In diesem Jahr finden die Wahlen statt, und es kommt Bewegung in symbolträchtige Fälle, weil die Öffentlichkeit unzufrieden ist."

Autoren: Jegor Winogradow, Birgit Görtz

Redaktion: Bernd Johann