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"Eine Kandidatur wäre eine große Ehre"

Schanna Nemzowa / mo21. September 2016

Wieder kommen keine Oppositionsparteien ins russische Parlament. Kreml-Kritiker Alexej Nawalny im Interview mit der Deutsche Welle über die Duma-Wahl und seinen Kampf, wieder kandidieren zu dürfen.

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Russland Oppositionsführer Alexej Nawalny Foto (AP Photo/Pavel Golovkin)
Bild: picture-alliance/AP Photo/P. Golovkin

Der Blogger und Rechtsanwalt Alexej Nawalny konnte an den Wahlen zur Staatsduma nicht teilnehmen - wegen einer Bewährungsstrafe, hinter der Beobachter den Kreml vermuten. Nawalny wies die Vorwürfe zurück und zog gegen Russland vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der verurteilte die Bewährungsstrafe für Nawalny und nannte sie "willkürlich". Nawalny bezeichnet seine Partei als einzig wirklichen Konkurrenten der Kreml-Partei "Einiges Russland".

DW: Ist die niedrige Wahlbeteiligung Grund für die Niederlage der Opposition?

Alexej Nawalny: Die Wahlbeteiligung war gering, weil bei den Wahlen keine wirklich oppositionellen Kräfte vertreten waren. "Jabloko" und "Parnas" haben gute Kandidaten, aber es gibt keine Macht auf Erden, die ihnen helfen kann, die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. Das ist in den vergangenen 16 Jahren nicht gelungen.

Sie beklagen, dass es in der russischen Politik nur noch "Mumien" gibt und kein Generationswechsel stattfindet. Liegt das an der mangelnden Pressefreiheit und geringem politischen Wettbewerb?

Das Problem ist, dass der Kreml keine neuen Parteien bei Wahlen zulässt. Auch ich werde gar nicht erst zugelassen. Nur ein einziges Mal konnte ich kandidieren und erzielte ein gutes Ergebnis. Jeder Dritte in Moskau gab mir (bei der Bürgermeisterwahl 2013 - Anm. d. Red.) seine Stimme. Danach ließ man mich nicht mehr antreten. Wir müssen es schaffen, dass unabhängige Kandidaten zugelassen werden. Wenn das nicht gelingt, sollte man die Wahlen boykottieren.

In ihrem Programm fordern Sie auch die Entfernung von politisch vorbelasteten Staatsdienern. Gibt es weltweit erfolgreiche Beispiele, die dafür sprechen?

Es gibt positive und negative Beispiele. Schauen Sie, wie kompliziert dieser Prozess in der Ukraine verläuft. Ich möchte aber auch betonen, dass es sich nicht um Millionen von Menschen handelt: Unsere Partei hat ein Projekt, eine Art Schwarze Liste, auf die wir Menschen setzen, die für konkrete Verbrechen verantwortlich sind, wie unrechtmäßige Gerichtsurteile und Behördenentscheidungen sowie Fälschungen. Auf dieser Liste stehen zurzeit etwa 600 Personen.

Ein weiterer Punkt Ihres politischen Programms ist die Krim-Frage. Sie halten das Referendum im Jahr 2014 über den Anschluss der Halbinsel an Russland für nicht legitim. Dennoch sagen Sie, dass das Volk der Krim selbst über sein Schicksal entscheiden soll. Aber gemäß den ukrainischen Gesetzen müsste darüber doch das gesamte ukrainische Volk entscheiden.

Es gibt das Recht der Nationen auf Selbstbestimmung. Aber das kann nicht dazu führen, dass sich schon morgen beispielsweise Jakutien Bulgarien anschließt. Laut japanischem Recht sind die Südkurilen-Inseln Teil Japans. Der Gazastreifen ist nach israelischem Recht etwas völlig anderes als nach den Gesetzen des Gazastreifens. Putin hat leider einen territorialen Konflikt geschaffen - nach dessen Lösung man Jahrzehnte suchen wird.

Sie stehen hinter vielen Korruptions-Recherchen. Für Aufsehen sorgte der Film "Tschajka" über das Umfeld des russischen Generalstaatsanwalts Jurij Tschajka. Vor Kurzem erschien ein Film über die Datscha von Premier Dmitri Medwedew. Warum bringt das Thema Korruption die russische Öffentlichkeit nicht zum Kochen?

Das Thema Korruption bringt die Öffentlichkeit durchaus zum Kochen. Es ist das wichtigste politische Thema. Putin führt doch Pseudo- und Schauprozesse gegen die Korruption, lässt Gouverneure verhaften und Vieles mehr. So reagiert er auf die Nachfrage der Öffentlichkeit. Leider führt dieser Scheinaktionismus nicht zu großen Demonstrationen.

Unter normalen politischen Bedingungen hätte der Film "Tschajka" zu einer politischen Krise und einem Regierungswechsel geführt. In Russland ist das nicht passiert, weil es ein autoritär regiertes Land ist. So etwas passiert auch nicht in Usbekistan, Weißrussland oder Simbabwe, weil die Menschen dort Angst haben, dass sie bei Protesten auf offener Straße erschossen werden.

Wollen Sie bei den Präsidentschaftswahlen 2018 kandidieren?

Eine Präsidentschaftskandidatur wäre eine große Ehre. Für mich geht es aber nicht um Präsidentschafts-Ambitionen. Ich möchte um eine Führungsposition kämpfen, egal auf welcher Ebene. Aber erst muss ich erreichen, dass ich überhaupt antreten darf. Das ist auch wichtig für die Menschen, die mich unterstützen und sich eine Alternative wünschen.

Das Gespräch führte Schanna Nemzowa