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Politik

NATO: Neue russische Raketen bedrohen Europa

15. Dezember 2017

Die NATO hat sich nun offiziell der Einschätzung der USA angeschlossen, wonach sich Russland nicht mehr an ein entscheidendes atomares Abrüstungsabkommen aus den 1980er Jahren hält. Russland sieht das genau umgekehrt.

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Russland Iskander-M Marschflugkörper
Eine russische Cruise Missile vom Typ Iskander-M - ein Vorläufer der neuen Rakete, die die NATO als SSC-8 bezeichnetBild: picture-alliance/dpa/Tass/Y. Smityuk

Es geht um den Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty / INF-Vertrag), der 1987 den Grundstein für die Verschrottung der landgestützten atomaren Mittelstreckenraketen legten und damit das Ende einer ganzen Waffensparte einläutete - und um ein Raketensystem mit dem Namen SSC-8: "Die Alliierten haben ein russisches Raketensystem identifiziert, das ernsthafte Bedenken erregt", erklärte die NATO dazu in Brüssel.

NATO fordert Russland zum Dialog auf

In der Erklärung fordern die 29 Bündnisstaaten die Führung in Moskau "dringend auf, sich zu diesen Bedenken substanziell und transparent zu äußern und aktiv einen technischen Dialog mit den USA zu führen". Die USA hielten ihre Verpflichtungen aus dem bilateralen INF-Vertrag ein. "Die Alliierten betonen, dass eine Situation, in der die USA und andere Parteien den Vertrag einhalten und Russland nicht, schwerwiegende und dringende Besorgnis auslösen würde", erklärte die NATO weiter. 

Belgien NATO Stoltenberg
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in BrüsselBild: picture-alliance/AP Photo/V. Mayo

Bereits Ende vergangener Woche hatten die Vereinigten Staaten Russland wegen Verletzung des INF-Vertrags mit Konsequenzen gedroht. Das US-Außenministerium warf der russischen Regierung in einer Stellungnahme vor, den Vertrag bereits seit 2014 durch die Entwicklung eines neuen Systems zu verletzen. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtete in diesem Zusammenhang, dass die USA innerhalb der NATO auf eine Verurteilung Russlands wegen möglicher Verstöße gegen den INF-Vertrag dränge. Deutschland sei jedoch gegen ein schnelles Vorgehen der NATO gegen Russland, auch gegen eine scharfe Verurteilung.

NATO-Generalsekretär begrüßt Einigung der Bündnispartner

Nun haben sich die USA in der NATO offenbar zumindest teilweise durchgesetzt. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte die Einigung der Bündnisstaaten. "Der INF-Vertrag ist ein Grundpfeiler der Sicherheitsordnung und der Rüstungskontrolle in Europa", sagte er. Deswegen sei es außerordentlich wichtig, an ihm festzuhalten. Die NATO wolle jetzt daran mitarbeiten, Russland zur Vertragstreue zu bewegen.

Ob bei einer ausbleibenden Reaktion Sanktionen drohen könnten, wollte Stoltenberg allerdings nicht sagen. Die USA wollen Russland laut Medienberichten offenbar auch mit Strafmaßnahmen, wie weiteren Wirtschaftssanktionen, zur Einhaltung des INF-Vertrags zwingen.

Putin: USA haben INF-Vertrag bereits verlassen

Das russische Außenministerium kritisierte die NATO-Erklärung. Die Tatsache, dass die Europäer dem Druck der Amerikaner nachgäben, trage nicht dazu bei, eine Lösung der bestehenden Probleme zu finden, sagte der für Rüstungskontrolle zuständige Diplomat Michail Uljanow der Agentur Interfax.

Russland Moskau Präsident Putin bei PK
Russlands Präsident Putin auf seiner jährlichen PressekonferenzBild: Getty Images/AFP/A. Nemenov

Die Verlautbarung der NATO zu einem möglichen Vertragsbruch Russlands erfolgte einen Tag nachdem der russische Präsident Wladimir Putin seinerseits den USA den Vorwurf gemacht hatte, den INF-Vertrag zur Disposition zu stellen. "Es scheint, dass die USA mit einer Propaganda-Kampagne den Boden dafür bereiten, sich womöglich aus dem Abkommen zurückzuziehen", sagte Putin auf seiner jährlichen Pressekonferenz. "De facto haben sie es schon verlassen."

Gleichzeitig äußerte er die Bereitschaft, trotz aller Differenzen mit den USA an der Abrüstungspolitik festzuhalten. Sein Land werde sich nicht auf ein neues Wettrüsten einlassen, betonte der 65-Jährige.

Neues atomares Wettrüsten?

Die USA und Russland verdächtigen sich bereits seit einigen Jahren gegenseitig, den INF-Vertrag zu brechen. Zuletzt waren die Vorwürfe jedoch lauter geworden. Beide Atommächte modernisieren derzeit ihr Kernwaffenarsenal. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel warnte bereits vor einem neuen atomaren Wettrüsten.

Mit dem bilateralen INF-Vertrag verpflichten sich die USA und Russland unter anderem darauf, auf den Bau und Besitz landgestützter atomar bewaffneter Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern zu verzichten. 

Russland Iskander-M Marschflugkörper
Die Reichweite der Mittelstreckenrakete Iskander-M soll knapp unter 500 Kilometer lliegenBild: picture alliance/dpa/Tass/D. Sorokin

NATO-Codename SSC-8: Der Marschflugkörper Iskander K

Über den neuen russischen Marschflugkörper Iskander K, den die NATO mit dem Codenamen SSC-8 bezeichnet, ist bisher wenig bekannt. Er soll atomar und konventionell bestückbar sein und eine Reichweite von 2500 Kilometern haben. Die russische Armee habe im Frühjahr zwei Bataillone SSC-8 in Dienst gestellt, berichtete damals die "New York Times".

ww/fab (afp, ap, dpa, rtr)