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Kopf an Kopf

21. Januar 2008

Die erste Runde der Präsidentenwahl in Serbien hat der extreme Nationalist Tomislav Nikolic gewonnen. Für die Stichwahl wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem prowestlichen Amtsinhaber Boris Tadic erwartet.

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Tomislav Nikolic wird von seinen Anhängern gefeiert, Quelle: AP
Tomislav Nikolic wird von seinen Anhängern gefeiertBild: AP

Die Präsidentschaftswahl in Serbien wird am 3. Februar in einer zweiten Runde entschieden, weil die Kandidaten die nötige absolute Mehrheit verfehlt haben. Aus dem ersten Durchgang ging am Sonntag (20.01.2008) der Euroskeptiker und NATO-Gegner Tomislav Nikolic als Sieger hervor. Wie die Wahlkommission in der Nacht zum Montag mitteilte, kam der Chef der nationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS) auf 39,6 Prozent der Stimmen. Auf den pro-europäischen Amtsinhaber Boris Tadic entfielen 35,5 Prozent. Die Kommission gab die Zahlen frei, nachdem 85 Prozent der Stimmen ausgezählt waren. Schon in Nachwahlbefragungen hatte Nikolic vor Tadic gelegen. Alle anderen Bewerber blieben deutlich dahinter.

Sowohl Nikolic als auch Tadic zeigten sich siegesgewiss. "Wir haben die Grundlage für meinen Sieg im zweiten Durchgang gelegt", sagte der Oppositionsführer vor Anhängern: "Serbien hat gezeigt, dass es Änderungen will." "Das war erst die erste Halbzeit", hielt der im ersten Wahlgang unterlegene Tadic dagegen. So sei es auch bei der letzten Wahl gewesen, als er den zweiten Wahlgang gewonnen habe. "Ich schaue mit großem Optimismus auf die zweite Runde." Er werde nicht zulassen, dass Serbien in die 90er-Jahre zurückkehre, sagte Tadic unter Anspielung auf die Rolle der Radikalen zur Zeit des inzwischen gestorbenen Alleinherrschers Slobodan Milosevic.

Richtungsentscheidung zwischen Russland und dem Westen

Auch Boris Tadic gab sich als Sieger, Quelle: AP
Auch Boris Tadic gab sich als SiegerBild: AP

Obwohl das Präsidentenamt in Serbien vor allem symbolischen Charakter hat, gilt die Wahl als Richtungsentscheidung zwischen EU und NATO einerseits und einer stärkeren Orientierung an Russland andererseits. Tadic forderte die Wähler nach der Wahl auf, im zweiten Durchgang dafür zu sorgen, dass Serbien auf dem Weg in die Europäische Union und in die westliche Militärallianz bleibe. Diesen Weg habe das Land im Jahr 2000 nach dem Sturz von Präsident Slobodan Milosevic eingeschlagen. Tadic und seine Demokatische Partei (DS) wollen Serbien möglichst schnell in die EU führen. Nikolic dagegen unterstreicht die Bedeutung der Beziehungen Serbiens zu Moskau. "Russland ist uns näher", hatte er noch bei der Stimmabgabe gesagt.

Beoabachter erwarten, dass es am übernächsten Sonntag zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Nikolic und Tadic kommen wird. Entscheidend für den Ausgang der Stichwahl sei die Unterstützung des serbischen Regierungschefs Vojislav Kostunica. Der Wirtschaftsminister und Tadic-Anhänger Mladjan Dinkic verlangte von Kostunica diese Unterstützung. "Das ist nur natürlich, dass man seinen Koalitionspartner stützt", sagte er als Reaktion auf das Ergebnis der ersten Runde. Im ersten Durchgang hatte Kostunica trotz seiner Zugehörigkeit zu Tadics Koalition den Nationalisten Velimir Ilic von der Partei Neues Serbien (NS) unterstützt. Tadic und Nikolic standen sich bereits bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2004 in einer Stichwahl gegenüber. Damals hatte sich Tadic knapp gegen Nikolic durchgesetzt. Dessen Serbische Radikale Partei ist die stärkste Kraft im Belgrader Parlament.

Einigkeit in der Kosovo-Frage

Beide Präsidentschaftskandidaten lehnen eine Loslösung des Kosovo von Serbien ab. Noch für das Frühjahr wird mit einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung der zu Serbien gehörenden Provinz gerechnet, die seit dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999 unter UN-Verwaltung steht. Die USA und mehrere EU-Staaten haben bereits angekündigt, dass sie einen künftigen Mini-Staat Kosovo anerkennen werden. Serbiens Verbündeter Russland ist strikt gegen die Unabhängigkeit des Kosovo.

Die Gewinnerin des Eurovision Song Contests 2007 freut sich über den Sieg von Nikolic, Quelle: AP
Die Gewinnerin des Eurovision Song Contests 2007 freut sich über den Sieg von NikolicBild: AP

Laut der Nachrichtenagentur Tanjug waren in den von Serben bewohnten Enklaven im Kosovo am Sonntag 277 Wahllokale geöffnet. Die Bevölkerung im Kosovo ist zu weit mehr als 90 Prozent albanischstämmig. Nach dem Ende des Luftkriegs der NATO unter Beteiligung Deutschlands im Frühjahr 1999 waren die Serben und andere Minderheiten der Verfolgung der unter Milosevic drangsalierten Kosovo-Albaner ausgesetzt. Der Ministerpräsident des Kosovo und ehemalige Kommandeur der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK), Hashim Thaci, sagte, der Ausgang der Wahl in Serbien werde an der baldigen Unabhängigkeit nichts ändern.

EU in der Zwickmühle

Laut dem Zentrum für Freie Wahlen und Demokratie (CESID) beteiligten sich 60,6 Prozent der 6,7 Millionen stimmberechtigten Serben an dem Urnengang - die höchste Wahlbeteiligung seit 2000. Die Wähler seien sich der "politischen Richtungsentscheidung" bewusst gewesen, begründeten Kommentatoren den Ansturm auf die Wahllokale.

Ein Paar in der serbischen Enklave Gracanica im Kosovo gibt seine Stimmen ab, Quelle: AP
Ein Paar in der serbischen Enklave Gracanica im Kosovo gibt seine Stimmen abBild: AP

Das Resultat dürfte die EU in eine Zwickmühle bringen. Die Mehrheit der EU-Mitglieder will die abtrünnige südserbische Provinz Kosovo so schnell wie möglich in die eingeschränkte Selbstständigkeit entlassen. Als Schritt dahin wollen die EU-Außenminister am 28. Januar die Entsendung von knapp 2000 Polizisten, Richtern und Verwaltungsexperten ins Kosovo beschließen. Sie sollen die UN-Verwaltung im Kosovo (UNMIK) ablösen, die seit 1999 die Geschicke dieser fast nur noch von Albanern bewohnten Provinz lenkt. Jede Förderung der Unabhängigkeit Kosovos würde jedoch dem EU-Wunschkandidaten Tadic schaden und gleichzeitig Wasser auf die Mühlen des Extremisten Nikolic bringen. (stu)