1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikNahost

Nahost: Steigende Nachfrage nach "Goldenen Visa"

Cathrin Schaer
13. April 2023

In der Region wird zunehmend versucht, ausländische Investoren durch leichteren Zugang zu Visa oder Staatsbürgerschaften anzulocken. Reichere Bürger von dort versuchen umgekehrt, sich im Ausland eine Existenz aufzubauen.

https://p.dw.com/p/4PuT5
Blick auf den Hafen 'Dubai Marina' am Abend
Blick auf den Hafen 'Dubai Marina' am AbendBild: monticello/Zoonar/picture alliance

Im Jahr 2014 hatte die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) weite Teile des Irak unter ihre Macht gebracht. So sah sich die Journalistin Hiba Ahmad gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. "Um sicher zu leben, brauchte ich einen Ort außerhalb des Irak", sagt sie im Gespräch mit der DW.

Nachdem sie im Internet recherchiert hatte, entschied sich die gebürtige Bagdaderin, eine kleine Wohnung in der Türkei zu kaufen. Bald war nahe Istanbul eine passende Bleibe gefunden. Der Preis: knapp 37.000 Euro. Nachdem der IS im Jahr 2017 besiegt worden war, kehrte Hiba Ahmad in ihre Heimat zurück, reist seitdem aber regelmäßig in die Türkei - insbesondere im Sommer, wenn es in ihrer Heimat sehr heiß ist. "Hier ist es ruhig und friedlich", sagt sie. "Ich bleibe dann für zwei oder drei Monate."

Zwar hat die Türkei vor kurzem die Aufenthaltsbestimmungen verschärft. Doch als Besitzerin einer türkischen Immobilie kann Ahmad ihr Zweijahresvisum regelmäßig verlängern. Ohne die Immobilie erhielte sie nur ein Touristenvisum für einen Monat. Wenn sie wollte, könnte Ahmad sogar die türkische Staatsbürgerschaft beantragen.

Ein irakischer Reisepass wird im Bild gezeigt. Dazu folgende Information: Ein irakischer Pass erlaubt freie Einreise in 27 Staaten; ein Reisepass der EU hingegen erlaubt die freie Einreise in 174 Staaten weltweit
Ungleiche Möglichkeiten: Ein irakischer Reisepass erlaubt freie Einreise in 27 Staaten; ein Reisepass der EU hingegen in 174 StaatenBild: picture alliance/dpa/TASS

Begehrt bei Bürgern und Regierungen

Ahmads türkisches Visum fällt in den Rahmen der so genannten Residency-by-Investment-Programme (RBI), umgangssprachlich oft als "Goldene Visa" bezeichnet.

Zudem gibt es mancherorts sogar die Möglichkeit, gleich eine neue Staatsbürgerschaft durch Investitionen, also gewissermaßen "Goldene Pässe" gegen Bezahlung zu erhalten (Citizenship by investement, CBI). Doch dieser Weg erfordert meist sehr viel Geld, bürokratischen Aufwand und Zeit.

Im Nahen Osten haben sowohl Staaten wie Privatpersonen Interesse an solchen Programmen. Länder, die Goldene Visa oder Goldene Pässe anbieten, wollen auf diese Weise Investitionen fördern und Deviseneinlagen aufstocken. Die Personen hingegen, die sich an diesen Programmen beteiligen, versuchen auf diese Weise politischen Problemen, wirtschaftlichen Turbulenzen oder Konflikten in ihrem Heimatland zu entkommen. Nicht wenige streben auch einen zweiten Reisepass mit erweiterten Reisemöglichkeiten an.

Westliche Länder als Vorbild?

Während in Kanada, den USA und einigen EU-Staaten solche Programme bereits seit längerem existieren, hat die Idee der käuflichen Staatsbürgerschaft im Nahen Osten erst in den letzten fünf Jahren an Popularität gewonnen.

Ägypten etwa hat bereits seit 2020 ein Programm für Staatsbürgerschaft durch Investition (Citizenship by Investment, CBI). Aufgrund seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten und des steigenden Bedarfs an Investitionen und Devisen hat das Land die Bedingungen für den Erwerb des Passes in diesem Jahr noch einmal gelockert.

Die Vereinigten Arabischen Emirate haben seit 2019 ein "goldenes" Visumprogramm. Im vergangenen Jahr wurde es überarbeitet. Seitdem ist es billiger und leichter zugänglich.

Jordanien verfügt bereits seit 2018 über ein CBI-Programm. Katar bietet seit 2020 eine längere, befristete Aufenthaltsgenehmigung an. In Bahrain wurde 2022 ein "Golden Visa Residency"-Programm eigeführt, dem derzeit eine so genannte "Goldene Lizenz" für Großinvestitionen folgt. Auch das sich modernisierende Saudi-Arabien hat in diesem Jahr ein "Premium Residenz"-Programm eingeführt.

Neubauten in Kairo: Ägypten benötigt Investitionen und bietet dafür den Erwerb seiner Staatsbürgerschaft durch Immobilienkauf an
Ägypten benötigt Investitionen und bietet dafür den Erwerb seiner Staatsbürgerschaft durch Immobilienkauf anBild: Friedrich Stark/IMAGO

Gegenläufiger Trend in Europa

"Der Trend im Nahen Osten ist das Gegenteil von dem, was wir in Europa beobachten", sagt Jelena Dzankic, Professorin am Europäischen Hochschulinstitut in Italien und Co-Direktorin des Global Citizenship Observatory. In EU-Staaten wie  Portugal, Griechenland und Zypern liefen entsprechende Programme derzeit derzeit aus. Hintergrund seien mehrere im Zusammenhang mit diesen Systemen bekannt gewordene politische Skandale sowie Risiken, so Dzankic.

Nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine forderte die EU alle Mitgliedstaaten auf, solche Programme abzuschaffen. Ansonsten, so die Sorge, könnten davon russische Staatsbürger profitieren, die die Sanktionen zu unterlaufen trachteten. " Nachdem der europäische Markt nun verschlossen ist, dürften also viele Interessenten Ausschau nach Alternativen halten", so Dzankic.

Freilich ist das Konzept der käuflichen Staatsbürgerschaft auch grundsätzlich umstritten. Kritiker monieren, davon würden nur die Reichsten profitieren. Außerdem bringe es potenzielle Sicherheitsprobleme, überhöhte Immobilienpreise und das Risiko von Korruption und Geldwäsche mit sich.

Menschen vor einem Einkaufszentrum in Dubai
Fußgänger unterschiedlicher Nationalität vor einem Einkaufszentrum in Dubai. Der Ausländeranteil in dem Emirat beträgt rund 90 ProzentBild: RULA ROUHANA/REUTERS

Chancen nur für Wohlhabende?

Dennoch habe sich inzwischen eine regelrechte "Staatsbürgerschaftsindustrie" herausgebildet, sagt Dzankic. Dazu gehöre auch, dass sich international tätige Unternehmen bei nationalen Behörden oft für die Einführung weiterer Vergünstigungen einsetzten.

Auch bei vielen Bürgern in Nahost selbst treffen RBI- und CBI-Programme auf großes Interesse. Insbesondere wohlhabendere Personen aus konfliktbeladenen Ländern wie Libanon, Irak, Libyen und Syrien versuchen, solche Programme zu nutzen, um ins Ausland zu kommen, während ärmeren Menschen oft nur der Weg der ungesetzlichen Migration bleibt.

Zwar gebe es keine exakten Daten über die Nationalität der teilnehmenden Investoren aus Nahost, sagt David Regueiro, in Dubai ansässiger Repräsentant des Investment Migration Council, im DW-Interview.

Wohl aber könne man sagen, dass Investoren aus dem Nahen Osten zu den weltweit aktivsten Nutzern der Visa-Programme zählten. In einigen Ländern stellten sie über drei Viertel aller Antragsteller. "Zu den aktivsten Investoren zählen Personen aus Ländern wie Saudi-Arabien, Kuwait, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, Bahrain, Libanon, Syrien und Iran."

Die meisten der auswandernden Investoren sind wohlhabend. Sie verfügen über ein Nettovermögen zwischen zwei und zehn Millionen Dollar. Ein Viertel allerdings verfüge über deutlich geringere Mittel. "Es stimmt zwar, dass wohlhabende Personen zu den aktivsten Anlegern gehören. Aber auch Menschen mit mittlerem Einkommen zeigen mehr Interesse", so Regueiro.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Einwanderung steuern, geht das?