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"Nach stabiler Regierung sieht es nicht aus"

11. Oktober 2010

Nach der Parlamentswahl im zentralasiatischen Kirgisistan am Sonntag steht das Land vor einer ungewissen Zukunft. Darüber sprach DW-WORLD.DE mit Michael Laubsch von der "EurAsian Transition Group".

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Zentralasien-Experte Michael Laubsch (Foto: Michael Laubsch)
Zentralasien-Experte Michael LaubschBild: Michael Laubsch

DW-WORLD.DE: Herr Laubsch, hat Sie der Ausgang der Wahlen überrascht?

Michael Laubsch: Ja, das hat er auf jeden Fall. Und nicht nur mich. Wir haben eigentlich alle angenommen, dass die Partei "Ata Meken", die älteste Oppositionspartei Kirgisistans von Omurbek Tekebajew, auf einem der vorderen Plätze landen würde. Er gehört ja auch zu den Hauptverantwortlichen des Umsturzes im April. Das stattdessen jetzt die Vaterlandspartei "Ata Zhurt", die Partei der Bakijew-Anhänger, nach den letzten Zahlen die Nummer eins stellt, hat uns doch alle sehr überrascht. Auch im Land selbst ist nach allem, was ich bisher gehört habe, die Überraschung groß. Aber es gibt natürlich auch gewisse Gründe, die schon im Vorfeld dafür gesprochen haben, dass "Ata Meken" und besonders Tekebajew nicht stärkste Kraft werden würden.

Welche Gründe waren das?

Es gab in der jüngsten Vergangenheit gewisse Tendenzen seitens der russischen Medien, Tekebajew bei den kirgisischen Wählern zu desavouieren. Im russischen Fernsehen wurden immer wieder Videos gesendet, die darauf hinwiesen, dass Tekebajew sexuellen Kontakt mit einer Minderjährigen hatte. Das wurde zwar nie bewiesen, aber das russische Fernsehen spielt in Kirgisistan eben eine große Rolle. Daher nehmen wir an, dass dies auch ein Grund für das schlechte Abschneiden Tekebajews und seiner Partei war.

Wie wird es jetzt weitergehen? Wird es eine Koalition der damaligen Bakijew-Gegner geben?

Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ich denke, es kommt jetzt besonders darauf an, wie sich die Partei "Respublika" des Millionärs Omurbek Babanow verhält. Es reicht nicht aus, dass zum Beispiel die Bakijew-Unterstützer von "Ata Zhurt" zusammen mit der doch sehr nationalistischen "Ar Namys" - der Partei des pro-russischen Ex-Geheimdienstlers Felix Kulow - zusammengehen. Das würde rechnerisch nicht ausreichen, um eine Mehrheit im Parlament zu haben. Auf der anderen Seite haben die Sozialdemokraten zusammen mit "Ata Meken" auch keine Mehrheit. Das heißt, die Königsmacher werden eben wohl Babanow und seine "Respublika" sein. Und da ist noch nicht abzuschätzen, welche Entscheidung die Partei treffen wird. Sie könnte einerseits mit den Pro-Bakijew-Parteien und mit "Ar Namys" zusammenarbeiten. Sie könnte andererseits aber auch sagen: Wir unterstützen die Sozialdemokraten und "Ata Meken" als die Reformparteien, die eigentlich den Umsturz erst möglich gemacht haben. Mathematisch gesehen gibt es meiner Meinung nach viele Möglichkeiten. Jetzt bleibt abzuwarten, wie stabil die neue Regierung sein wird und ob sie sich länger als vier oder fünf Monate im Amt halten kann, bevor sie wieder in sich zusammenbricht. Danach sieht es für mich fast aus. Ich würde es so einschätzen, dass durch die jetzt vorliegenden Zahlen und durch das breit gefächerte Parteienspektrum, das im Parlament vertreten sein wird, wahrscheinlich keine allzu stabile Regierung zustande kommen wird.

Michael Laubsch ist Leiter der Nichtregierungsorganisation "EurAsian Transition Group" (ETG) in Bonn.

Das Gespräch führte Thomas Kohlmann
Redaktion: Esther Broders