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Nach Iran-Sanktionen das große Geschäft?

18. Januar 2016

Das Iran-Embargo ist gefallen, ein Markt mit 80 Millionen Menschen wird wieder zugänglich - die deutsche Wirtschaft will an frühere Erfolge anknüpfen und hofft auf Milliardenaufträge. Es bleibt aber ein Risiko.

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Deutschland Iran
Bild: Colourbox

Bundesaußenminister Steinmeier sprach von einem "historischen Tag", nachdem das Iran-Embargo gefallen war - "weil wir in den zwölfjährigen Verhandlungen oft genug am Rande eines Krieges standen". Außerdem sieht er nun neue Chancen für die deutsche Wirtschaft.

"Nach mehr als zehnjähriger Eiszeit fällt nun ein wichtiges Stoppschild." So beschreibt Volker Treier Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), seine Sicht der Dinge. Der Iran müsse seinen Maschinenpark erneuern, den Fahrzeugbau, die Baustoff-Industrie, das Wassermanagement, die Abfallwirtschaft, aber auch das Energiesystem und die Gesundheitsbranche.

Erste Verträge geschlossen

Davon können auch deutsche Geschäftsleute profitieren. Siemens erhofft sich ein Milliardengeschäft, wenn das iranische Eisenbahnsystem erneuert wird. Erste Verträge wurden in der vergangenen Woche bereits unterzeichnet. Auch Mercedes hat für seine Daimler Trucks eine Absichtserklärung mit einem lokalen Partner unter Dach und Fach. In den nächsten drei bis fünf Jahren müssten im Iran rund 56.000 Nutzfahrzeuge erneuert werden, zitierte Daimler das iranische Industrieministerium. Insgesamt seien in den kommenden Jahren dort 200.000 neue Nutzfahrzeuge nötig.

Und wenn neue U-Bahn-Tunnel gegraben werden, hofft der Mittelständler Herrenknecht zum Zuge zu kommen. Der europäische Airbus-Hersteller EADS kann nach Worten von Irans Transportminister Abbas Achundi mit Aufträgen für mittlerweile 114 Flugzeuge rechnen.

Alles in allem rechnen deutsche Wirtschaftsvertreter vor, könne sich der deutsche Export nach Iran in den kommenden drei Jahren auf 5 Milliarden Euro verdoppeln und in fünf Jahren bereits ein Volumen von 10 Milliarden Euro haben.

Noch in den 1970er Jahren lag der Iran laut DIHK für die deutsche Wirtschaft als zweitwichtigster Exportmarkt außerhalb Europas hinter den USA. Dann schrumpfte die Bedeutung stetig: 2005 vor den Sanktionen habe das Land Waren "made in Germany" im Wert von 4,4 Milliarden Euro importiert, 2014 seien es weniger als 2,4 Milliarden gewesen.

Keine große Abhängigkeit vom Öl

Mit der Aufhebung des Embargos hat Iran alle Chancen, wieder zu einem der großen Player in der Region zu werden. Wie der große Konkurrent Saudi-Arabien gehört Iran zum Öl-Kartell Opec. Es verfügt über die vierthöchsten Erdöl- und die größten Erdgasvorkommen der Welt. Zudem sind die Quellen leichter zugänglich als anderswo, dadurch sind die Kosten der iranischen Ölförderung vergleichsweise niedrig.

Der iranische Präsident Hassan Ruhani setzt auf ausländische Investitionen nicht nur im Ölgeschäft - und hält ein Volumen von "30 bis 50 Milliarden Dollar jährlich" für denkbar. Dabei will er die Abhängigkeit vom Öl begrenzen. So soll nach seinen Angaben der Anteil der Öleinnahmen nicht mehr als ein Viertel der Gesamteinnahmen ausmachen.

Trotzdem will Iran deutlich mehr Öl als bisher verkaufen. Die Menge soll von einer Million Barrel auf 2,25 Millionen Barrel täglich mehr als verdoppelt werden. Die Folgen zeigen sich schon jetzt am Markt und reichen bis zur deutschen Tankstelle. Dort gibt es Diesel schon wieder für weniger als einen Euro pro Liter, der Ölpreis ist so niedrig wie seit fast dreizehn Jahren nicht mehr.

Sorgen der Finanzwelt

Eher skeptisch sehen deutsche Banker die Situation. Die meisten Institute würden Iran-Geschäfte erst wieder aufnehmen, wenn es Klarheit darüber gebe, welche Geschäfte genau wieder erlaubt seien, sagte ein Sprecher des Privatbankenverbands BdB am Montag. Es seien schließlich nicht alle Sanktionen aufgehoben worden. Außerdem könnten die Strafmaßnahmen auch jederzeit wieder eingeführt werden, sollte die Islamische Republik gegen die vereinbarten Auflagen verstoßen. "Risikofrei ist es auch nach Aufhebung der Sanktionen nicht."

Doch gerade den Banken kommt eine wichtige Rolle beim Aufbau der Wirtschaftsbeziehungen zu. Sie bieten Zahlungsverkehr und Finanzierungen an und ermöglichen den Unternehmen damit erst, Geschäfte mit iranischen Kunden abzuwickeln. "Die Frage ist nicht, ob der Iran das Geld hat oder nicht, sondern es ist eine Frage der Möglichkeit von Transaktionen", sagte der Leiter der Außenwirtschaft beim Maschinenbauverband VDMA, Ulrich Ackermann.

Auch beim IT-Branchenverband Bitkom herrscht Skepsis. Bis zu den ersten Abschlüssen werde es sicher noch eine Weile dauern, weil im Bankensystem erst die Grundlage für Geldtransfers geschaffen werden müsse, sagte Bitkom-Chef Bernhard Rohleder. "Hinzu kommt die weiterhin angespannte politische Lage im arabischen Raum."

Welchen Weg geht der Iran?

Wie es im Iran selbst weiter geht, das ist in der Tat längst nicht ausgemacht. Kenner des Landes sprechen von einem internen Machtkampf zwischen Reformern und Konservativen. Dieser Machtkampf sei keineswegs entschieden. Ende Februar stehen Wahlen von Parlament und Expertenrat an. Die dürften zur Richtungswahl werden.

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hatte dem Iran am Wochenende bescheinigt, alle Verpflichtungen des Atom-Abkommens vom vergangenen Juli erfüllt zu haben. Die USA und die Europäische Union heben ihre Sanktionen deshalb auf. Nach Jahren der wirtschaftlichen Isolation kann das Land nun unter anderem wieder Öl am Weltmarkt verkaufen und Flughäfen in der EU anfliegen.

ar/iw (dpa, afp, rtr)