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Myanmar hilflos vor Drogenproblem

Verena Hölzl26. Juni 2016

Myanmar ist der zweitgrößte Opiumproduzent der Welt und hat ein massives Problem mit Drogenmissbrauch. Aber außer zweifelhaften Therapie- und Repressionsmaßnahmen fällt auch der neuen Regierung wenig ein.

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Öffentliche Drogenverbrennung bei Yangon (2014) (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Die befreundete Familie hatte fünf Söhne. Vier davon sind inzwischen gestorben. "Die Drogen haben sie getötet", sagt Lasi Gum Jat Nawng von der Kachin Baptist Church. In Myanmars nördlichem Teilstaat Kachin, einer christlich geprägten Region an der Grenze zu China und Indien, ist Heroin so leicht verfügbar wie Zigaretten. Die Kirche schätzt, dass etwa 80 Prozent aller Jugendlichen dort drogensüchtig sind.

Auch der Bruder von Lasi Gum Jat Nawngs Bruder ist süchtig. Der Vater nimmt deshalb auf eigene Faust Drogensüchtige bei sich auf. Er glaubt, sie mit dem Studium der Bibel therapieren zu können. Auch die Baptistenkirche glaubt das und unterhält ein gutes Dutzend Rehabilitationszentren in Myitkyina, der größten Stadt in Kachin. In eingezäunten Lagern aus Bambushütten sperrt man Süchtige dort zum Erstentzug tagelang in einen Verschlag. Anders weiß man sich nicht zu helfen.

Lasi Gum Jat Nawng von der Kachin Baptist Church (Foto: V. Hölzl)
Vier Brüder, Freunde von Lasi Gum Jat Nawng im Kachin-Staat, sind an Drogenmissbrauch gestorbenBild: V. Hölzl

Neue Ära, altes Drogenproblem

Myanmar ist nach Afghanistan der zweitgrößte Opiumproduzent der Welt. Das Geschäft mit den Drogen finanziert den Krieg zwischen Zentralarmee und den bewaffneten Gruppen der ethnischen Minderheiten, der zu den längsten Konflikten der Welt zählt. Die UN schätzt, dass Schlafmohn, die Grundsubstanz von Opium, auf einer Fläche von 550 Quadratkilometern produziert wird. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Produktion verdoppelt. Nach fast einem halben Jahrhundert Militärdiktatur ist Myanmar ein armes Land. Zwei Drittel der Bevölkerung haben keinen Zugang zu Elektrizität, ein Sozialsystem gibt es nicht, jahrzehntelang haben sich nur die Militärs bereichert. Für viele Bauern stellt der Anbau von Schlafmohn die einzige Möglichkeit dar, zu überleben. Seit 2014 versucht die UN deshalb an ausgesuchten Orten Schlafmohn nicht einfach nur auszurotten, sondern durch Kaffeepflanzen zu ersetzen.

Zu drastischeren Methoden greift man bei "Pat Jasan", was soviel heißt wie "klares Verbot". Diese Bürgerwehr ist dafür bekannt, in Kachin Drogensüchtige mit Schlägen zu "therapieren" oder eigenmächtig Drogen-Razzien in Privathäusern durchzuführen. Im Februar zerstörten Mitglieder der Gruppe in einer großangelegten Aktion die Schlafmohnernte zahlreicher Bauern und damit ihre Lebensgrundlage. Die Hilflosigkeit gegenüber der Drogenepidemie ist so groß, dass Kritik an den Aktionen der Hardliner nur erstaunlich zurückhaltend geäußert wird. Auch der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die seit April als erste zivile Regierung nach über 50 Jahren Militärdiktatur an der Macht ist, wird nachgesagt, mit Pat Jasan zu sympathisieren.

Schlafmohnfeld in Myanmar (Foto: picture-alliance/AP Photo)
Schlafmohnanbau im Norden Myanmars an der Grenze zu ChinaBild: picture-alliance/AP Photo

Aktionismus ohne langfristigen Plan

Einen Masterplan der neuen Regierung für den Kampf gegen die Drogen gibt es noch nicht. Die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern China, Laos und Thailand soll weiter ausgebaut werden, so wurde kürzlich bekräftigt, und für Juli ist eine große Friedenskonferenz anberaumt. In der Zwischenzeit feiert man sich selbst mit Etappensiegen. Die NLD-Ministerien setzen derzeit mehrere sogenannte 100-Tages-Pläne um. Einer davon knüpft sich die Kriminalität vor. In Myanmars größter Stadt Yangon wurden in diesem Zusammenhang in den vergangenen Wochen fünf Mal so viele Drogen konfisziert als sonst. Sie landeten am Freitag zusammen mit beschlagnahmten 5,2 Millionen Amphetamin-Tabletten, einem Kilogramm Heroin, 21 Kilogramm getrocknetem Schlafmohnmilchsaft, 50 Kilogramm Hanf und 400 Ecstasy-Tabletten auf einem großen Scheiterhaufen, der wie jedes Jahr zum Weltdrogentag am 26. Juni von der Polizei öffentlichkeitswirksam angezündet wurde.