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Muss das Tote Meer sterben?

Greg Norman
21. März 2017

So weit unter dem Meeresspiegel liegt sonst kein Gewässer. Außerdem ist es berühmt für seine Heilkräfte. Aber das Tote Meer droht zu verschwinden. Es zu erhalten, ist eine komplexe Aufgabe.

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Landschaft mit Blick auf das Tote Meer
Bild: EcoPeace

Gundi Shachal lebt seit 40 Jahren in Ein Gedi, einer saftig grünen Oase in Israel, am Rande der rauen Küste im Südosten des Toten Meeres. Ihr Blick auf das Wasser hat sich in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch verändert.

"1983 haben wir am Strand ein Spa eröffnet. Unsere Gäste konnten einfach aus dem Gebäude rausgehen, ein paar Meter weiter standen sie im Wasser", erinnert sie sich. "Allerdings nicht sehr lange, denn der Wasserspiegel begann zu sinken, und inzwischen müssen wir einen Zug betreiben, der zwei Kilometer Strecke hinunter zum See überbrückt."

Tiefer als das Tote Meer liegt auf der Erde kaum ein Ort, immerhin 430 Meter unter dem Meeresspiegel. Das Wasser verschwindet trotzdem immer mehr. Der See grenzt im Osten an Jordanien, im Westen an Israel und das Westjordanland. Sein Wasserspiegel hat sich immer wieder verändert. Vor etwa 10.000 Jahren lag er sogar noch tiefer als heute. Aber das Wasser sinkt dramatisch, um einen Meter pro Jahr. 

Umweltschützer laufen Sturm gegen die Entwicklung. Sie fürchten, das Meer könnte vollständig verschwinden. Wenn nichts unternommen wird, dann verschwindet nicht nur das Wasser. Zwar lebt im See eigentlich nichts, höchstens Bakterien und mikroskopisch kleine Pilze - der Salzgehalt ist zu hoch, zehnmal höher als in normalem Meerwasser. 

Aber eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren, darunter auch Steinböcke und Leoparden, sind abhängig von den Oasen um den See. Und die gäbe es ohne das Tote Meer nicht.

Außerdem, so sagt die Umwelt-NGO EcoPeace Middle East, würden auch Zugvögel keinen Platz mehr finden, um hier den milden Winter zu verbringen. 

Und Schuld ist der Mensch?

Wer ist verantwortlich für den Zustand dieses einzigartigen Gewässers? Der Klimawandel? Etwas anderes?

Boote auf dem Toten Meer
Obwohl nur Bakterien im salzigen Wasser überleben können, ist das Tote Meer für die Biodiversität in seiner Umgebung wichtigBild: EcoPeace

"Wir können nicht genau sagen, wie sehr der Klimawandel die Niederschlagsmenge beeinflusst - das ist nicht eindeutig genug", sagt Ittai Gavrieli vom "Israel Geological Survey". "Aber wenn Sie nach einem Hauptgrund für die niedrigeren Wasserstände suchen, dann ist das der Verbrauch von Trinkwasser in Israel, Jordanien und Syrien."

Und das wird aus dem Jordan entnommen, dem einst mächtigen Fluss, der auch das Tote Meer speist. Doch riesige Dämme, Kanäle, Pumpstationen, errichtet, um Trinkwasser zu gewinnen, haben den Fluss mancherorts in ein Rinnsal verwandelt. 

"Der Jordan bringt eigentlich knapp 1,3 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr ins Tote Meer", erklärt Mira Edelstein. Sie arbeitet bei "EcoPeace". "95 Prozent davon erreichen heute den See nicht mehr."

Der Mittlere Osten, Jordanien vor allem, gehört zu den wasserärmsten Regionen des Planeten. Spannungen rühren vor allem daher. "Das Problem ist hausgemacht, es ist ein Problem des Mittleren Ostens", sagt Gavrieli. "Und bei allem geht es ums Wasser. Und dafür zahlt das Tote Meer."

Als würde man mit absinken

Die Menschen, die am See leben, spüren den wirtschaftlichen Einfluss ihres toten Gewässers deutlich. Viele Geschäfte hängen direkt von ihm ab, von seinem Reichtum an Mineralien, von seinen sagenumwobenen therapeutischen Fähigkeiten. Man sagt hier sogar, dass der See als Wellnessoase für König Herodes gedient habe, im ersten Jahrhundert vor Christus. 

Eine trockene Landschaft mit einem kleinen Wasserpool
Wenn das Wasser weg ist, bleibt nur eine wüstenähnliche LandschaftBild: EcoPeace

Heute wandeln Millionen von Besuchern auf Herodes' Spuren. Sie hoffen auf Linderung bei Haut- und Atemwegserkrankungen, und natürlich geht es um den perfekten Schnappschuss. Weil der Salzgehalt des Wassers so hoch ist, gehen Schwimmer nicht unter, sie scheinen im Wasser zu schweben. 

Während auf der einen Seite die Menschen Entspannung suchen, entziehen im Süden große Industrieanlagen dem See Minerale und Phosphate. Sie werden in Düngemitteln weiterverwendet. 

Großes Problem gleich große Lösung?

Das Problem des Toten Meeres ist besonders tückisch. Wissenschaftler und Behörden können nicht einfach entscheiden, was sie da eigentlich retten wollen. Den See wieder aufzufüllen, gleichzeitig für Trinkwasser zu sorgen und die Mineral-Industrie zu befriedigen, ist keine leichte Aufgabe. Und dann kommt noch die Politik ins Spiel. 

Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Toten-Meer-Kanal, einer 200 Kilometer langen Rohrleitung, die Wasser vom Roten Meer ins Tote Meer transportiert, über die jordanische Stadt Aqaba. Gleichzeitig verkauft Israel mehr Wasser aus dem See Genezareth an Jordanien. 

Das haut aber alles nicht richtig hin, sagt der Umweltschützer Abed Sultan. Er ist technischer Berater bei "EcoPeace" in der jordanischen Hauptstadt Amman. Vor allem liege das daran, dass die 200 Millionen Kubikmeter, die im Jahr nordwärts gepumpt werden, bei weitem nicht ausreichen würden, um dem Toten Meer zu neuem Leben zu verhelfen. 

Der Jordan-Fluss
Der Jordan ist die Grenze zwischen Israel und seinem Namensbrüder: JordanienBild: cc-by:David Bjorgen-sa

Selbst wenn man genügend Wasser aus dem Roten Meer pumpen würde, könnte das trotzdem schlecht für das Tote Meer als Lebensraum sein. Denn, so Umweltschützer, mixt man das Wasser der beiden Seen, könnten ungeahnte chemische Prozesse in Gang gesetzt werden, die helfen könnten, Algen und Gips zu bilden. Dann wäre das Meer nicht nur tot, sondern auch entweder rot oder weiß. 

Auf lange Sicht, so Sultan, müsse es darum gehen, Wasseraufbereitungsanlagen zu schaffen und den Wasserverbrauch deutlich zu verändern. 

"Wir haben ein Nachhaltigkeitskonzept entwickelt und einen Investitionsplan", sagt er. "Einfach wird das nicht, wir brauchen etwa vier Milliarden US-Dollar (3,7 Milliarden Euro), aber wir müssen eben unseren gesamten Umgang mit dem Wasser ändern. Damit können wir sowohl den Jordan, als auch das Tote Meer retten."

Was auch immer nun passiert, selbst wenn keine Lösung gefunden wird und das Wasser weiter aus dem See verschwindet, völlig trocken wird das Tote Meer nie liegen. Irgendwann würde seine stark salzhaltige Zusammensetzung ein Gleichgewicht mit der ihn umgebenden Atmosphäre eingehen. Das heißt, es würde einfach kein Wasser mehr verdunsten. Der See wäre dann trotzdem nur noch ein Schatten seiner selbst. 

"Wir bleiben einfach optimistisch", sagt Sultan. "Was anderes bleibt uns auch nicht übrig."