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Musharrafs Bilanz mit Licht und Schatten

Thomas Bärthlein 12. Oktober 2004

Pakistans Präsident Musharraf ist umstritten: Militärdiktator für die einen, Kämpfer gegen Terrorismus und Friedensengel zwischen Indien und Pakistan für die anderen. Eine Bilanz, fünf Jahre nach dem Präsidenten-Putsch.

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Richtungswechsel in der Beziehung zum NachbarlandBild: AP

Eine "wirkliche Demokratie" hatte der Armeechef General Pervez Musharraf versprochen, als er am 12. Oktober 1999 die gewählte Regierung unter Nawaz Sharif absetzte. Eine "wirkliche Demokratie", das sollte heißen: Aufräumen mit der Korruption und Vetternwirtschaft der Zivilregierungen beider großer Parteien. Viele Pakistaner waren einverstanden, Proteste gegen Musharrafs Coup gab es kaum.

Inzwischen hat es - vielfach kritisierte - Parlamentswahlen gegeben, auch ein fragwürdiges Referendum, mit dem sich Musharraf als Präsident bestätigen ließ. Ist Pakistan nach fünf Jahren also eine Demokratie? Einiges spricht durchaus dafür, sagt Angelika Köster-Loßack, ehemalige Bundestagsabgeordnete, die jetzt das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung im pakistanischen Lahore leitet: "Insgesamt muss man natürlich sagen, dass es eine freie Presse hier gibt, dass es Versammlungsfreiheit gibt, dass sehr viele Grundbedingungen, die für ein demokratisches Funktionieren notwendig sind, gegeben sind."

Kritische Berichterstattung

Unter Musharraf ist die Medienlandschaft sogar deutlich liberaler geworden: Heute gibt es in Pakistan private, oft kritische Rundfunk- und Fernsehsender.

Aber die Bilanz hat auch Schattenseiten. Besonders umstritten in der pakistanischen Öffentlichkeit: Musharraf wird entgegen aller Versprechungen wohl auch am Jahresende 2004 nicht seine Uniform an den Nagel hängen und seinen Posten als Oberbefehlshaber der Armee aufgeben. Wichtiger, meint Köster-Loßack, sei jedoch die fehlende demokratische Kontrolle etwa bei den Militäroperationen gegen mutmaßliche Terroristen an der Grenze zu Afghanistan. "Es gab dazu große Kritik. Und ich glaube, dass die Anwendung insbesondere von britischem Kolonialrecht, das bis heute mit angewandt wird, und zwar in einer unvorstellbaren Form, dass das schon große Fragen aufwirft."

Schlüsseltag 11. September 2001

Problematisch ist nicht nur, dass die seit Monaten andauernden Offensiven in den paschtunischen Stammesgebieten viele zivile Opfer fordern. Musharraf verliert auch zusätzlich an Ansehen und Legitimität, weil ihn viele in Pakistan als Lakaien der USA sehen.

Der 11. September 2001 war in den fünf Jahren, die Pervez Musharraf jetzt die Geschicke Pakistans lenkt, ein Schlüsseldatum. Musharraf schlug sich nach den Terroranschlägen auf die Seite der USA und verkündete einen Bruch mit islamistischen Gruppierungen, die von weiten Teilen der Armee und der Geheimdienste bis dahin eifrig gefördert worden waren, besonders in Kaschmir und Afghanistan.

Köster-Loßack von der Böll-Stiftung nimmt Musharraf sein Umschwenken durchaus ab, auch wenn der General immer mal wieder aus taktischen Gründen mit islamistischen Parteien paktiert hat: "Das Nachgeben gegenüber sich religiös gebenden politischen Konkurrenten ist ja ein Charakteristikum in der pakistanischen Politik. Und wenn man den religiösen Parteien den kleinen Finger reicht, dann nehmen sie am liebsten die ganze Hand oder beide Hände für ihre eigenen Zwecke."

Keine Alternative

Auch in den pakistanisch-indischen Beziehungen hat Musharraf einen deutlichen Richtungswechsel vorgenommen: Anderthalb Jahre dauert das Tauwetter zwischen den atomar bewaffneten Rivalen inzwischen schon an, zur großen Erleichterung in der Bevölkerung. Bei aller Kritik an Musharraf - in Pakistan könne ihm auch nach fünf Jahren an der Spitze niemand das Wasser reichen, lautet das Fazit von Angelika Köster-Loßack. "Es gibt das Problem, dass in der liberalen Öffentlichkeit und in der politisch interessierten Zivilgesellschaft die Ablehnung weit überwiegt und dass die Versuche, zumindest im Friedensprozess mit Indien größere Schritte zu machen und auch intern eine Stabilisierung zu erreichen, dass die nicht akzeptiert werden. Aber ohne eine andere Alternative in Aussicht zu stellen."