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Multikulti aus Überzeugung

16. August 2010

Viele Sprachen werden in der Kölner PR-Agentur von Thomas Müller gesprochen. Der Grund: seine Mitarbeiter sind in vielen unterschiedlichen Kulturen zu Hause. Ein Vorteil, um internationale Kunden zu gewinnen.

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Laden mit Mittelmeerfrüchten in Berlin-Kreuzberg (Foto: dpa)
Andere Länder - andere SittenBild: dpa

Thomas Müller weiß wie es ist, fern der Heimat zu sein. Er ist gebürtiger Schwabe, sitzt jetzt aber im Büro seiner PR-Agentur in Köln. Die Geschäfte gehen gut, im Treppenhaus werkeln noch die Handwerker, vor wenigen Wochen erst ist Müller mit seinen 16 Mitarbeitern in die schicke Gründerzeitvilla am Rheinufer gezogen. Dass er sie sich leisten kann, liegt auch daran, dass fast jeder dieser Mitarbeiter eine Migrationsgeschichte hat. Denn der Exilschwabe Müller hat genau daraus ein Geschäftskonzept gemacht.

Der Chef der PR Agentur Müller in Köln, Thomas Müller (Foto: PR Agentur Müller)
Thomas Müller setzt auf multikulturelle MitarbeiterBild: PR Agentur Müller

Wenn er aufzählt, wo seine Mitarbeiter jeweils kulturelle Wurzeln haben, klingt das wie eine schöne Weltreise. Müller reiht elf Ländernamen aneinander, darunter sind die Türkei, Griechenland, Indien, Japan, Korea und China. Seit Gründung des Unternehmens vor sechs Jahren sucht er gezielt nach Mitarbeitern, die in der deutschen und einer zweiten Sprache und Kultur zu Hause sind. Denn Müllers Geschäft ist Kommunikation und Marketing, und das auch über die Grenzen von Sprachen und Kulturen hinweg. Seine Agentur wirbt vor allem um zwei Arten von Auftraggeber: Solche, die nicht allein aus Deutschland stammen, aber eine deutsche Zielgruppe gewinnen wollen, wie etwa die Japanische Handelskammer in Deutschland. Oder deutsche Kunden, die eine Zielgruppe erreichen wollen, die nicht allein aus Deutschland stammt. Dazu zählen etwa Ministerien und Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen.

Zielgruppe Medien für die Migranten

Gonca Mucuk-Edis, seit zwei Jahren Müllers Angestellte, arbeitet an ihrem hellen Schreibtisch an genau so einem Auftrag. Sie soll die Bildungsprämie bekannter machen, mit der das Bundesbildungsministerium das lebenslange Lernen finanziell unterstützt. Eine wichtige Zielgruppe: Migranten. "Und da komme ich natürlich ganz direkt und konkret ins Spiel. Insbesondere was die türkischsprachigen Medien angeht", sagt Mucuk-Edis, im schicken Business Look in ihrem komplett neuen Büro.

Gonca Mucuk-Edis und Jeroen van't Hoofd (Foto: PR Agentur Müller)
Gonca Mucuk-Edis und Jeroen van't HoofdBild: PR Agentur Müller

Mucuk Edis ist die in Hessen geborene Tochter eines ehemaligen türkischen Gastarbeiters. Agenturchef Müller wurde auf sie aufmerksam, als er ihren Namen in einer Kölner Zeitung unter einem Text las. Er rief in der Redaktion an, erkundigte sich, ob Mucuk-Edis auch Türkisch sprechen und schreiben könne und engagierte sie. Seitdem erledigt die heute 33-Jährige in der PR-Agentur unter anderem die Öffentlichkeitsarbeit, die für türkische Medien in Deutschland und der Türkei bestimmt ist. Schließlich unterscheiden sich türkische und deutsche Medienleute nicht allein durch die Sprache.

Wenn sie Presseeinladungen mit der Bitte um eine Antwort versende, meldeten sich fast alle deutschen Medien zurück, erzählt Mucuk-Edis. "Bei den türkischsprachigen Medien bekommen wir von vielleicht zwei Prozent der Medienleute eine Faxantwort zurück." Und trotzdem seien auf den Terminen dann meist alle eingeladenen türkischen Journalisten da, auch wenn sie sich ursprünglich nicht zurück gemeldet hätten.

Erfolg in einer wachsenden Marktnische

Mucuk-Edis achtet auf die unterschiedliche Kultur der türkischen Medienleute – das ist ihr Job. So verschickt sie Firmen-Grußkarten nicht nur zu Weihnachten, sondern auch zum islamischen Opferfest. Und zum Fastenbrechen lädt sie türkische und deutsche Journalisten ein.

Thomas Müllers Lieblingsbeispiel für die Vorteile internationaler PR-Teams ist ein anderes: Für einen deutschen Standort sollte seine Agentur Werbung im Ausland machen. Die aus Asien stammenden Mitarbeiter machten auf die Bedeutung einer aus Indien stammenden Gestaltungslehre für die Standortsuche asiatischer Investoren aufmerksam – und richteten die Internet-Werbung danach aus. Über eine Online-Karte mit den Umrissen Europas legten sie das Mandala - also das religiöse Symbol - einer indischen Gottheit. Der Bauchnabel dieser Figur gilt als wichtigstes Energiezentrum. "Und der Bauchnabel in Europa war eben unser Kunde", erzählt Thomas Müller. Eine erfolgreiche Art der Werbung, denn die Resonanz in Indien war nicht nur gut, sondern die Agentur bekam viel Lob für das kulturelle Verständnis.

Müller und Mucuk-Edis arbeiten in einer Marktnische – aber in einer, die beständig wächst. Denn wer möglichst viele Menschen erreichen wolle, der könne nicht mehr nur auf Kommunikation in deutscher Sprache und nach deutschen Kulturmustern setzen. "Dann erreichen Sie einen sehr, sehr großen Teil dieser Bevölkerung nicht. Und die Frage ist: Können Sie sich das als Unternehmen, als Behörde, als XY, der seine Botschaft kommunizieren will, wirklich leisten", fragt Mucuk-Edis – und ist natürlich überzeugt, dass die Antwort "Nein" lautet.

Geschäft und Überzeugung in Harmonie

Ihr Kollege Jeroen van´t Hoofd schätzt nicht nur geschäftlich, sondern auch privat, dass an seinem Arbeitsplatz der Unterschied Normalität ist. In Frankfurt am Main wurde er als Sohn niederländischer Eltern geboren. Dieser Teil seiner Identität ist ihm wichtig, "aber wenn man sich darüber immer wieder erklären muss, wird es halt einfach irgendwo anstrengend." In der PR-Agentur frage niemand als erstes nach einem fremd klingenden Namen, deshalb "treten da ganz schnell ganz andere Themen in den Vordergrund, wo man Gemeinsamkeiten entdeckt", sagt van´t Hoofd.

Die Mitarbeiter der PR-Agentur Müller in Köln vor dem Hintergrund "Vielfalt gewinnt" (Foto: PR Agentur Müller)
Für ihre "Vielfältigkeit" wurde die Agentur ausgezeichnetBild: PR Agentur Müller

Für Agenturgründer Thomas Müller ist Multikulti nicht allein das Geschäftsmodell, sondern Überzeugung. Als die Debatte um den Bau einer Moschee in Köln immer polemischer wurde, übernahm er die Krisenkommunikation für den Bauherrn -kostenlos. Besonders zufrieden ist Müller ohnehin immer dann, wenn Geschäft und Überzeugung sich miteinander verbinden. "Es ist wirklich für mich schön zu sehen - und darauf bin ich auch sehr stolz - wie die Mitarbeiter ein stärkeres Selbstbewusstsein und eine eigene Identität entwickeln. Wenn die mal ein halbes Jahr bei uns waren, stehen sie auch viel stärker zu ihrer doppelten Identität, zu ihren doppelten Wurzeln", sagt er. Der Unterschied als Mehrwert macht sie zu zufriedenen Menschen.

Autor: Christian Siepmann

Redaktion: Monika Lohmüller