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Telekom-Affäre in Montenegro?

16. September 2010

Auch beim Verkauf der montenegrinischen Telekom sollen Bestechungsgelder aus den Töpfen der Deutschen Telekom geflossen sein. Die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelt, doch aus Montenegro kamen noch keine Reaktionen.

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Logo der Deutschen Telekom im Schatten auf dem Dach der Zentrale in Bonn (Foto: picture-alliance/ dpa)
Bestechung beim Verkauf der Telekom in Montenegro?Bild: picture-alliance/ dpa

Kein offizieller Vertreter der montenegrinischen Regierung hat sich zu den Korruptionsvorwürfen im Fall der Deutschen Telekom geäußert. Ebenso schweigsam ist die Staatsanwaltschaft in Podgorica. Dies wird sicherlich auch so bleiben, bis die deutschen Behörden um direkte Zusammenarbeit bei den Ermittlungen gegen Telekom-Chef René Obermann und sieben weitere Personen bitten. Die Verbindung zu Montenegro besteht - ebenso wie in Mazedonien und anderen Ländern in Südosteuropa - über die ungarische Tochtergesellschaft "Magyar Telekom" der Deutschen Telekom. "Magyar Telekom" hatte die ehemaligen Staatsbetriebe aufgekauft.

Korruption nicht ausgeschlossen

Porträt vom montenegrinischen Politiker Nebojsa Medojevic, Vorsitzender der "Bewegung für den Wandel" (Foto: DW)
Scharfe Kritik vom Oppositionellen MedojevicBild: DW

"Grund für einen Korruptionsverdacht gibt es sicherlich", sagt der Vorsitzende der oppositionellen "Bewegung für Wandel", Nebojsa Medojevic. Er war beim Verkauf der montenegrinischen Telekom Berater der Gewerkschaft dieses Unternehmens. "Ich glaube, dass bei diesem umstrittenen Verkauf auch Korruption eine Rolle gespielt hat", meint Medojevic. Die montenegrinische Regierung habe von Kleinaktionären beispielsweise verlangt, ihre Aktien zu einem niedrigeren Preis als sie gehandelt wurden, zu verkaufen. Mehr noch, die montenegrinische Regierung habe Kleininvestoren, die Miteigentümer der Telekom waren, gezwungen, es dem Staat gleichzutun und ihre Aktien an die montenegrinische Telekom zu verkaufen. "Auf diese Weise sollte das zu verkaufende Aktienpaket des Mehrheitseigners, also des Staates, möglichst groß werden. Dies war das erste Anzeichen dafür, dass die Transaktion zwischen der montenegrinischen Regierung und "Magyar Telekom" nicht transparent verlief", bemerkt Medojevic.

Zeitpunkt verpasst

Bereits zu dieser Zeit hätten die zuständigen Stellen in Podgorica eingreifen müssen, meint Medojevic. "Die Staatsanwaltschaft hätte die Transaktion überprüfen und nachvollziehen müssen." Eine Frage wäre gewesen, ob bestimmte Beraterfirmen einen Teil des Geldes bekommen haben, der an die Regierung gehen sollte. Eine weitere, "ob der Investor den gesamten Kaufpreis der Regierung auf den Tisch geblättert und zusätzlich Anwälte sowie Berater in Montenegro in mehrfacher Millionenhöhe ausgezahlt hat", sagt Medojevic.

Eine interne Ermittlung bei "Magyar Telekom" hat Ende 2009 ergeben, dass es nicht ausreichend Beweise dafür gibt, ob sieben Millionen Euro, die an vier Beraterfirmen geflossen sind, für "legitime Geschäftsziele", ausgegeben wurden, wie es "Magyar Telekom" ausdrückt. "Es gibt Beweise dafür, dass diese Kosten wegen unsachgemäßer Ziele entstanden sind. Zudem sind die Verträge weder richtig in die Bücher der Gesellschaft noch der wichtigen Partner eingetragen worden", heißt es im Bericht von "Magyar Telekom".

Lukratives Geschäft

Vorsitzender der montenegrinischen Sozialdemokratischen Partei Ranko Krivokapic sitzend neben Staatsflagge Montenegros (Foto: DW)
Sozialdemokrat Krivokapic widersetzte sich dem Verkauf des profitablen StaatsbetriebsBild: DW

"Magyar Telekom", die damals "Matav" hieß, hat die Aktienmehrheit der montenegrinischen Telekom im März 2005 für 114 Millionen Euro erworben. Diesem Verkauf widersetzte sich vehement die montenegrinische Sozialdemokratische Partei, der kleinere Koalitionspartner in der montenegrinischen Regierung. Die Sozialdemokraten wollten die montenegrinische Telekom im Staatseigentum belassen, weil dieses Unternehmen sehr erfolgreich war. Im Jahr vor der Privatisierung habe die Telekom Montenegro einen Gewinn von 18 Millionen Euro erwirtschaftet. In den folgenden Jahren sei der Profit dann um 15 bis hin zu 50 Prozent des Gesamtumsatzes gestiegen, sagt Ranko Krivokapic, Vorsitzender der Sozialdemokraten. "Sie haben allein von dem, was wir investiert haben, den Profit abgeschöpft und uns mit unserem Geld ausgezahlt. Einfach gesagt: Sie haben uns mit unserem Geld gekauft", so die Kritik des Sozialdemokraten.

Belegschaft unzufrieden

Die Mitarbeiter der montenegrinischen Telekom sind mit dem neuen Arbeitgeber nicht zufrieden. Erst kürzlich streikte die Belegschaft mehrere Tage lang, weil die Geschäftsleitung trotz gestiegenen Gewinns, die Entlassung von mehreren hundert Mitarbeitern plant. "Wir sind dazu gezwungen, mittels eines Streiks unsere Rechte zu erkämpfen, weil sich die Telekom in unserem Land nicht wie ein verantwortungsvoller Arbeitgeber verhält", heißt es in der Mittelung des Streikausschusses.

Die montenegrinische Regierung hatte außerdem angkündigt, mit dem aus dem Verkauf der Telekom erhaltenen Geld, den Bau einer Autobahn von der montenegrinischen Küste in den Norden des Landes zu finanzieren. Fünf Jahre danach ist noch kein Kilometer Autobahn in Montenegro gebaut worden.

Autoren: Mustafa Canka / Mirjana Dikic

Redaktion: Nicole Scherschun