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Mitmachen lernen

Tatjana Petrenko/mb18. Oktober 2004

Ehrenamtliches Engagement an der Uni ist für russische Studenten weitgehend unbekannt. Solange kein finanzieller Gewinn lockt, basteln sie lieber an der eigenen Karriere. Deutsche Studenten geben Nachhilfe.

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Nach der Vorlesung wartet die Arbeit beim AStABild: AP

Einen "AStA" - allgemeinen Studentenausschuss - gibt es an jeder deutschen Hochschule. Abgesehen von einigen Sachbearbeitern, engagieren sich dort nur Studenten - und das ehrenamtlich. Die studentischen Amtsträger müssen sich bei den Universitätswahlen jährlich wählen lassen. Die finanzielle Unabhängigkeit von der Universitätsverwaltung wird durch Studentenbeiträge und staatliche Förderung gewährleistet.

Kooperation mit dem Baltikum

Wohnungsmarkt für Studenten Schwartes Brett in der Mensa
Wohnungsbörse an einer Uni - der AStA hilftBild: AP

Von der studentische Wohnungssuche über Sportkurse bis zur Veranstaltung von politischen Diskussionen - die Themen, mit denen sich ein AStA so beschäftigt, seien sehr unterschiedlich, erklärt Roman Schütz, Mitglied im Bonner AStA im Gespräch mit DW-WORLD. Das Hauptkriterium für die Themenauswahl sei das Interesse der Studenten. Wenn es allerdings um Politik geht, dann darf sich der Studentenausschuss nur zu Problemen der Hochschulpolitik äußern. So haben Studentenausschüsse aus ganz Deutschland im vorigen Semester Studentenproteste gegen die Einführung der Studiengebühren organisiert.

Vor einigen Monaten hat der Bonner AStA einen Studenten der Baltischen Staatlichen Akademie (BSA) aus dem russischen Kaliningrad kontaktiert und eine Kooperation vorgeschlagen. Wie sich herausstellte, war von Seiten der BSA kurz vorher eine - dem deutschen AStA ähnliche - Initiative gegründet worden. Interesse an einem Erfahrungsaustausch über die Studentendemokratie entstand schnell. Im September 2004 fuhren einige Mitglieder der Bonner AStA zum ersten Mal nach Kaliningrad.

Eigeninitiative und Eigenverantwortung

Es sei noch zu früh, über die Einführung der Studentendemokratie an russischen Hochschulen zu sprechen, sagt Schütz. Denn der Studentenausschuss in Kaliningrad sei sowieso eher eine Ausnahme. Zum einen fehle die Tradition von Studenteninitiativen, zum anderen sei es schwierig, russische Studenten für so eine Organisation zu interessieren, solange kein finanzieller Gewinn locke. Da die Deutschen mit dem Studium später anfingen und länger studierten, seien sie auch durchschnittlich 'älter und erwachsener' als ihre russischen Kollegen.

Student mit WLan
Konzentriert lernen - der finanzielle Gewinn locktBild: AP

Diese Meinung teilt auch Sven Grählert, Mitglied des deutsch-russischen Vereins "dialog e.V." Russische Studenten seien ambitionierter als deutsche - sie würden schneller mit dem Studium fertig, fänden oft eine berufliche Beschäftigung noch während des Studiums und machten eine erfolgreiche Karriere in sehr jungem Alter.

Learning-by-doing

Wenn es allerdings um das Engagement in Studentenorganisationen gehe, verhielten sich die Russen ziemlich passiv. "Am Anfang mussten wir Aufgaben verteilen und kontrollieren, dass sie gemacht werden", erzählt Grählert: "Das war schwierig, denn die Grundlagen einer Organisation wie 'dialog e.V.' sind Eigeninitiative und Eigenverantwortung. Jeder kann einbringen, was ihm Spaß macht, aber muss dafür auch Verantwortung übernehmen."

Am besten lerne man durch das Machen, sagt Sven Grählert. Das sei das beste Rezept gegen Passivität. "Nachdem wir mehrere Projekte gemeinsam organisiert und durchgeführt hatten, wurde es den russischen Studenten klar, dass solche Mitarbeit richtig Spaß machen kann. Das bringt kein Profit aber hilft, persönliche und berufliche Kontakte zu knüpfen und sich auch für das berufliche Leben besser vorzubereiten, in dem man jeden Tag die Verantwortung übernehmen muss." Mittlerweile hat "dialog e.V." Vertretungen in drei russischen Städten - Moskau, Jekaterinburg und Tomsk. Alle drei Gruppen werden nur von russischen Studenten betrieben.

Erfahrungen austauschen

Roman Schütz ist ebenfalls optimistisch was die Zukunft der Studenteninitiative aus Kaliningrad betrifft. "Den Kern des Kaliningrader AStA bilden sehr engagierte Studenten, die sich für Studentendemokratie an der Hochschule einsetzen und bereit sind, das weiter ehrenamtlich zu machen. Sie werden von den anderen Studenten sowie von der Universitätsverwaltung akzeptiert, deshalb bin ich sicher, dass sie andere Interessierte finden werden. Was man im Moment an russischen Unis braucht sind Zeit und die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen, und das ist das Ziel unserer Kooperation", erklärt Schütz.