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"Mit zwanzig war ich viel unglücklicher"

8. November 2010

Das neue Buch von Damon Galgut "In fremden Räumen" ist eine ungewöhnliche Reise zu sich selbst. Dass auch der Autor lange unterwegs auf der Suche nach einer Heimat war, verrät er uns im Interview.

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Der Autor Damon Galgut (Foto: Random House)
Der Autor Damon GalgutBild: Randomhouse

DW-WORLD.DE: Beim Lesen Ihres Buches gewinnt man den Eindruck, dass Reisen für Sie eher eine Notwendigkeit sind als eine Möglichkeit. Eine Notwendigkeit, Kontakt zu Menschen zu bekommen und zu erhalten. Aber zumindest all die Reisen in "In fremden Räumen" enden im Desaster. Andererseits erkennt der "Reisende" sein Verlangen nach einer Heimat. Nach einer Möglichkeit so etwas wie Zukunft überhaupt möglich zu machen. Was hat diesen Wandel ausgelöst – die Reisen selbst oder ihr Scheitern?

Damon Galgut: Nun, wenn man jung ist, verliert man irgendwann die Energie, so weiter zu leben wie bisher. Die ersten beiden Reisen, die ich im Buch beschreibe, fanden vor einer ganzen Weile statt. Damals war ich wesentlich ärmer und auch haltloser. Die dritte Reise ist noch nicht so lange her und in der Geschichte ist "Damon" ein Mann mittleren Alters was sein Verhalten angeht und er ist weit sesshafter. Er reist nicht mehr auf die gleiche Art und Weise wie zuvor. So geht es mir auch. Man ist doch im Allgemeinen weitaus unglücklicher wenn man in den Zwanzigern ist als in den Vierzigern. Das Leben ist – hoffentlich – bequemer, das Drängen nach neuen Orten und Erfahrungen ist nicht mehr so ausgeprägt. Aber selbstverständlich steckt in diesem Wandel auch eine gewisse Traurigkeit – eine Resignation. Also, kurz gesagt, der Wandel auf den sich Ihre Frage bezieht, ist zwangsläufig mit dem Vergehen von Zeit verbunden und nicht mit den Reisen selbst.

DW-WORLD.DE: Ein Teil der Reisen fand in den 90ern statt. Eine Zeit der Verwirrung in ganz Afrika, aber vor allem auch in Südafrika. Und offensichtlich auch eine Zeit der Verwirrung auch für Sie. Eine zufällige Analogie?

Damon Galgut: Wenn Sie die gelegentlichen historischen Hinweise in Rechnung ziehen, dann erkennen Sie, dass die Reisen über einen langen Zeitraum hinweg stattfanden. Die erste Reise spielt in den frühen 90ern, die zweite in den späten 90er Jahren und die dritte schon im neuen Jahrtausend. Tatsächlich besteht kein direkter Zusammenhang mit der allgemeinen Geschichte – die Parallele ist reiner Zufall.

DW-WORLD.DE: Themen wie Homosexualität oder psychische Krankheiten sind nicht gerade weit verbreitet in der afrikanischen Literatur. Wie haben Ihre Leser auf "In fremden Räumen" reagiert?

Ich unterstelle mal, dass Sie die südafrikanischen Leser meinen. In Südafrika wurde das Buch sehr wohlwollend aufgenommen, auch wenn Belletristik nicht gerade einen großen Markt hat. Die Bellestristik hier versucht schon etwas länger sich von traditionell besetzten Feldern wie Politik zu entfernen – so unkonventionell ist das Buch also nicht. Genauso wie Menschen überall auf der Welt sind auch Südafrikaner menschlich in einem umfassenderen, tief gehenden Sinn. Über Sexualität und psychische Krankheiten zu schreiben ist also auch ein Anspruch auf einen tieferen Sinn für Menschlichkeit.

DW-WORLD.DE: Hatten einige der Erfahrungen, die Sie während Ihrer Reisen gemacht haben auch Auswirkungen auf anschließende Erzählungen? So wie das Haus in Kapstadt aus der mit "Der Liebende" überschriebenen Reise offensichtlich in "Der Betrüger" wieder auftaucht?

Sie haben Recht: Das Haus taucht in "Der Betrüger" wieder auf. Aber das ist nur ein kleiner Moment in dem Buch. Hauptsächlich spielen die Erzählungen aus "In fremden Räumen" außerhalb von Südafrika und sie sind getrennt von der südafrikanischen Gesellschaft und Geschichte. Und so stehen die Erfahrungen, die darin beschrieben werden, auch für sich. Ich glaube nicht, dass sie noch einmal in späteren Erzählungen eine Rolle gespielt haben. Die Idee, Reiseerzählungen zu schreiben war aus genau einem Grund interessant für mich: einfach eine Person zu sein, die auf unmittelbare Bedürfnisse reduziert ist. Vielleicht findet man mehr zu sich selbst, wenn man weit weg von zu Hause ist. Ich bin mir nicht sicher.

Das Interview führte Dirk Bathe

Redaktion: Christine Harjes