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Mit Plakaten gegen Neonazis

Ben Knight / kk26. Juli 2015

Das anonyme Künstlerkollektiv Dies Irae hat in dem Städtchen Freital in der Nähe von Dresden in einer Plakataktion Neonazis auf die Schippe gekommen. Damit will es gegen wachsende Fremdenfeindlichkeit protestieren.

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Plakat der Künstlergruppe Dies Irae (Foto: Dies Irae)
Bild: Dies Irae

Irgendwann nach Mitternacht findet die Aktion statt. Ein Mitglied des Künstlerkollektivs "Dies Irae" schleicht durch Freital, die kleine Stadt am Rande von Dresden. Rasch entfernt er die an den Werbeflächen aufgehängten Plakaten und ersetzt sie durch eigene, von den Künstlern entworfene. "Nazis essen heimlich Falafel", steht darauf. "Hirn einschalten - Rassismus abschalten". Oder auch: "Kein Mensch ist illegal".

"Ich habe die Aktion allein durchgeführt", erklärt das Dies-Irae-Mitglied im Gespräch mit der DW. "Das ganze Gerede über die so genannten 'besorgten Bürger', die gegen das Asylbewerberheim sind und sich an einer Demonstration mit furchtbaren rechtsextremen Parolen beteiligten - das war so bestürzend, dass wir Freital zum Ziel unserer neuen Aktion ausgewählt haben."

Schrille Protestveranstaltungen gegen Asylbewerber

Plakat der Künstlergruppe Dies Irae (Foto: Dies Irae)
Bild: Dies Irae

Im Juni sorgte Freital mit seinen 40. 000 Einwohnern für Schlagzeilen. Die Stadtverwaltung hatte gerade bekanntgegeben, sie wolle 280 Asylbewerber in einem nicht mehr in Betrieb befindlichen Hotel unterbringen. Hundert weitere Menschen hatten dort bereits Schutz gefunden.

Einige Bürger versammelten sich zu immer schrilleren Protestveranstaltungen, viele von ihnen stimmten rassistische Parolen an. Höhepunkt der Proteste war ein Handgemenge zwischen Demonstranten und Lokalpolitikern in der Stadthalle des Ortes.

"Es ging darum, den Öffentlichen Raum wieder zu besetzen und eine Nachricht auszusenden", erklärt das Dies-Irae-Mitglied seine nächtliche Aktion. Natürlich könnten das auch Nazis tun, indem sie Hakenkreuze auf Hauswände schmierten. "Aber dann wären eine Menge Leute ziemlich entsetzt und würden sie umgehend übermalen. Die Leute sollten in der Lage sein, den Öffentlichen Raum zu gestalten", sagt der Aktivist, "und genau das wollten wir mit unserer Aktion tun."

Mit einem ganz normalen Schraubenschlüssel

Ein Vertreter des Unternehmens "Deutsche Plakatwerbung", die die Werbeflächen verwaltet, berichtete der Nachrichtenseite "Mopo24", man habe die Polizei informiert und Angestellte entsandt, die am Donnerstagnachmittag alle Plakate wieder entfernt hätten. Jetzt will das Unternehmen untersuchen, wie die Werbekästen hatten geöffnet werden können. Doch das sei nicht allzu aufwendig, erklärt das Mitglied von Dies Irae. Ein normaler Schraubenschlüssel reiche aus.

Rechte Proteste gegen Asylbewerberheim in Freital, 26.06.2015 (Foto: AP)
Rechte Proteste gegen Asylbewerberheim in FreitalBild: picture-alliance/AP Photo/J. Meyer

Laut Polizeisprecherin Ilka Rosenkranz stellten die Plakate zwar keinen Gesetzesverstoß dar, eine Anzeige wegen Beschädigung privaten Eigentums könne aber folgen. Der Aktivist sieht es gibt sich gegenüber der DW gelassen: "Das ist natürlich Unsinn. Es wurde ja kein Eigentum beschädigt."

Die Polizei habe ihn während der Aktion sogar beobachtet: "Ein Streifenwagen fuhr mir langsam hinterher. Aber ich machte wohl einen hinreichend professionellen Eindruck, so dass sie annahmen, ich ginge nur meiner Arbeit nach."

Wiederaneignung des Öffentlichen Raums

Die Aktion in Freital war für Dies Irae eine eher kleinere Sache. Normalerweise richtet sich die Gruppe in ihren Aktionen gegen Kampagnen, die sie als sexistisch erachtet oder die ein aus ihrer Sicht ungesundes Körperbewusstsein vermitteln. Außerdem haben sie auf die Arbeitsbedingungen in manchen Kleidungsfabriken großer Modeketten wie Primark aufmerksam gemacht.

Doch vor allem richtet sie sich gegen das Konzept der Außenwerbung und deren Einfluss auf die Gesellschaft. "Überall gibt es Werbetafeln und Plakatwände, deren einziger Zweck es ist, uns dazu zu bringen, uns idiotische Produkte zu kaufen", sagt der Dies-Irae-Aktivist.

Die Gruppe würde diesen Raum lieber selbst nutzen - für Kunst oder Informationen: "Zum Beispiel über das Sommerprogramm der hier lebenden Jugendlichen oder Tipps, wie man Steuern spart. Informationen also, die der Gesellschaft wirklich nützen."

Plakat der Künstlergruppe Dies Irae, 23.7.2015 (Foto: Dies Irae)
Bild: Dies Irae

Wachsende Fremdenfeindlichkeit

Die Aktion von Dies Irae fällt in die Zeit einer zunehmend flüchtlingsfeindlichen Atmosphäre. Mitte der vergangenen Woche hatte Innenminister Thomas de Maizière bekanntgegeben, dass die Angriffe auf Asylbewerberheime in der ersten Jahreshälfte zugenommen hätten. Zwischen Januar und Ende Juni zählten die Behörden 202 solcher Angriffe - nach 198 im gesamten Vorjahr.

Das Ministerium erklärte zwar, die meisten Angriffe seien von bekannten Sympathisanten der rechtsextremen Szene ausgegangen. Es berichtet aber auch von einer steigenden Zahl von Tätern, die keinen direkten Kontakt zur Neonazi-Szene haben.