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Washington mit Taxameter

Dörthe Keilholz, Washington15. Mai 2008

Am 1. Juni wird Washingtons verwirrendes Taxi-Tarifsystem durch unbestechliche Taxameter abgelöst. Dennoch versuchen Taxifahrer mit allen Tricks, ihren Kunden das Geld aus dem Portemonnaie zu locken.

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Bild: DW

"Wie soll ich meinen Kindern die Schule bezahlen? Ich verdiene jetzt viel weniger", sagt Sarwar Zahir, seit fast 20 Jahren Taxifahrer in Washington DC. Unter seinem orange-blauen Turban legt sich seine Stirn in Falten. Er schüttelt den Kopf. "Das ist eine Katastrophe für mich und meine Familie." Sein Blick wandert besorgt zu der Stelle auf dem Armaturenbrett, an der in wenigen Tagen die "Katastrophe", ein Taxameter, prangen wird.

Wie bereits im Oktober letzten Jahres von Bürgermeister Adrian M. Fenty angekündigt, sind Washingtons Taxifahrer ab dem 1. Juni gesetzlich dazu verpflichtet, Wegstreckenzähler, sogenannte Taxameter, in ihren Autos zu installieren. Wurde der Fahrpreis vorher durch ein für den Kunden undurchsichtiges Zonensystem bestimmst, werden nun, ähnlich dem deutschen System, Fahrtdauer und -strecke per Taxameter berechnet. In anderen amerikanischen Großstädten wie New York oder San Francisco gehört der kleine schwarze Kasten hinter der Windschutzscheibe schon lange zur Standardausrüstung.

Ominöse Extra-Gebühren und Schritttempo

Im Selbstversuch wird schnell klar: Der Kunde profitiert vom neuen System. Während ich für eine Fahrt von M Street nach Georgetown 9,80 Dollar für ein Taxi ohne Taxameter bezahle, kostet dieselbe Strecke zurück mit Taxameter gerade mal 6,50 Dollar.

Wer also in Zukunft inmitten von Washingtons hektischem Großstadtverkehr in ein Taxi springt, muss sich nicht mehr auf die Ehrlichkeit seines Fahrers verlassen und Preisschwankungen von bis zu 50 Prozent für ein und dieselbe Strecke hinnehmen, sondern sieht nun schwarz auf weiß – beziehungsweise rot auf schwarz –, was er zu zahlen hat!

Dennoch ist weiterhin Vorsicht geboten. Auch das neue System wird nur allzu gerne ausgetrickst. Durch ominöse Extra-Gebühren, Schritttempo oder "versehentliches" Verfahren versuchen Taxifahrer das Loch zu stopfen, dass die neuen Taxameter in ihre Einnahmen reißen.

"Und wer fährt dann Washingtons Taxis?"

Laut einer regionalen Umfrage begrüßen 77 Prozent der Teilnehmer die Umstellung auf Taxameter. Washingtons Taxifahrer sind jedoch alles andere als erfreut. Yousef Hedayat fährt bereits mit Taxameter. Auf seinem Taxi klebt schon der runde Aufkleber mit der Aufschrift "Certified dctc metered taxi cap". "Das mit den Taxametern ist auf jeden Fall ehrlicher", sagt er und zeigt auf die kleine graue Plombe, die ein Manipulieren des Geräts unmöglich macht. Dennoch ist er unzufrieden mit der Umstellung. Hauptkritikpunkt ist die niedrige Streckenrate, die für Hedaya im Kontrast steht zu steigenden Kosten für Benzin, Miete und Lebensmitteln.

Während in New York immerhin 1,25 Dollar (0,85 Euro) pro Kilometer berechnet werden, verdient ein Taxifahrer in Washington nach dem neuen System nur circa einen Dollar (0,65 Euro) für die gleiche Strecke. Zum Vergleich, in Berlin wird durchschnittlich sogar 1,58 Euro pro Kilometer berechnet.

Hedayat hofft auf eine Anpassung der Streckenraten nach der ersten Testphase. Ansonst wird er sich wohl einen dritten Job neben dem Taxi und seiner Nachtwächterstelle suchen oder seinen Job als Fahrer sogar ganz an den Nagel hängen. "Und wer fährt dann Washingtons Taxis?" sagt er und zuckt mit den Achseln.