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Ahoi, Herr Kapitän!

5. Februar 2012

Die Havarie der "Costa Concordia" hat gezeigt, dass Kapitäne sehr große Verantwortung tragen. Im Ernstfall müssen sie schnell und richtig reagieren. Die Jade-Hochschule bereitet Nautiker auf diese Aufgaben vor.

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Das Schulschiff Großherzogin Elisabeth (Foto: Jade-Hochschule Elsfleth)
Bild: Jade-Hochschule Elsfleth

Stina Menzel hat es geschafft. In den letzten Wochen hat sie ihre Abschlussprüfungen abgelegt, jetzt hält die 24-Jährige nicht nur ihr Bachelor-Zeugnis in der Hand, sondern auch ein Patent, das sie berechtigt als zweiter oder dritter Offizier an Bord eines Schiffes zu arbeiten. Nach zwei Jahren auf See kann sie dann zum ersten Offizier befördert werden, nach einem weiteren Jahr darf sie sich Kapitän nennen. Ein Kapitän und Freund ihres Vaters hat sie auf die Idee gebracht, zur See zu fahren. "Der hat so viele interessante Geschichten erzählt. Da hab ich mir gedacht, das probiere ich auch aus", sagt Stina Menzel.

Stina Menzel hat an der Jade-Hochschule in Elsfleth studiert, einem kleinen Ort in der Nähe von Oldenburg in Niedersachsen. Die Seefahrt hat in Elsfleth eine lange Tradition, schon 1832 gab es dort eine Nautikschule. Heute bildet die Jade-Hochschule junge Leute in einem achtsemestrigen Bachelorstudiengang zu Offizieren aus. An der Hochschule sind 700 Studierende eingeschrieben, 400 von ihnen mit dem Berufsziel Kapitän. Die Hochschule ist nach eigenen Angaben die größte ihrer Art in Deutschland.

Stina Menzel hat gerade ihr Nautik-Studium abgeschlossen und ihr Patent erhalten (Foto: DW / Jessica Holzhausen)
Stina Menzel hat ihr Patent erhaltenBild: Jessica Holzhausen

Verantwortung für sehr viele Menschen

Nach der Havarie des Passagierschiffs "Costa Concordia" vor der italienischen Küste werden in der Öffentlichkeit Fragen rund um die Sicherheit an Bord und die Verantwortung der Kapitäne gestellt. Denn ihr Job an Bord ist sehr anspruchsvoll. Sie sind für die Sicherheit der Mannschaft und der Passagiere verantwortlich, navigieren riesige Schiffe oft durch enge Passagen wie den Ärmel- oder Suezkanal. Und im Notfall müssen sie dafür sorgen, dass alle rechtzeitig zu den Rettungsbooten gelangen. Auf all das werden die Studenten in Elsfleth vorbereitet, um ein Unglück wie das der "Costa Concordia" zu vermeiden.

Vor ihrem Studium hatte Stina Menzel keinerlei Erfahrung mit der Seefahrt. Umso wichtiger war es da, dass gleich das erste Semester an der Elsflether Hochschule ein Praxissemester ist. Ein halbes Jahr lang gehörte sie zur einfachen Schiffsmannschaft eines Schwergutschiffes, hat an Deck Rost geklopft und Malerarbeiten erledigt. "Ich bin sechs Monate zur See gefahren und habe mir vorher überlegt, wenn mir das gefällt, dann mache ich weiter. Und wenn nicht, dann probiere ich noch irgendetwas anderes aus", erzählt die Absolventin.

Im zweiten Praktikum dürfen sie ein Schiff lenken

Vielen geht es im ersten Semester so wie Stina Menzel, sagt Thorsten Löffler, der an der Hochschule unter anderem Abiturienten bei der Studienplatzwahl berät. Er empfiehlt zukünftigen Studenten, sich rechtzeitig vorher Gedanken über die Berufswahl zu machen, vielleicht sogar vor dem Studium ein Praktikum auf See zu absolvieren. "Das ist schon ein sehr spezieller Beruf", sagt Löffler. "Man sollte schon wissen, was einen da erwartet."

Dozent Thomas Löffler unterrichtet Wirtschaftswissenschaften und berät Studenten in der Studienberatung der Hochschule Elsfleth (Foto: DW / Jessica Holzhausen)
Dozent Thorsten Löffler rät zum Praktikum auf hoher SeeBild: Jessica Holzhausen

Nach dem ersten Praktikum lernen die Nautik-Studenten in Elsfleth viel Theorie: Kurse in Jura und Wirtschaftswissenschaften, mit Schwerpunkt See- und Hafenwirtschaft. Im dritten und siebten Semester geht es für die Studenten auf das Segelschulschiff Großherzogin Elisabeth, von Studenten und Dozenten nur liebevoll Lissy genannt. Hier sollen sie ihre nautischen Kenntnisse vertiefen. Zudem muss jeder Student ein zweites Praktikum an Bord eines Schiffes machen. Erst in diesem zweiten Praxisteil im sechsten Semester sind die Studenten dann mit den Wachoffizieren auf der Brücke und können dort anwenden, was sie zuvor im Studium geübt haben: das Navigieren.

Damit sich die Studierenden auf die unterschiedlichen Situationen an Bord dieser Schiffe vorbereiten können, gibt es in Elsfleth zu Übungszwecken einen Navigationssimulator. Der kann verschiedene Schiffstypen und Routen darstellen, und er kann Nebel oder Nacht simulieren. Rund 160 Stunden verbringt jeder Student auf der nachgebauten Brücke.

Studenten der Jade-Hochschule Elsfleth über im Navigationssimulator (Foto: Jade-Hochschule Elsfleth)
Studenten üben im SimulatorBild: Jade-Hochschule Elsfleth

Bei Krisen entscheidet die Persönlichkeit

Außerdem absolvieren die Studenten Sicherheitstrainings. Sie lernen, wie sie sich bei Schiffsunglücken oder im Fall eines Brandes an Bord verhalten müssen. In einem Übungsbecken wird das Abwerfen aus einem Rettungsboot geübt, für viele Studenten ist das ein Erlebnis aufregender als Achtbahnfahren. Auch internationale Reedereien schicken ihre Mitarbeiter zu solchen Trainings ins Maritime Zentrum nach Elsfleth.

Fehlverhalten, wie das des Kapitäns der Costa Concordia, soll so bei Crewmitgliedern und den angehenden Offizieren verhindert werden. Wenn die Absolventin Stina Menzel bald als Offizier an Bord eines Schiffes geht, dann wird sie viel Verantwortung tragen. Doch selbst wenn sie den Notfall ständig geübt hat: "Ich denke, wenn es zu einem Ernstfall kommt, wird man sehen, wie man sich verhält", sagt Stina Menzel. "Hundertprozentig kann man es natürlich nie voraussehen. Aber ich denke, dass wir schon ganz gut vorbereitet wurden."

Autorin: Jessica Holzhausen
Redaktion: Svenja Üing