1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ja zur "Homo-Ehe"

16. Juli 2010

Als erstes Land in Lateinamerika führt Argentinien die Ehe für Homosexuelle ein – einschließlich des Rechts der Adoption. Die Katholische Kirche leistete erbitterten Widerstand.

https://p.dw.com/p/ON2U
Befürwortern der "Homo-Ehe" präsentieren einen überdimensionalen Luftballonpenis vor dem argentinischen Kongressgebäude - Quelle: AP
Jubel bei den Befürwortern der "Homo-Ehe"Bild: AP

"Gleichheit, Gleichheit!" riefen Sprechchöre vor dem argentinischen Kongressgebäude in der Nacht zu Donnerstag (25.070.2010). Während draußen die Befürworter der Homo-Ehe demonstrierten, debattierten drinnen die Senatoren darüber, ob zukünftig auch gleichgeschlechtliche Paare das Recht haben sollen, den Bund der Ehe zu schließen. Nach einer fast vierzehn Stunden dauernden Diskussion kam dann am Donnerstagmorgen um vier Uhr – Ortszeit Buenos Aires – die Entscheidung: Mit 33 zu 27 Stimmen bei drei Enthaltungen stimmte der Senat dem Gesetz zu, dass bereits die Abgeordnetenkammer passiert hatte. "Wir wollen ganz einfach das Recht der Zivilehe auf all die ausweiten, die es ausüben wollen – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung", rief Senatorin Lucía Corpacci in der Debatte. Ihr Kollege Guillermo Jenefes, auch er Mitglied des Regierungsbündnisses "Frente para la Victoria", argumentierte dagegen: "Ich will auf gar keinen Fall, dass wir die Institution Ehe angreifen, die aus meiner Sicht als Jurist und Katholik der Verbindung zwischen Mann und Frau vorbehalten ist."

Proteste gegen Adoptionsrecht fuer Homosexuelle

Jubelnde Befürworter der Homo-Ehe vor dem Wahrzeichen von Buenos Aires - dem Obelisk auf der Avenida 9 de Julio (Quelle: AP)
Argentinien übernimmt eine Vorreiterrolle.Bild: AP

Nach der nun beschlossenen Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs können schwule und lesbische Paare in Argentinien nun heiraten. Dadurch bekommen sie dieselben Rechte und Pflichten wie Heterosexuelle. Die Gegner der Homo-Ehe hatten ihren Protest vor allem gegen das Adoptionsrecht gerichtet. "Ja zum Recht der Kinder auf eine Mama und einen Papa", skandierte die Menge bei einer Großkundgebung, zu der am Mittwochabend die Katholische und die Evangelischen Kirchen Argentiniens aufriefen. Rund 60.000 Menschen kamen zusammen. Schlicht "Papa und Mama" stand auf der orangefarbenen Fahne einer Teilnehmerin. "Es ist unmenschlich für das Kind, das nicht entscheiden kann, ob es gleichgeschlechtliche Eltern will. In homosexuellen Partnerschaften hat ein Geschlecht ein zu großes Gewicht", empörte sich die Frau mittleren Alters. "Ich sehe keine Zukunft für die Homo-Ehe, für mich ist sie unnatürlich. Die große Mehrheit der Argentinier will sie nicht."

Proteste gegen die Homo-Ehe vor dem Kongressgebäude von den Anhängern der Kirchen - "Kinder brauchen eine Mama und einen Papa!" steht auf ihren Transparenten (Quelle: AP)
Entrüstung bei den Anhängern der Kirchen - "Kinder brauchen eine Mama und einen Papa!"Bild: AP

Keine Chance für Ehe light

Schon heute gibt es in Argentinien gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern, denn in dem südamerikanischen Land dürfen alleinstehende Personen adoptieren. Künftig können Homosexuelle dies als verheiratetes Paar tun. Damit werden ihre Kinder dem Nachwuchs von Heterosexuellen rechtlich gleichgestellt. Sie würden nicht mehr diskriminiert, sagt die Abgeordnete Vilma Ibarra aus dem Regierungsbündnis, eine Vorkämpferin des Heiratsrechts für Schwule und Lesben. Ibarra war strikt gegen eine "Ehe Light": "Wenn wir festlegen, dass es eine Institution nur für Heterosexuelle gibt, und eine andere nur für Homosexuelle, dann verletzen wir doch den Gleichheitsgrundsatz." Bestrebungen im Senat, eine "Union Civil", eine Art eingetragene Lebenspartnerschaft ohne Adoptionsrecht einzuführen, scheiterten.

Die argentinische Senats-Abgeordnete Vilma Ibarra, eine Befürworterin der Homo-Ehe (Quelle: Victoria Eglau)
Die Abgeordnete Vilma IbarraBild: Victoria Eglau

Als erfolgreich erwies sich die Strategie der argentinischen Homosexuellen-Verbände. In den vergangenen Monaten beantragten zahlreiche heiratswillige schwule und lesbische Paare Termine bei den Standesämtern. Gegen die negativen Bescheide legten sie in der Justiz Widerspruch ein, und beriefen sich dabei auf das in der Verfassung verankerte Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz.

Neun gleichgeschlechtliche Paare bereits verheiratet

Insgesamt neun Paaren genehmigten Richter bisher den Gang zum Standesamt. Am 15. April gaben sich Carlos Alvarez und Martín Canevaro das Ja-Wort. "Wir lieben uns! Für uns war total wichtig, dass die Liebe im Vordergrund steht, und wir das nicht nur als Aktivisten machen", betont Carlos. "Die Strategie war jedenfalls super-positiv. Wir wollten Tatsachen schaffen, damit die Gesetzgeber mit der Diskussion beginnen. Und das ist ganz klar gelungen."

Glücklich verheiratet - Carlos Alvarez und Martín Canevaro sind ein gleichgeschlechtliches Paar und grinsen fröhlich in die KAmera unter der Sonne im Stadtwald von Palermo (Quelle: Victoria Eglau)
Glücklich verheiratet - Carlos Alvarez und Martín CanevaroBild: Victoria Eglau

Ein großer Teil der Argentinier sei tolerant, meint das verheiratete Paar. Vor allem in den Städten gebe es wenig Vorurteile gegenüber Homosexuellen. Aber in Teilen der Gesellschaft, besonders in den Provinzen, würden Schwule und Lesben immer noch diskriminiert. Für Martín ist die rechtliche Gleichstellung bei der Eheschließung daher ein wichtiges Signal an die Gesellschaft: "Dass nun jeder heiraten kann, wen er will, unabhängig vom Geschlecht, hat auch einen pädagogischen Effekt." Die Botschaft an die neuen Generationen sei: Jede sexuelle Orientierung ist zulässig und achtbar.

Autorin: Victoria Eglau

Redaktion: Anne Herrberg