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Schluss mit dem Wegwerfwahn

Anabela Linke
19. Juni 2018

Wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) auf meinem Joghurt abgelaufen ist, muss ich ihn dann wegschmeißen? Oder kann ich ihn trotzdem noch essen? Was unterscheidet das MHD vom Verfallsdatum? Die wichtigsten Antworten.

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Mindesthaltbarkeitsdatum
Bild: picture-alliance/dpa

Der Joghurt sieht noch gut aus, der Käse auch - und trotzdem landen sie im Müll. Warum? Weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Laut Umweltbundesamt wirft jeder von uns in Deutschland durchschnittlich jedes Jahr bis zu 82 Kilogramm Lebensmitteln in den Müll. Das sind pro Person zwei vollgepackte Einkaufswagen. Doch sind Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, wirklich für die Tonne?

Laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ist dem nicht so: "Der Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums bedeutet aber nicht, dass das Lebensmittel damit automatisch wertgemindert oder nicht mehr zum Verzehr geeignet ist."

Obst und Gemüse
Frisches Obst und Gemüse weisen kein Haltbarkeitdatum auf, da sie zu den schnell verderblichen Lebensmitteln gehörenBild: Colourbox

Dennoch gehen etwa ein Drittel der Lebensmittel auf dem Weg vom Feld bis zum Teller verloren. Und das während gleichzeitig 800 Millionen Menschen unter Hunger leiden. Eine solche Verschwendung belastet auch die Umwelt. Jährlich entstehen durch das Wegwerfen von Essen in Deutschland mehr als 38 Millionen Tonnen Treibhausgase, gut 43.000 Quadratkilometer landwirtschaftlicher Fläche werden genutzt sowie 216 Millionen Kubikmeter Wasser verbraucht. Für jedes Nahrungsmittel verbrauchen wir zudem Energie bei Herstellung und Transport und verwenden Pflanzenschutzmittel, Mineral- und Wirtschaftsdünger, die die Umwelt belasten - so das Umweltbundesamt.

Mehr dazu: Dänemark führt Kampf gegen Lebensmittelverschwendung an

Was ist das Mindesthaltbarkeitsdatum?

Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist eine EU-rechtliche Kennzeichnungspflicht und existiert in Deutschland seit 1981. Laut BVL gibt das Mindesthaltbarkeitsdatum, oder MHD an, bis wann das Lebensmittel unter angemessenen Aufbewahrungsbedingungen seine spezifische Eigenschaft behält. Also wie lange Farbe, Geruch, Geschmack und Nährwerte bleiben wie an dem Tag, an dem das Produkt abgepackt wurde, vorausgesetzt es wurde richtig aufbewahrt. 

Das MHD eines Produkts wird nicht vom Gesetzgeber bestimmt, sondern vom Hersteller, der damit für die Qualität des Produkts garantiert. Genannt werden müssen, in mindestens zwei Millimeter großer Schrift Tag, Monat und Jahr. Zum Beispiel bei Milch reichen auch Tag und Monat. Bei länger haltbaren Waren wie Mehl, Nudeln und Konserven kann es heißen 'mindestens haltbar bis Ende ...'.

Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Verbrauchsdatum

'Mindestens haltbar bis …' und 'zu verbrauchen bis …' werden oft verwechselt und missverstanden. Laut einer Umfrage der Verbraucherzentrale kennen demnach nur rund 70 Prozent der Befragten die richtige Bedeutung von MHD und Verbrauchsdatum. Produkte mit Verbrauchsdatum sollte man tatsächlich vor diesem Datum verzehren, da ansonsten von einer Gesundheitsgefährdung auszugehen ist, so der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL).

Symbolbild Kühlregal mit Fleisch in einem Supermarkt
Hackfleisch sollte vor Verbrauchsdatum verzehrt werdenBild: picture alliance/dpa/R. Vennenbernd

Dies ist beispielsweise der Fall bei Hackfleisch, frischen Geflügelprodukten, Räucherfisch, Feinkostsalaten und frischer Rohmilch. Später dürfen diese meist leicht verderblichen Lebensmittel auch nicht mehr verkauft werden. Der Hinweis 'mindestens haltbar bis…' muss laut EU-Verordnung auf fast allen verpackten Lebensmitteln und Getränken stehen. Ausnahmen liegen der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMKV) zufolge beispielsweise vor bei frischem Obst, frischem Gemüse und ungeschälten Kartoffeln.

Lebensmittel im Müll
Bei jedem Deutschen landen jährlich 61,8 Kilogramm Lebensmittel im MüllBild: picture alliance/dpa/P. Pleul

MHD, Verfallsdatum ... und auch noch Verbrauchsverfallsdatum?

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft denkt darüber nach, das MHD um eine weitere Komponente zu erweitern - um das Verbrauchsverfallsdatum. Davon hält Frau Manon Struck-Pacyna, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit vom BLL allerdings wenig. Der DW gegenüber meinte sie, dass der Fokus auf der Aufklärung vorhandener Daten liegen sollte. 

Antonia Blumenthal von der Verbraucherzentrale plädiert vielmehr für eine Reform des Mindesthaltbarkeitsdatums. "Beispielsweise kann die Verlängerung des MHDs um nur einen Tag bei manchen Produkten, etwa Joghurt, schon eine ganze Menge Lebensmittelmüll vermeiden, ohne dass dadurch die Sicherheit der Konsumenten beeinträchtigt wird."

Mehr dazu: Berlin blockiert Foodsharing: Arm, sexy und für die Tonne

Intelligente Verpackungen 

Laut dem Bundeszentrum für Ernährung könnten intelligente Verpackungen dem Kunden künftig anzeigen, wie frisch ein Produkt noch ist. Für Lebensmittel-Verpackungen gibt es inzwischen verschiedene intelligente Indikatoren. Die Bundeszentrale für Verbraucherschutz erwähnt auf ihrer Webseite allein vier: Zeit-Temperatur-Indikatoren, Frische Indikatoren, Barcodes oder Funkchips. Neben Herstell- oder Abfülldatum, erfassen Funkchips aber auch Informationen über die einzelnen Verbraucher, daher bestehen hier Datenschutzbedenken.

Supermarkt geretteter Lebensmittel

In den USA oder in Frankreich sind bereits jetzt schon Etiketten auf dem Markt, die den Frischegrad von Lebensmittel durch Farbveränderungen anzeigen. Warum gibt es die intelligente Verpackung noch nicht in Deutschland? Zum einen befürchten der Handel und die Lebensmittelproduzenten, der Konsument könne sich vom verfärbten Frische-Anzeiger abschrecken lassen und zum anderen sei der Anschaffungspreis derzeit noch zu hoch, so das Bundeszentrum für Ernährung.

"The nose knows"

Das Mindesthaltbarkeitsdatum gibt weder eine Garantie, dass die Ware vor Ablauf gesundheitlich unbedenklich ist noch schließt sie aus, dass die Ware nach Ablauf eines gewissen Zeitraums noch unbedenklich verzehrt werden kann. Dennoch braucht der Kunde das MHD als Orientierungshilfe, so Struck-Pacyna. Das unterstützt eine Studie der Verbraucherzentrale, wonach die Abfallquote bei Produkten, die kein MHD haben, wie frisches Obst und Gemüse, am höchsten ist.

In erster Linie sollten wir uns auf unsere eigenen Sinne verlassen, meint Struck-Pacyna der DW gegenüber: "Erst schauen, dann riechen und wenn man noch nicht sicher ist, dann auch schmecken."