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Millionen-Strafe für Deutschland?

Mathias Bölinger27. April 2012

Die von der Europäischen Union gesetzte Frist zur Neuregelung der "Vorratsdatenspeicherung" ist abgelaufen. Brüssel kündigte nun eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof an, was für Deutschland teuer werden könnte.

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Datenkabel (Foto: dapd)
Bild: dapd

Am Freitagmorgen, 0 Uhr Ortszeit, endete eine Frist, die die EU-Kommission Deutschland gesetzt hatte, um die Vorratsdatenspeicherung neu zu regeln. Vor fünf Jahren hatten sich die EU-Staaten verpflichtet, entsprechende Gesetze zu verabschieden. Weil die Bundesregierung die Richtlinie aber nicht umgesetzt hat, wird die EU-Kommission jetzt wohl vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. Deutschland könnte dann eine Strafe in Millionenhöhe drohen.

Ermittlungswerkzeug oder Grundrechteverletzung

Die Richtlinie aus Brüssel sieht vor, dass Telekommunikationsunternehmen Verbindungsdaten auf Vorrat speichern müssen: Wer hat sich wann ins Internet eingeloggt? Wer hat wen angerufen? Wo wurde ein Mobiltelefon benutzt? Nicht gespeichert werden die Inhalte der Gespräche. Die Polizeibehörden halten diese Daten für notwendig, um bei Verbrechen herauszufinden, mit wem Opfer oder Tatverdächtige Kontakt hatten oder um nachzuweisen, dass ein Verdächtiger tatsächlich in der Nähe des Tatorts war. Bisher speichern die Unternehmen diese Daten nur eine gewisse Zeit für die Abrechnung, oft aber auch gar nicht mehr, weil immer mehr Kunden Flatrate-Tarife buchen. Ob die Ermittler diese Daten dann noch vorfinden ist Glückssache. Die Kritiker der Vorratsdatenspeicherung – vor allem Internetaktivisten, aber auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) – sehen in der Tatsache, dass mit diesen Daten jederzeit die Kommunikation jedes Bürgers analysiert und Bewegungsprofile erstellt werden können, eine grobe Verletzung der Grundrechte.

Smartphone (Foto. picture alliance)
Wohin geht das Telefonat?Bild: picture alliance/landov

Bereits 2007 hatte die damals regierende große Koalition aus Sozialdemokraten und Konservativen die Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Das Gesetz wurde aber im März 2010 vom Bundesverfassungsgericht verworfen. Die Karlsruher Richter sahen in der Vorratsdatenspeicherung eine "Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt". Zwar lehnte das Gericht die Vorratsdatenspeicherung nicht grundsätzlich ab, fand aber, dass viel strenger begrenzt werden müsse, wer zu welchem Zweck auf diese Daten zugreifen darf.

Streit in der Regierung

Gegen das Gesetz geklagt hatte unter anderem Sabine Leutheusser-Schnarrenberger – damals noch in der Opposition, bei der Urteilsverkündung allerdings bereits Justizministerin und damit Klägerin und Beklagte zugleich. Seitdem verläuft der Streit quer durch die Regierung: Auf der einen Seite steht die Justizministerin und der kleine liberale Koalitionspartner FDP, auf der anderen Seite der Innenminister und die konservative CDU/CSU. Die Justizministerin möchte im Gesetz lediglich vorschreiben, dass Unternehmen die Daten im konkreten Verdachtsfall aufheben müssen und weist darauf hin, dass die umstrittene EU-Richtlinie derzeit überarbeitet werde. Der Innenminister besteht dagegen darauf, die Daten anlasslos für mehrere Monate zu speichern, wie es die geltende Richtlinie vorschreibt. Der EU hat die Bundesregierung mitgeteilt, man sei über die Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung noch in der Diskussion.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (foto: dapd)
Justizministerin Sabine Leutheusser-SchnarrenbergerBild: dapd