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Instabiler Libanon

22. Mai 2007

Im Norden des Libanon haben schwere Kämpfe zwischen der Armee und Angehörigen der islamistischen Gruppe Fatah Al-Islam zahlreiche Todesopfer gefordert. Im ganzen Land ist die Stabilität gefährdet, meint Rainer Sollich.

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Bild: DW

Es gibt keine Beweise dafür, dass die militanten Islamisten im palästinensischen Flüchtlingslager Nahr al-Bared von Syrien aus ferngesteuert werden. Und es wird sie wohl auch niemals geben - schon deshalb nicht, weil politische Verschwörungen zwar vermutet werden können, aber so gut wie nie durch Fakten belegbar sind.

Sowohl Syrien als auch die Gruppe Fatah Al-Islam selbst bestreiten eine Zusammenarbeit - während viele pro-westlichen Regierungskräfte im Libanon wie selbstverständlich von einem syrischen Komplott ausgehen. Ein möglicher Grund liegt auf der Hand: Demnach würde Syrien versuchen, durch das Schüren von Chaos und Gewalt im Libanon die Einrichtung des internationalen Tribunals zur Aufklärung des Mords an Ex-Regierungschef Rafik Hariri zu sabotieren. Ein Interesse daran kann man Damaskus leicht unterstellen: Denn im Mordfall Hariri steht Syrien tatsächlich im begründeten Verdacht, im Hintergrund die Fäden gezogen zu haben.

Was jedoch gegen die These einer Fernsteuerung sprechen könnte, ist die Deutlichkeit, mit der sich Syrien inzwischen von den militanten Kämpfern im Nordlibanon distanziert. Diese Gruppe diene nicht dem palästinensischen Interesse und werde auch in Syrien strafrechtlich verfolgt, heißt es offiziell aus Damaskus - nicht gerade ein Zeichen für politische Unterstützung. Solche deutlichen Worte waren gegenüber der mit Syrien alliierten Hisbollah-Miliz jedenfalls noch nie zu hören.

Bekannt ist, dass die Fatah Al-Islam dem Terrornetzwerk El-Kaida nahesteht. Aber ganz unabhängig davon, ob Damaskus, die El-Kaida oder beide die Hände im Spiel haben: Die Lage im Libanon eskaliert auf äußerst gefährliche Weise. Und sie könnte sich - wie die jüngsten Bombenanschläge in der Hauptstadt Beirut zeigen - jederzeit ausweiten und außer Kontrolle geraten. Das politische Klima im Land ist nicht erst seit den gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Regierungs- und Oppositionsanhängern im Januar gespannt. Die verschiedenen politischen und religiösen Gruppen kämpfen um die Macht und haben oftmals noch Rechnungen aus der Zeit des Bürgerkriegs offen. Und nicht nur militante Splitterorganisationen der Palästinenser und die Hisbollah, auch sunnitische und christliche Gruppen haben sich längst wieder mit Waffen versorgt.

Schon ein Funke könnte genügen, um im multikonfessionellen Staat Libanon zahlreiche Konflikte neu aufbrechen zu lassen: Zwischen den verschiedenen Religionsgruppen - oder auch zwischen einzelnen Gruppen der Libanesen und Palästinenser. Auch in der Vergangenheit sind politische Unruhen immer wieder aus der Armut der Palästinensercamps hervorgegangen. Dort herrschen meist Mafiastrukturen und politische Anarchie - auch weil sich der libanesische Staat einst selbst dazu verpflichtet hatte, dort nicht mit eigenen Kräften einzugreifen. Das rächt sich heute, und das darf auch nicht so bleiben. Die libanesischen Sicherheitskräfte werden auch in Zukunft keine andere Wahl haben, als Gewalt militanter Gruppen zu bekämpfen. Aber sie müssen behutsam vorgehen und die Bevölkerung verschonen. Die fragile Stabilität des Landes steht auf dem Spiel.