1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mexiko: Bio-Honig für Deutschland

8. Februar 2019

Süßer Honig statt Auswanderung oder Kriminalität: Indigene mexikanische Bauern trotzen der Perspektivlosigkeit in ihrer Heimat mit der Produktion von Bio-Honig. Jetzt besuchen sie die Biofach-Messe in Nürnberg.

https://p.dw.com/p/3Cugi
Honigglas
Bio-Produkt HonigBild: Colourbox

Der Tag ist noch jung, die ersten Sonnenstrahlen lassen auf sich warten. Doch Ernesto García José und seine Kollegen wollen jede Minute nutzen, um ihre kostbare Ernte einzubringen. In diesen Wochen stehen die Bäume, Büsche und Sträucher in der Costa Chica in voller Blüte - es ist Hoch-Zeit für die Bienen in der südmexikanischen Pazifikregion. Höchste Zeit für die Imker, die mit Honig gesättigten Waben aus den Bienenstöcken holen.

In seinem weißen Overall, das Gesicht durch eine fein vergitterte orangefarbene Haube geschützt, steht García mitten in einem Schwarm der angriffslustigen Insekten und bläst mit einer kleinen Pumpe Rauch in die Holzkästen. "Wenn man die Bienen nicht einräuchert, werden sie so aggressiv, dass kein Arbeiten möglich ist", sagt der 28-Jährige. Unterdessen stapeln seine Kollegen die wertvolle Ware auf die Ladefläche des Geländewagens.

Zehn Stunden später, die Sonne verschwindet bereits am Horizont, fahren die Männer zurück. Vorbei an Maisfeldern, Kakteen und Mangobäumen geht es in die Provinzstadt Putla Villa de Guerrero. Hier in der Mixteca-Region, wo vor allem Indigene wohnen, befindet sich der Sitz ihrer Imker-Kooperative Itunuvico.

1.600 Kilogramm Honig am Tag

García José und seine Leute sind zufrieden. Mehr als 1.600 Kilogramm Honig bringen sie an diesem Tag nach Hause. Der junge Mann zückt sein Smartphone und rechnet. Rund 90.000 Pesos, umgerechnet 4.150 Euro, dürfte die heutige Ernte einbringen. Die Imker arbeiten nach den Vorgaben des deutschen ökologischen Anbauverbandes "Naturland". Würden sie den Honig nach konventionellen Methoden erzeugen, könnten sie ihn nur für etwa die Hälfte verkaufen.

Bienenstock
Bienen bei der ArbeitBild: picture-alliance/ M.i.S.-Sportpressefoto

Für den Bio-Anbau müssen die Bienenstöcke drei Kilometer entfernt von allem aufgestellt werden, was die Blüten verunreinigen könnte: Dörfer, Straßen, Müllhalden und natürlich Felder, auf denen Herbizide, andere chemische Mittel oder gentechnisch manipuliertes Saatgut benutzt wird. So garantieren die Bio-Imker, dass der Honig keine Schadstoffe enthält, da die Bienen den Nektar aus sauberen Blüten saugen.

Der süße Brotaufstrich landet überwiegend in deutschen Ladenregalen. "Vergangenes Jahr haben wir 600 Tonnen Biohonig nach Deutschland exportiert", sagt Conrado García Riaño. "Don Conrado", 62 Jahre, graue Haare, braun gebranntes Gesicht, ist der Macher der Kooperative Itunuvico. Der Name entstammt der indigenen Mixteca-Sprache und bedeutet "Blume des Berges".

"Wir schaffen Arbeitsplätze"

Seit 13 Jahren arbeitet er an dem Projekt. Seit 2007 verfügt die Kooperative über Zertifikate, die den Export von Bio-Honig erlaubt. Die bunt bemalte Wand des Büros, in dem García Riaño seinen Besuch empfängt, erzählt diese Erfolgsgeschichte: "Wir schaffen Arbeitsplätze", ist dort neben einer großen Biene und dem Naturland-Symbol zu lesen.

Jedes Jahr haben die indigenen Imker mehr produziert, und daran will Don Conrado auch weiterhin festhalten. "2019 wollen wir 776 Tonnen Honig herstellen", sagt der 62-Jährige. Um seinen Honig in Deutschland bekannter zu machen, reist er in den kommenden Tagen mit einem Kollegen nach Nürnberg. Dort findet vom 13. bis 16. Februar die weltgrößte Messe für Bio-Lebensmittel, die Biofach, statt. Es ist das erste Mal, dass der Imker die Messe besucht. Die Reise ist sehr kostspielig. Aber er ist guter Dinge, dass sich der Aufwand lohnt und er für seine Kooperative neue Kunden findet.

 "Honig ist ein Produkt, das uns heilt und ernährt", sagt García Riaño. Für ihn zähle der Schutz des Wassers, der Bäume und des Bodens. Aber er ist auch stolz darauf, Menschen in der Mixteca-Region eine Lebensgrundlage geschaffen zu haben. "Wir haben 2006 mit neun Frauen und acht Männern angefangen, heute sind wir 180 kleine Produzenten", erklärt er.

Und das in einer Region, die von Flucht und Kriminalität geprägt ist: Viele haben die Mixteca verlassen, um in den USA oder in Mexiko-Stadt ihr Überleben zu sichern. Andere bauen Schlafmohn für die Herstellung von Opium an oder arbeiten in anderer Weise für Verbrecherbanden. Erst Anfang Januar wurden in der Region zwei Politiker erschossen - wahrscheinlich, weil sie sich dem kriminellen und korrupten Treiben entgegenstellen wollten.

210.000 Bauern in der organischen Produktion

Auch einige Geschwister von Ernesto García José leben nicht mehr in ihrer alten Heimat. Der junge Mann, der Präsident von Itunuvico ist, will die Mixteca aber nicht verlassen. "Hier wächst alles", sagt er: "Mais, Kaffee, Zuckerrohr, Mango, Bananen." Die Pflanzenvielfalt Mexikos hat das Land zu einem der weltweit führenden Hersteller von Bio-Produkten gemacht. Auf einer Million Hektar Boden sind laut Landwirtschaftsministerium 210.000 Bauern in der organischen Produktion tätig. Die Hälfte der Bio-Campesinos stammt aus indigenen Gemeinden.

Imker mit Honigbienen
Imker bei der ArbeitBild: AP

"Die ökologische Imkerei ist teuer und aufwendig", erklärt García José. Aus jedem Fass, das nach Deutschland geliefert wird, schickt der Imker vorab eine Probe, um die Qualität zu bestätigen. "Die Zertifizierung, die Miete für die Stellplätze der Bienenstöcke, die hohen Benzinkosten, da kommt schon einiges zusammen», sagt García José. Jedes Jahr muss die Kooperative von Experten einer Zertifizierungsstelle prüfen lassen, ob ihre Arbeit der EU-Verordnung für Öko-Lebensmittel und den strengeren Normen des Naturland-Siegels entspricht.

Bienensterben?

Mit einem Bienensterben, das in Deutschland und auch in anderen Regionen Mexikos Sorgen bereitet, haben die Imker der Mixteca keine Probleme: Tausende Hektar unkultiviertes Land garantieren genug Platz für Bäume und Blumen, so dass die Insekten genug Blüten haben. Der Anbau von genetisch manipuliertem Mais und Soja, wie er großflächig auf der Halbinsel Yucatán betrieben wird, spielt hier noch keine Rolle.

Noch in der Nacht haben Ernesto García José und seine Kollegen die Holzkästen mit den Rahmen ausgeladen. Am nächsten Morgen trennen sie den Honig in einer Zentrifuge von den Waben, später füllen sie ihn ab. Etwa zwei Dutzend Fässer der goldfarbenen zähflüssigen Masse stehen bereits im gekühlten Lager. Schon bald werden sie in den Hafen von Veracruz gebracht und von dort aus nach Hamburg verschifft. 30 Container mit jeweils 70 Fässern Honig aus Putla Villa de Guerrero haben 2018 den Atlantik überquert. Wenn Don Conrados Mission auf der Biofach-Messe erfolgreich verläuft, dürften es in diesem Jahr noch einige mehr werden.

ar/ul (epd)