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Meuterei auf der Gorch Fock?

20. Januar 2011

Nach einem tödlichen Unfall auf der Gorch Fock und geöffneten Heimatbriefen von Soldaten muss sich die Bundeswehr kritischen Fragen stellen. Der Wehrbeauftragte berichtete, jetzt sollen die Vorwürfe aufgeklärt werden.

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Ruder und Segel der gorch Fock (Foto: AP)
Keine Seefahrer-Romantik, sondern handfeste Spannungen gab es auf der Gorch FockBild: AP

Es war im November des vergangenen Jahres, als eine junge Offiziersanwärterin auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock" bei einem Sturz aus der Takelage ums Leben kam. Dieser tragische Unfall soll erhebliche Spannungen zwischen der Crew und der Schiffsführung ausgelöst haben. Von "Meuterei" und von "Führungsversagen" ist die Rede, wie aus einem Brief des Wehrbeauftragten des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), an den Verteidigungsausschuss hervorgeht, der auch an die Öffentlichkeit gelangte.

Gegenseitige Vorwürfe

Kadetten berichteten demnach von massivem Druck der Ausbilder hinsichtlich des - freiwilligen - Aufenterns, also des Hinaufkletterns in die Takelage. Von manchen sei dies als Nötigung empfunden worden. Es seien Sätze gefallen wie "Wenn Sie nicht hochgehen, fliegen Sie morgen nach Hause" oder "Wenn Sie das nicht schaffen, wie wollen Sie dann Menschen führen?"

Nach dem tödlichen Sturz der Kameradin aufs Deck hätten "viele nicht mehr aufentern" wollen, "andere wollten nicht mehr mit der Gorch Fock weiterfahren", die sich auf einem Törn um Südamerika befand, schreibt der Wehrbeauftragte. Als Vermittler eingesetzte Offiziersanwärter wurden demnach kurz darauf mit dem Vorwurf der Meuterei und des Aufhetzens der Crew konfrontiert.

Besatzungsmitglieder setzen am Miittwoch, 26. August 2009, Segel an Bord der Gorch Fock (Foto: AP)
Nicht alle wollten nach dem tödlichen Unfall ihrer Kameradin wieder hinauf in die TakelageBild: AP

Königshaus hat dem Brief zufolge den Inspekteur der Marine um eine Untersuchung der Vorfälle gebeten und auch das Verteidigungsministerium informiert.

Kein Briefgeheimnis für Bundeswehrsoldaten?

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) muss sich aber auch mit einem weiteren Vorfall befassen, von dem er durch Königshaus in Kenntnis gesetzt wurde. Dabei geht es um geöffnete Feldpost aus Afghanistan. Demnach sind möglicherweise Briefe, die Bundeswehrsoldaten aus dem zentralen Bundeswehrcamp in Masar-i-Scharif in die Heimat schickten, in großem Stil systematisch geöffnet worden.

Ein Fach mit Bundeswehr-Feldpost (Foto: AP)
Wurde hier das Briefgeheimnis verletzt?Bild: AP

Königshaus war offenbar bei seinem jüngsten Besuch in Afghanistan von Soldaten darüber informiert worden, dass ihre Briefe bei den Adressaten in der Heimat teilweise geöffnet und zum Teil sogar ohne Inhalt angekommen seien.

Guttenberg leitete am Mittwoch Ermittlungen ein, die mit "Hochdruck" vorangetrieben würden. Er sagte in Berlin, es sei untragbar, dass Briefe geöffnet würden. Falls sich der Verdacht bestätigte, werde es Konsequenzen geben.

Post AG schließt Mitverantwortung aus

Die Heimatpost aus Afghanistan geht an die Feldpostleitstelle in Darmstadt und wird an das dortige Briefzentrum der Deutschen Post weitergegeben. Diese ist dann für die Zustellung in Deutschland verantwortlich. Unbekannt ist, wo und durch wen die Post geöffnet wurde. Die Post AG schließt derweil nach ersten Untersuchungen eine Mitverantwortung an den Feldpost-Vorfällen aus. "In dem Bereich, den wir zu verantworten haben, liegt nichts im Argen", sagte ein Post-Sprecher.

Politik fordert Aufklärung

Die Bundestags-Opposition zeigte sich empört über die Vorfälle. Eine Postkontrolle der Bundeswehrsoldaten dürfe es "nur in Ausnahmefällen" und nur bei "konkreten Anhaltspunkten für ein Fehlverhalten" geben, sagte der Parlamentarische SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Der Sprecher der Grünen-Fraktion für Sicherheitspolitik, Omid Nouripour, sprach von einem "verheerenden Vorfall", der umgehend aufgeklärt werden müsse. "Auch für Soldaten im Einsatz und ihre Familien gelten die Grundrechte, das Briefgeheimnis muss gewahrt werden", erklärte er in Berlin. Auch die FDP bezeichnete die Vorgänge als "untragbar" und begrüßte die Zusage Guttenbergs, schnell aufklären zu wollen.

Autorin: Sabine Faber (dpa, dapd, afp)

Redaktion: Ulrike Quast