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Özils Tweet sorgt für politische Spannungen

16. Dezember 2019

Mesut Özil setzt sich in einem Tweet für die Uiguren in China ein - und beschwört damit heftige Reaktionen der dortigen Behörden und Fans herauf. Ein Risiko, dass man einkalkulieren muss, sagen China-Experten.

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Fußball FC Arsenal vs Manchester City | Mesut Özil Auswechslung
Bild: Getty Images/AFP/B. Stansall

Vermutlich war es die Gesamt-Gemengelage, die Mesut Özil so verärgerte. Bei seiner Auswechslung im Premier-League-Spiel gegen Manchester City (0:3) am Sonntag trat er voller Wut eine Trinkflasche in Richtung der Seitenlinie und schimpfte vor sich hin. Nicht nur in sportlicher Hinsicht dürften die Nerven des 31 Jahre alten Spieler des FC Arsenal besonders angespannt sein. Erneut hat Özil in den sozialen Medien mit einem politischen Statement für Aufsehen gesorgt - und sich diesmal den Ärger der chinesischen Regierung sowie den seines Klubs zugezogen.   

In einem  Tweet  schrieb der  ehemalige deutsche Nationalspieler auf Türkisch: "Korane werden verbrannt... Moscheen werden geschlossen... muslimische Schulen werden verboten... religiöse Gelehrte werden einer nach dem anderen umgebracht... Brüder werden gewaltsam in Lager gesperrt..." Er kritisierte, dass viele muslimische Länder darüber schwiegen. Diese Haltung verärgerte die chinesischen Behörden. Das Staatsfernsehen CCTV strich daraufhin die Übertragung der Partie aus ihrem Programm.  

Die Chinesische Fußballvereinigung nannte die Äußerungen "inakzeptabel" - sie hätten "die Gefühle chinesischer Fans verletzt". Die Staatszeitung "Global Times" nannte Özils Anschuldigungen schlicht "falsch".

China-Expertin: Arsenal tut sich keinen Gefallen

Der FC Arsenal versuchte unterdessen im chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo zu beschwichtigen: "Die veröffentlichten Inhalte sind Özils persönliche Meinung." Als Fußballverein habe Arsenal sich immer an das Prinzip gehalten, sich nicht in die Politik einzumischen." Auf Anfrage der DW unterstrich der Klub noch einmal seine Haltung gegenüber Özil und sieht sich "als unpolitische Organisation". 

"Mit diesem Statement tut sich der Verein keinen Gefallen. Das führt nur zu einer Lose-Lose-Situation. Neutralität ist hochpolitisch", sagt China-Expertin Mareike Ohlberg vom Mercator Institute for China Studies (MERICS) aus Berlin der DW. Zum einen seien die Chinesen verärgert über dieses Klub-Statement. Zum anderen seien es auch die Arsenal-Verantwortlichen, die diese Özil-Einlassung mit ihrer Reaktion nicht aus der Welt schaffen könnten.

Unterstützer der muslimischen Uiguren protestieren in Istanbul
Unterstützer der muslimischen Uiguren protestieren in IstanbulBild: Getty Images/AFP/Y. Akgul

Die harsche Reaktion der Chinesen auf die äußere Einmischung in die inneren politischen Angelegenheiten seien auch nichts, "was man verhindern oder in irgendeiner Form wiedergutmachen kann", sagt China-Expertin Ohlberg. "Wenn man auf dem chinesischen Markt agiert, geht man dieses Risiko immer ein. Das gilt nicht nur für Sportler oder Vereine, sondern auch für Unternehmen, die sich in China niedergelassen haben." Gegendruck könne nur entstehen, wenn sich Unternehmen, Sportler oder Vereine nicht den Mund verbieten ließen. 

China macht die Regeln

"Wenn man sich dazu entscheidet, wirtschaftliche Interessen in China zu verfolgen, macht China die Regeln und nicht du selbst", sagt auch Simon Chadwick, Professor für Sport-Buisness an der Universität Salford in Manchester der DW. "Arsenal hat die Wahl. Entweder verfolgen sie die finanziellen Vorteile einer Geschäftstätigkeit in China oder sie nehmen die moralische Überlegenheit aus westlicher Sicht ein und unterstützen Mesut Özil."

Deshalb glaubt auch Chadwick, dass der englische Traditionsklub nicht den richtigen Weg gewählt habe. "Arsenal denkt, dass sie clever waren. Sie haben ihre Aussage irgendwo zwischen Özil und China platziert. Sie haben ihren Spieler nicht kritisiert oder verurteilt, aber auch nicht kritisiert, was China im Westen des Landes mit den uigurischen Muslimen macht. Aber es ist nicht klug. Denn wenn es um die chinesische Regierung geht, sind Sie entweder für sie oder gegen sie. Es gibt keinen Mittelweg", sagt der englische China-Experte.

Die Folgen der Özil‘schen Stellungnahme  sind in China bereits absehbar. Der Arsenal-Star hat über vier Millionen Follower beim chinesischen Social-Media-Anbieter Weibo, wo er als "272" bekannt ist, und die nicht besonders erfreut zu sein scheinen. Ein Fan postete ein Video, in dem Özils Zahlen auf dem Fußballtrikot in Flammen aufgehen. Andere sagten, dass sie ebenfalls planten, ihre Hemden zu verbrennen.

Chinesische Fans verbrennen die Trikots

Auch auf Instagram ist das Thema immanent. Ein chinesischer Arsenal-Fan postete dort: "Weißt du, wie Arsenal-Fans in China die letzten zwei Tage verbracht haben? Sie haben Mühe zu verstehen, wie sich der Klub und das Idol, das sie einst liebten, als Gerücht entpuppt haben. Natürlich, wenn ihr vorhabt, China anzugreifen, seid ihr in unseren Herzen so unbedeutend wie schmutzige Ameisen." Ein anderer sagte: "Als chinesischer Fußballfan bin ich sehr enttäuscht. Warum kannst du dich nicht einfach darauf konzentrieren, Fußball zu spielen? Als Person des öffentlichen Lebens sollten Sie wissen, was Sie sagen können, was Sie tun können und sich der Konsequenzen bewusst sein."

Hupu, eine der bekanntesten Sportnachrichten-Websites in China, hat die Berichterstattung über Özil eingestellt. In einer Stellungnahme teilt Hupu mit: "'One China' sei das Fazit, das nicht überschritten werden dürfe." Hupu behauptet auch, dass "professionelle Spieler auf der Grundlage der FIFA-Charta unangemessene politische Äußerungen vermeiden sollten". "Ozil's Bemerkungen fehlten nicht nur die grundlegende Integrität als professioneller Spieler, sondern sie verursachten auch schweren Schaden für die Gefühle des chinesischen Volkes."

Erdogan-Affäre schwebt über Özil

Der türkische Staatspräsident Erdogan (M.) mit Mesut Özil (l.) und dessen Frau Amine(r.
Der türkische Staatspräsident Erdogan (M.) mit Mesut Özil (l.) und dessen Frau Amine(r.)Bild: picture-alliance/dpa/Presidential Press Service

Bereits im Mai 2018 sorgte Özil für Aufsehen, als er sich mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hatte ablichten lassen und diesen als seinen Präsidenten bezeichnete. Auch das wurde als politisches Statement gewertet, das zu intensiven Diskussionen in Deutschland führte. Nach der völlig verkorksten WM in Russland erklärte Özil seinen Rücktritt, bemängelte in einem umfassenden Statement mangelnde Unterstützung seitens des Deutschen Fußball Bund (DFB) und beklagte zudem Rassismus in Deutschland. Für die Verantwortlichen des DFB war Özil ab diesem Zeitpunkt nicht mehr erreichbar. Im Juni dieses Jahres machte Özil Erdogan zu seinem Trauzeugen.