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Hilfe für Bosnien-Herzegowina

Kay-Alexander Scholz30. Juni 2016

Deutschland begleitet die Westbalkan-Staaten seit Jahren aktiv auf ihrem Weg der Annäherung an die EU. Mit deutscher Hilfe soll nun ein Hindernis in dem Dreivölkerstaat Bosnien-Herzegowina überwunden werden.

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Deutschland Bosnien und Herzegowina Merkel mit Covic, Ivanic, Izetbegovic PK
Bild: Getty Images/AFP/J. Macdougall

Nein, sie wolle sich nicht der Meinung anschließen, die Politik habe ihre Arbeit nicht gemacht, sagte Kanzlerin Angela Merkel auf die Frage nach den Reform-Fortschritten in Bosnien-Herzegowina. "Das Glas ist halb voll und nicht halb leer." Insbesondere bei sozio-ökonomischen Reformen habe es seit ihrem Besuch in Bosnien-Herzegowina vor einem Jahr "erhebliche Fortschritte" gegeben. Merkel nannte die Bereiche Arbeitsrecht, Rente und Pensionen. Sehr deutliche Fortschritte gebe es auch beim Bemühen, mehr Transparenz in den gesamten Wirtschaftskreislauf zu bringen.

Merkel beließ es nicht bei lobenden Worten, die im Kontext des gewünschten EU-Beitritts des Landes zu sehen sind.

Deutsche Hilfe für Landwirte in Bosnien-Herzegowina

Im Februar übergab der West-Balkanstaat seinen Antrag auf EU-Mitgliedschaft. Bis zum 18. Juli werde über die Weiterleitung des Antrags befunden, sagte Merkel dazu. Bis dahin sei noch "eine Menge Arbeit zu leisten".

Im Jahr 2008 hatte Bosnien-Herzegowina ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit der EU abgeschlossen, das als wichtige Vorstufe eines EU-Beitritts gilt. Es ist allerdings erst seit 2015 in Kraft und wird derzeit von den bosnischen Serben blockiert. Merkel wies darauf hin, dass dieses Abkommen durch den EU-Beitritt Kroatiens angepasst werden müsse. Hier seien noch einige Hindernisse zu überwinden - vor allem weil es Sorgen von Landwirten gebe.

In diesem Punkt nun werde Deutschland "so hilfreich wie möglich sein", sagte Merkel. Sollte es zu realen Einbußen bei den Einkommen der Landwirte kommen, werde Deutschland übergangsweise Unterstützung leisten, versprach Merkel.

Der amtierende Vorsitzende des Dreier-Staatspräsidiums von Bosnien-Herzegowina, der bosnische Muslim Bakir Izetbegovic, sagte, mit der "finanziellen Hilfe des deutschen Volkes" sei nun das Hauptargument gegen das Assoziierungsabkommen entkräftet. Dass die Landwirte zu leiden hätten, das sei nun nicht mehr zu befürchten. Langfristig aber werde sein Land mit dem Wettbewerbsdruck zurecht kommen müssen, wenn es Mitglied der EU werden wolle, sagte Izetbegovic weiter.

Insgesamt sieht Izetbegovic sein Land auf einem guten Weg in Richtung EU. 50 Prozent der Reformagenda seien implementiert. Im letzten Jahr habe das BIP-Wachstum bei drei Prozent gelegen. Pro Monat würden 1000 neue Arbeitsplätze entstehen.

Merkel kündigte für die am kommenden Montag (4.7.) in Paris stattfindende Westbalkan-Konferenz an, neue gemeinsame Infrastrukturprojekte zu beschließen und ein Jugendwerk zu eröffnen.

Deutschland Bosnien und Herzegowina - Angela Merkel & Covic, Ivanic, Izetbegovic (Foto: DPA)
Angela Merkel mit dem amtierenden Präsidenten Bakir IzetbegovicBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Noch immer Streit um Volkszählung

Während in Berlin das bosnische Staatspräsidium - bestehend aus dem Bosnier Izetbegovic, dem Kroaten Dragan Covic und dem Serben Mladen Ivanic - mit militärischen Ehren empfangen wurde, gab das Statistikamt in Sarajevo nach zweieinhalb Jahren Streit das Ergebnis der Volkszählung aus dem Jahr 2013 bekannt. Danach machen die muslimischen Bosnier 50,1 Prozent der Bevölkerung aus. Die orthodoxen Serben sind mit 30,8 die zweitstärkste und die katholischen Kroaten mit 15,4 Prozent die drittstärkste Gruppe.

Allerdings erkennen die Serben auch die jetzt veröffentlichten Ergebnisse nicht an. Sie behaupten, mehr als 200.000 Muslime seien in Wirklichkeit keine Staatsbürger, weil sie seit vielen Jahren dauerhaft im Ausland lebten. Nach dieser Lesart hätten die Muslime ihre absolute Mehrheit verloren. Viele Bosnier sprechen über den Versuch, sie von der Liste streichen zu wollen, von einer "gewollten ethnischen Säuberung". Im Jugoslawienkrieg zwischen 1992 und 1995 waren zehntausende Menschen in den ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken Opfer so genannter "ethnischer Säuberungen" geworden.

Nachdem es nun offizielle Zahlen gebe, könnten Entscheidungen getroffen werden, die deeskalierend wirken könnten, sagte Izetbegovic zu den Ergebnissen der Volkszählung. Der Dauerstreit zwischen den drei Völkern blockiert das Land seit vielen Jahren.