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Merkel sucht in London Gemeinsamkeiten

7. November 2012

Im Streit um den EU-Haushalt hat Kanzlerin Merkel an den britischen Premier Cameron appelliert, Differenzen zu überwinden und die Gemeinsamkeiten beider Länder zu sehen. London fährt derzeit einen europakritischen Kurs.

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Der britische Premier Cameron empfängt Kanzlerin Merkel (Foto: rtr)
Merkel zu Besuch in London mit David CameronBild: Reuters

Auch die herzliche Umarmung vor der Downing Street Nr. 10 konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und Großbritanniens Regierungschef David Cameron derzeit wenig gemeinsame Anknüpfungspunkte in der Europapolitik haben. Die Kanzlerin, die vehement für den Verbleib eines "starken Großbritanniens" in der EU wirbt, versuchte bei ihrem abendlichen Gespräch mit Cameron an dessen Amtssitz in London, die Gemeinsamkeiten beider Länder hervorzuheben.

Gemeinsame Interessen

"Deutschland und Großbritannien sind beide Nettozahler, das heißt, wir haben eine Menge gemeinsamer Interessen", meinte Merkel und schob nach: "Trotz der Meinungsverschiedenheiten, die wir haben, ist es für mich sehr wichtig, dass Großbritannien und Deutschland zusammenarbeiten und ihre Differenzen um den EU-Haushalt überwinden." Die Kanzlerin verwies zugleich darauf, dass Deutschland aber auch Nachbarn in Mittel- und Osteuropa habe, die an die Europäische Union herangeführt werden müssten.

Kanzlerin Merkel und der britische Premier Cameron vor Journalisten (Foto: rtr)
Der britische Premier Cameron tritt beim EU-Haushalt auf die BremseBild: Reuters

London droht mit Veto

Im EU-Haushaltsstreit hat London mit einem Veto gedroht, sollten sich die Ausgaben in der Planung von 2014 bis 2020 über den Inflationsausgleich hinaus erhöhen. Die EU-Kommission und mehrere Mitgliedsländer wollen die Ausgaben um bis zu fünf Prozent auf knapp eine Billion Euro (1000 Milliarden Euro) anheben. Die Staats- und Regierungschefs der EU sollen am 22. und 23. November über das Mehrjahresbudget entscheiden. Der Haushalt muss einstimmig beschlossen werden.

Merkel sagte, es gehe in den Diskussionen nicht nur um die Summe der Ausgaben, sondern auch um die Art ihrer Verwendung. "Europa muss ein innovativer Kontinent sein, Europa muss investieren in die Zukunft", forderte sie. Die Ausgabeneffizienz sei steigerbar.

Der britische Premier wies darauf hin, sein Land sei treibende Kraft beim Erweiterungsprozess der Europäischen Union gewesen. Großbritannien sei auch ein sehr starkes Mitglied der Europäischen Union mit einem großen Beitrag zum Wachstum des Binnenmarktes.

Cameron bleibt hart

Gleichzeitig stellte Cameron jedoch klar, dass er derzeit nicht an einem Strang mit Merkel ziehen könne. Der Premier verwies nochmals darauf, dass er eine Ausweitung des EU-Haushaltes nicht für sinnvoll halte in Zeiten, in denen in vielen Mitgliedsländern Kürzungen anstünden. "Ich will einen guten Abschluss für Großbritannien und die britischen Steuerzahler, einen den ich meinem Parlament und dem britischen Volk präsentieren kann", bekräftigte er.

Für Verärgerung sorgt in Brüssel zudem die Ankündigung Londons, 2014 weitgehend aus der EU-Zusammenarbeit im Justizwesen und in der Innenpolitik aussteigen zu wollen. Auch in anderen Bereichen wie etwa dem europäischen Fiskalpakt engagiert sich Großbritannien nicht. Unter den britischen Konservativen, deren Parteichef Cameron ist, mehren sich inzwischen die Stimmen, die eine Volksabstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der EU fordern.

Merkel wirbt für EU-Reform

Kanzlerin fordert Reformen

Vor ihrem Flug nach London hatte Merkel vor dem Europäischen Parlament in Brüssel eine Grundsatzrede über die Wirtschafts- und Währungsunion gehalten. Dabei setze sich sich nochmals mit Nachdruck für den Verbleib der Briten in der EU ein. "Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass Großbritannien nicht zu Europa gehört". Sie verwies darauf, dass noch britische Soldaten in Deutschland seien.

Merkel bekräftigte vor den Parlamentariern ihre Ablehnung einer gemeinsamen Haftung für Staatsschulden in der Euro-Krise. Zugleich erklärte sie, die Nationalstaaten müssten unter Umständen Aufgaben an die EU abgeben. "Ich denke an sensible Politikbereiche wie die Arbeitsmarkt- oder Steuerpolitik", sagte sie. Die Kanzlerin hält auch Änderungen am EU-Vertrag für erforderlich, um Gründungsfehler der Wirtschafts- und Währungsunion zu beheben. Die EU-Ebene brauche auch "echte Durchgriffsrechte gegenüber den nationalen Haushalten", wenn vereinbarte Grenzwerte nicht eingehalten werden, führte sie weiter aus.

se/wl (dpa, rtr, afp)